30.06.2006 | 12:37 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
Der Feind in meinem Beet (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Schon als der Kollege Albers und ich 2001 im Zuge unserer Tournee durch Deutschland Karlsruhe streiften, dort die Harfinistin und Autorin Angelika Maisch besuchten und einen Ausflug in den Schwarzwald unternahmen, um dort die zu Recht sagenumwobene MaKü-Systemgastronomie zu studieren, wurden wir auf das Phänomen aufmerksam und stellten darüber Spekulationen an. In unserem Reisetagebuch notierten wir damals:
Am Wegesrand bemerkten wir lobend ein rosanes Kraut, das überall in voller Blüte stand. Maisch sagte, dass das gar nicht so lustig sei, weil es sich dabei um Indisches Springkraut handele, das, einmal in Europa eingeschleppt, nun drohe, den gesamten Schwarzwald zu überwuchern. Umgekehrt habe Hawaii gerade mit der Invasion der heimischen Brombeere zu kämpfen, die dort die dermaleinstige Faunavielfalt niederzumachen drohe. Wir fühlen uns an die gestrige "Risiko"-Session erinnert und mutmassen, dass die beiden Arten einfach in einer strategischen Allianz die beiden Kontinente "Europa" und "Asien" unter sich aufgeteilt hätten,weil das in ihren evolutorischen Auftragskärtchen stand.
Heute lesen wir in der Titelgeschichte des "SZ-Magazins" über den Verbreitungsfortschritt des nämlichen Krauts:
Weil das Indische Springkraut auch noch sehr schnell und dicht wächst und alle seine natürlichen Feinde immer noch im westlichen Himalaya sitzen, hat es sich in einigen Gegenden rasend schnell ausgebreitet, oft in riesigen "natürlichen Monokulturen".
Umweltschützer schlagen erwartungsgemäss Alarm und bemühen fremdenfeindliche Rhetorik. In der Schweiz bekämpft man bereits Gleiches mit Gleichem, indem man Asylbewerber gegen das Kraut zu Felde ziehen lässt. Aber hey, muss man Überfremdung nicht auch mal als Chance begreifen? Deutschland wird rosa – das passt zum neuen soften Patriotismus mit menschlichem Antlitz wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer. Nach "Cool Britain" jetzt "Pink Germany". I'm lovin' it.
Kommentar #1 von irgendwem:
Man darf gespannt darauf sein, was geschieht, wenn das anmutig dreinschauende Springkraut auf die ebenfalls immigrierte aufrechte Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia L., aka "invasives pollenschleuderndes Arschloch") trifft. Womöglich werden wir einen Kampf der eingeschleppten Monokulturen bezeugen dürfen, der sich gewaschen und wild onduliert haben wird. Da die Ambrosie eine echte Allergiesau ist, wird sich zumindest das von ihr an zweiter Front sadistisch geplagte Volk der Asthmatiker auf die rosarote Seite schlagen. Wie der Kampf ausgehen wird, ist dennoch nicht abzusehen. Zwar ist das drüsige Springkraut nachgerade zickig bezüglich seines Standortes (Auwälder!), während die gar nicht zimperliche Ambrosie als Ruderalpflanze mit nacktem Boden, Schutt und Asche vorlieb nimmt. Doch muss man auf der Hut sein: Durch das Bilden von "bis zu 2,5m hohen Dominanzbeständen" (so Wikipedia) zeigt das täuschend zärtelnde Rosa bereits heute, dass es im Finale nicht als zweiter auszuscheiden plant.
30.06.2006 | 14:31
Kommentar #2 von Tiny Tini:
Gibt's eigentlich so etwas wie den "Neophyt des Jahres"? Wenn ich mich recht erinnere, sollte das botanische Abendland ja auch schon an der Herkulesstaude und dem Schmetterlingsstrauch zugrunde gehen, sieht von meinem Fenster aber noch ganz vielfältig aus. Und sollten wir im Sinne (neo-)liberaler/darwinistischer Leistungsethik nicht sagen: Endlich lohnt sich in Deutschland wieder Leistung! Wo sich Springkraut et al. durchsetzen, da gehören sie auch hin! Der coolste Neophyt ist aber zweifelsohne der Götterbaum, ailanthus altissima. Der hat ein eigenes Blog (ghettopalm/bingregory.com), eine Band in New York und wird auch auf der Website ruderal.heim.at ganz liebevoll betreut. Was der nette Herr von Element of Crime auf der Seite macht, bleibt sein Geheimnis.
03.07.2006 | 12:39
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"Bienvenue chez les Ch'tis", Dany Boon (2008)
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