13.08.2006 | 00:58 | Alles wird besser | Fakten und Figuren
Bild typähnlich (und gemeinfrei)Es ist wahrscheinlich nicht sehr gewagt zu behaupten, dass die Menschheit Bloggern in 10-15 Jahren mit etwa den gleichen gemischten Gefühlen gegenüberstehen wird wie heute Jongleuren im Park. Dabei werden unter der mühselig zusammengebloggten Lawine des jüngsten Erlebnisschrotts leider auch einige Perlen begraben; nur so ist zu erklären, dass eines der besten deutschsprachigen Blogs, vielleicht sogar das beste, nämlich das des leicht neurasthenischen, stets kränkelnden, seine Misserfolge beklagenden, mit der Welt, den Frauen, dem Schreiben, dem Marathonlauf und seinen IKEA-Vorhängen beharrlich hadernden Jochen Schmidt so wenig Beachtung fand. Kann allerdings auch sein, dass es daran lag, dass Schmidt Schmidt heisst und nur alle paar Monate einen neuen Eintrag von mehreren hunderttausend Zeichen Länge freischaltete; und das Unternehmen im Sommer 2005 ganz einstellte.
Schmidts neuer Versuch in Sachen Misserfolg ist das optisch gewohnt anspruchslose Schmidt liest Proust, sozusagen eine Quadratur der Krisis. Mehr oder weniger live sehen wir Schmidt dabei zu, wie er täglich 20 Seiten Proust liest und hofft, nach etwa 180 Tagen fertig damit zu sein.
Schmidt beginnt etwas mäkelig ("Und selbst, wenn es nicht reicht, Proust zu lesen, um Becketts Proust-Essay zu verstehen, wird man zumindest wissen, was Proust geschrieben hat. Zu wissen, was Proust geschrieben hat, ist sicher das Minimalziel einer Proust-Lektüre"), fragt sich, ob am Ende auch der Mörder verraten wird, quält sich mit Zwangsvorstellungen ("Das einzige, was stört, ist die ständig wiederkehrende Zwangsvorstellung, vom Balkon zu springen, mal sieht man sich sitzend, wie im Schwimmbad von der Kante plumpsen, mal wie beim Hochsprung mit einer eleganten Rolle über die Balkonbrüstung hechten") und wird mit der Zeit, wie nicht anders zu erwarten, immer proustähnlicher. Bis seine Lider endgültig auf Halbmast sinken und das Blog von innen mit Kork ausgeschlagen wird, ist es jedoch noch ein weiter Weg (ca. 3000 Seiten), auf dem wir Schmidt von nun an begleiten wollen.
Kommentar #1 von irgendwem:
Gemischte Gefühle? Was soll das für eine Mischung sein, Mitleid und Verachtung? Aber kann man Jongleure verachten?
13.08.2006 | 11:23
Kommentar #2 von dietmar wegewitz:
Wegen Uninformiertheit aus dem Blickfeld entfernt.
13.08.2006 | 21:09
Kommentar #3 von dietmar:
sorry, eine Freudsche fehlleistung. gemeint ist natürlich der link Jochen Schmidt.
13.08.2006 | 21:14
Kommentar #4 von Frank:
Überraschung. Danke für den Hinweis. Bis nachher.
14.08.2006 | 10:34
Kommentar #5 von einem missmutigen Leser:
Na toll, und darauf macht man uns aufmerksam, wenn Herr Schmidt schon bei Seite 500+ angekommen ist. Haben euch eure Mütter immer Adventskalender geschenkt, bei denen hinter den ersten 10 Türchen schon die Schokolade rausgefressen war?
14.08.2006 | 15:32
Kommentar #6 von Allerweltsmüllmann:
Dass Jochen Schmidt sowieso schon jeder heisst konnte Proust nicht passieren, er wurde höchstens mal mit Marcel Prevost verwechselt, was einem einem Mann von Genie anlässlich der Richtigstellung Genugtuung verschaffen kann. So wird er das daily blog souverain überstehen wie er auch die Daily Soap überstünde, in der J. S. den zwielichtigen Gärtner Morel spielen darf. Verlorenes Inventar: Ikeavorhänge Unklare Praxis: Quadratur der Krisis
16.08.2006 | 10:25
Kommentar #7 von ProstliestSchmidt:
Wenn Schmidt endlose Fragen stellt, auf die der Text keine Antwort hat, werden auch mir die Lider sinken, ehe noch 180 Tage vergangen sind.
17.08.2006 | 13:48
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