Riesenmaschine

02.11.2006 | 11:11 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Kundenkunde


Super. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Der Kunde ist das neoliberalste Wesen, das man sich vorstellen kann", sagt der redefreudige Spiegelschreiber Gabor Steingart, der auch sonst in seinem Buch "Deutschland. Der Abstieg eines Superstars" bewiesen hat, dass er mit der platten Hand auf den Schlamm hauen kann, dass es spritzt. Der Kunde ist aber in Wirklichkeit etwas begriffsträge und analyseschwach und deshalb nur so neoliberal, wie man ihn lässt. Er mag leicht dümmlich daherkaufen, aber er ist im Grunde ein gutmütiger, einfach auszurechnender "Character" (bitte engl. Aussprache). Man muss ihm nur gute Produkte geben und dann ist er froh mit seinem Status quo. Und bleibt deshalb Kunde und tut das kund, hat die Kundenkunde herausgefunden. Dass es tatsächlich so einfach ist, beweist das nebenstehende Produkt der Firma Ricola, namentlich die Zitronenmelisse-Bonbons ohne Zucker. Gott, sind die super. Jede Pastille bedeutet vier Minuten Hals-Nasen-Rachen-Nirvana. Wenn ich jetzt noch dazu sage, dass die famosen Schweizer diese Lukulluslutschlinge als "Kräuterbonbons im Böxli" verkaufen, wer möchte dann nicht der Böxlibegeisterung verfallen und Kunde werden? Die Lösung aller Markt- und Marketingprobleme ist eine Formel, bestehend aus einem Wort: Superprodukte! Dann ist auch gar nicht mehr so wichtig, dass vorne draufsteht "zuckerfrei", aber dafür irgendein Maltose-Zeug drin ist.


Kommentar #1 von komatzu:

WTF? Stimmt es also doch, dass Süssstoff das Gehirn zersetzt.

02.11.2006 | 11:48

Kommentar #2 von gebsn:

Als Schweizer und Ricola-Liebhaber komme ich nicht umhin auf den wunderbaren Kräutermix aus "natürlich gehegten Pflanzungen in Schweizer Bergregionen, fernab von grösseren Agglomerationen und Strassen" (Ricola Homepage, www.ricola.ch) hinzuweisen. Na? Super!

02.11.2006 | 13:06

Kommentar #3 von irgendwem:

Es ist Isomalt (Isomaltitol) drin. Das ist kein Zucker, sondern ein Zuckeralkohol.

02.11.2006 | 19:37

Kommentar #4 von pomo:

Der letzte Satz des Artikels wirft die Frage auf, was ist den eigentlich Zucker? Bzw. wann gilt eine Artikel eigentlich als zuckerfrei? Zucker, Saccharide, Kohlenhydrate in diese Kategorie fällt vieles: Kartoffeln (21% aus Stärke bestehend), Schleimstoffe (http://de.wikipedia.org/wiki/Polysaccharide) oder die Aldosen (Monosaccharide). Die wichtigen Aldohexosen kann man sich übrigens mit dem Merkspruch: Alle alten Glucken möchte gerne im Garten tanzen (Allose, Altrose, Glucose, Mannose, Gulose, Idose, Galactose und Talose) leicht behalten. Würden wir jetzt (hier wird es chemisch inkorrekt) noch die Derivate und Abbauprodukte der Zucker hinzuziehen, schnell würden wir beim Biosprit landen (Rohzucker -> Methanol -(MTG-Verfahren) -> Treibstoff), aber dieses Produkt noch Zucker zu nennen wäre dann doch etwas weit hergeholt. Bleiben wir doch bei der allgemeine Konvention, dass zuckerfrei bedeutet, dass dieses Waren keine Saccharose (http://de.wikipedia.org/wiki/Zucker) enthalten.

03.11.2006 | 11:30

Kommentar #5 von Ernst:

Das hat, am Beispiel einer anderen Supersache, auch Seth Godin schon einmal so ähnlich ausgeführt. Er lobt Google dafür, dass sie super Werbung machen: weil sie ein Superprodukt haben. Für das die Kunden Werbung bei anderen Kunden machen. Und das so gut ist, dass selbst die eherne Regel "No one cares about you" ausser Kraft gesetzt ist: "No one cares about you. But everyone cares about Google."
Sehr sehenswerte 48 min.
http://video.google.com/videoplay?docid=-6909078385965257294

04.11.2006 | 09:22

Kommentar #6 von carlgustav_1:

1. die mit holunderblüte finde ich fast noch besser. und salbei.
2. bei bonbons "ohne zucker" gehts nicht um kaloriensparen sondern um zahnschonen. diese ganzen isomalt geschichten sind netterweise kariesbakterienstoffwechselinkompatibel, dh. man kann auch als kassenpatient hemmungslos bombole lutschen, wie man im südwesten sagt.
3. bei jedem schweiz-besuch frage ich mich sowieso, warum das qualitätsbewusstsein des schweizer durchschnittskunden nicht ein wenig auf old germany abfärben könnte. komme mir im coop immer vor wie einst der cousin aus der zone auf westbesuch.

07.11.2006 | 11:02

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