Riesenmaschine

28.03.2007 | 12:17 | Anderswo | Nachtleuchtendes

Gottesbeweise


Auch am Omegapunkt muss man erstmal einen Parkplatz finden. (Foto: Kai Schreiber)
Der durchgedrehte Physiker Frank Tipler behauptete vor einigen Jahren, einen Gottesbeweis vorlegen zu können, inklusive unser aller Unsterblichkeit. Sein Beweis lief im Wesentlichen darauf hinaus, dass in der Zukunft die Vergangenheit auf einem Emulator laufen wird, inklusive aller ihrer Bewohner, und wir also alle wiederkommen. Der Gedanke ist eng verwandt mit dem Argument Nick Bostroms, wonach wir alle nachweislich schon jetzt in einer Simulation leben. Er ist ausserdem natürlich fast vollkommen bescheuert und also wunderbar.

Etwas weniger, aber auch noch ziemlich bescheuert ist das auf diesem Foto abgebildete Interface eines Parkautomaten in Santa Cruz, in dem die Technologie der Gegenwart (mehrfarbige hochauflösende LCD-Flachbildschirme) die der Vergangenheit (eine einfache LCD-Anzeige, inklusive einer simulierten Plastikmaske drum) ohne sachliche Not emuliert und so mitleidig am Leben erhält. In fünfzig Jahren, wenn es virtuelle, riechbare 3D-Displays mit tastbaren Oberflächen geben wird, werden sie ohne Zweifel aussehen wie ein Casio-Taschenrechner, nach Fahrradöl stinken und sich anfühlen wie ein Abakus. Unsterbliche Vergangenheit, du bist Gott.


Kommentar #1 von ea7p0:

Postmoderne wie bist du schön! Lang lebe die Kommodifizierung unserer Erinnerung, das Simulacrum und, nicht zu letzt, das monochrome Display!

28.03.2007 | 14:17

Kommentar #2 von BA:

Es hat zum Glück noch Käffer in der Welt, wo die Simulation noch in die gute alte Richtung vorwärts funktioniert. Berlin zum Beispiel. Da sind die Kaisers-Supermärkte mit Flaschenannahmevollautomaten ausgestattet, die machen sssst und pling und blinken futuristisch auf dem Display und chromblitzen ehrfurchterregend in ihrer Gesamterscheinung überhaupt. Wenn man aber von schräg unten in den Annahmeschacht übers Transportband linst, kann man dem zuständigen Mitarbeiter mit einem fröhlichen Augenzwinkern die Arbeit versüssen. Seine Arbeit nämlich ist es, hinter der Blinkerblende stehend die ollen Flaschen vom Band zu nehmen, in die Kästen zu hieven und die korrekte Pfand-Bon-Ausgabe zu kontrollieren. Pfandgut, das nicht bei Kaisers im Sortiment ist, legt er stillschweigend wieder raus – unendlich oft die gleiche Flasche ohne Widerwort, ein wahrer Stoiker, nicht aus der Reserve zu locken. Dann wird auf die "Scheisstechnik" geflucht, sogar mancher Supermarktangestellte flucht bekräftigend mit. Die haben ihren Spass da bei Kaisers, in Berlin.

28.03.2007 | 15:58

Kommentar #3 von michael:

spannend wäre jetzt der pfandautomaten-arbeitsplatz, wo die leergut einreichende kundschaft nur simuliert wird.

28.03.2007 | 20:26

Kommentar #4 von Hasi die Wunderkuh:

ich hatte sowieso schon immer den Verdacht, dass in manchen Automaten noch immer eine billige studentische Aushilfskraft wohnt, die mir das Geld einzeln rauslegt, weil das billiger ist, als einen Programmierer zum bauen eines funktionierenden "erkennen Sie die zerdrückte Flasche richtig"-Codes zu bewegen....
Bei uns in Bayern ist das jedenfalls so...

29.03.2007 | 09:03

Kommentar #5 von textbrigade:

...am bahnhof bilk jedenfalls sitzt einer drin im automaten, soviel ist sicher. wahrscheinlich aelterer herr, braucht lange fuer die fahrkarte. trotzdem: es ist verlass auf ihn. schade nur, dass er in dieser digital-zumutung ohne fenster sein dasein fristen muss. frueher gab es, und heute in rumaenien gibt es das nach wie vor, schmuck geputzte bahnwaerterhaeuschen mit blumen davor.

29.03.2007 | 16:38

Kommentar #6 von Lubosch:

Sind die im Automaten nun Gott? Oder ist das nur wieder so eine Eine-Person-Simulation (EPS). Da reicht doch eigentlich auch das unterschätze eigene Ich-Dingens zu aus. Muss ich mir da eigentlich noch die Füsse waschen. Fragen über Fragen.

31.03.2007 | 17:33

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