Riesenmaschine

23.05.2007 | 01:36 | Nachtleuchtendes | Vermutungen über die Welt

Die post-kopernikanische Antiwende


Das Universum der Zukunft: scheinbar inhaltslos (Foto: sc3, Lizenz)
Lawrence M. Krauss ist vermutlich kein Scharlatan, obwohl man das bei klugen Menschen ja nie so genau weiss. Auf jeden Fall ist der theoretische Physiker von der Case Western Reserve University ein Global Player in der Kosmologie und ihrer Popularisierung, weswegen wir ihm seit Jahren angestrengt lauschen. Im Jahr 1995 schrieb er The Physics of Star Trek, fünf Jahre später Life, Universe, and Nothing und 2002 The State of the Universe. Wir haben das alles gelesen und hegen keinerlei Illusionen mehr über die Hilflosigkeit von Strahlung in unserem vakuum-dominierten Universum. Lawrence M. Krauss, eine Art Case-Western-Reserve-Orakel für das gesamte Weltall.

Jetzt gibt es neuen Grund, das Strahlen einzustellen. Krauss und sein Kollege Robert J. Scherrer weisen überzeugend nach, dass Kosmologen in der Zukunft keine Chance haben werden, die Natur des Universum zu erkennen. Schon in etwa 100 Milliarden Jahren wird es für Krauss' Nachfolger so aussehen, als wäre der Kosmos, abgesehen von ihnen, leer – alle Galaxien vom Himmel weggetrieben, vom Sturmwind der Dunklen Energie. Die Konsequenz: Nur wir sind in der Lage, das Universum zu verstehen. We live in a very special time in the evolution of the Universe: the time at which we can observationally verify that we live in a very special time in the evolution of the Universe!

Nun bedeutet das Verschwinden der Kosmologen nicht unbedingt, dass zukünftige Generationen keine Freude mehr am Dasein haben werden, bewahre. Jedoch durch jahrelanges Relativieren ist man skeptisch geworden, und folgert, sobald die Menschheit feststellt, sie sei etwas Besonderes, womöglich der einzig valide Weltversteher, das Unwissen der Zukunft bereits unser Wissen, dass es sich genau umgekehrt verhält, und unser Unwissen in Wahrheit deren zukünftiges Wissen darstellt. Gut, dass andere Leute, nicht Lawrence M. Krauss, dieses Zukunftswissen schonmal vorsorglich aufgeschrieben haben.


Kommentar #1 von einem dem's in 100E9 Jahren eh wurscht ist:

Sollte, wie ich mich nach jahrelanger wahlloser Lektüre von populärwissenschaftlichen Büchern zu erinnern glaube, bis in 100 Milliarden Jahren die ganzen atomaren Bausteine sowieso so langsam verdampft resp. in Photonen umgewandelt sein? Oder sollte man bei der Definition von Leben vielleicht nicht so materialistisch sein? Immerhin muss man sich dann keine Sternbilder mehr merken und die Astrologen geben auch endlich Ruhe.

23.05.2007 | 13:43

Kommentar #2 von Oh Hybris:

Sicher ein interessantes Werk auf das der letzte Link verweist, leider ist es noch nicht lieferbar, ich warte jedoch schon gespannt. Die Annahme in 100E9 Jahren wäre ohnehin alles wurscht, fusst meiner unmassgeblichen Rationalisierung nach schlicht auf falschen Prämissen. Die Zeit, oder was wir Menschen uns halt als solche konstruieren, hat objektiv weder Anfang noch Ende. 100 Milliarden Jahre sind also mindestens schon 100 Milliarden mal vergangen und was, bitteschön, existieren wir dann hier herum? Nee, nee, der Glaube an seine enorme Wichtigkeit ist dem Menschen leider nur schwer abzugewöhnen und steht einem entspannten Umgang mit der Welt doch sehr im Wege. (P.S.: ein "s" zuviel am ersten "Universum") – jetzt nicht mehr, danke.

23.05.2007 | 16:18

Kommentar #3 von Aleks:

"Die Zeit, oder was wir Menschen uns halt als solche konstruieren, hat objektiv weder Anfang noch Ende." -- Das ist objektiv nicht zweifelsfrei erwiesen und somit auf der Luft gegriffen.

23.05.2007 | 16:42

Kommentar #4 von Oh Hybris:

Nun, das gibt dem Ausdruck "am letzten Dienstag" aber eine ganz eigene Bedeutung... Spass beiseite, darauf kann ich jetzt einfach flott mit "das Gegenteil aber eben auch nicht (mit der gleichen Konsequenz was die Luft angeht), ätsch" antworten und auf die generelle Unpopularität wissenschaftlicher Modellrechnungen verweisen. Auch die Herren Krauss und Scherrer extrapolieren ja lediglich ein aktuelles Modell und wenn nächsten Dienstag nicht wirklich alles vorbei ist, ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich in den kommenden 100E9 Jahren noch einiges daran ändern wird. Aber vielleicht steht das ja schon alles im noch nicht "verfügbaren Lexikon des Unwissens".

23.05.2007 | 21:25

Kommentar #5 von Aleks:

"Generelle Unpopularitaet wissenschaftlicher Modellrechnungen?" Sie baden gerade Ihre Haende darin.

23.05.2007 | 21:38

Kommentar #6 von Oh Hybris:

Oder vielleiicht etwas eleganter ausgedrückt: Nun gut, nehmen wir mal an, die "Zeit" ist nicht "unendlich" – aber für die nächsten 100E9 Jahre reicht´s gerade noch? Alles kalter Kaffee.

23.05.2007 | 21:41

Kommentar #7 von einem, der was ahnt:

Hybris, Oh Hybris,
Stimmts? Dich hat mal ein Physiker / eine Physikerin nicht rangelassen und jetzt sind wir verbittert?
Kopf hoch, davon geht die Welt nicht unter (s.o.)!

24.05.2007 | 09:58

Kommentar #8 von Oh Hybris:

@#7: Nö, nicht dass ich wüsste.
@all: Seid doch mal ein bisschen toleranter, liebe Kreationisten.

24.05.2007 | 11:13

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