Riesenmaschine

03.07.2007 | 17:46 | Anderswo | Alles wird besser | Was fehlt

Die Standspur der Steine


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

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Gneis, Mergel und Brekzie in Aktion (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Steine – wir wissen noch viel zu wenig darüber! Dabei begegnen uns diese sympathischen Zeitgenossen, die kaum jemals nerven, dafür stets den majestätischen Charme des Unbelebten verströmen, quasi auf Schritt und Tritt. Wo immer wir uns aufhalten, sind wir selten mehr als einen Kilometer vom nächsten Stein entfernt. Und doch kennen wir von der überwältigenden Mehrzahl unserer mineralischen Mitbewohner nicht einmal die Namen.

Steinschlagartig ins Bewusstsein rückt dieses Missverhältnis dem Reisenden, der von Bregenz kommend auf der A 96 in Fahrtrichtung Lindau auf dem Parkplatz "Humbrechts" Rast macht, um dort unverhofft auf die Ausstellung "Autobahn und Eiszeitalter" zu stossen. In keinem Reiseführer verzeichnet und auch bei Google komplett unauffindbar, gehört diese verdienstvolle volkspädagogische Einrichtung neben dem Wildgehege Mesekendahl und der Ordensburg Vogelsang wohl zu den am sträflichsten unterschätzten Tourismusattraktionen Deutschlands. Dabei hat sie so manches zu bieten und fährt mit einigem auf. Entlang des Steinwanderwerwegs, der einmal rund um die Sanitäranlagen führt, begegnen wir an insgesamt 18 Stationen Lokalgrössen wie dem ordinären "Molassen-Sandstein" aus Bildstein, dem "Hornsteinkalk" aus dem Montafon, der "Kalkbrekzie" aus Arosa und ihrer engsten Verwandten, der "Tektonischen Brekzie" aus Klosters-Davos, sowie dem von ebendort stammenden "Ölquarzit". Wir treffen graue Eminenzen wie den "Tristelkalk" aus Liechtenstein, den soignierten"Gault-Grünsandstein" aus Hohenems oder den unsteten "Lias-Fleckenmergel" aus Zimba. Wir lernen die Familie der Gneise kennen, als da wären der "Augengneis" und der "Biotitgneis" (beide östlich von Klosters) nebst dem etwas wunderlichen "Zweiglimmergneis" aus den Gargellen.

Kritikaster mögen monieren, dass der unscheinbare und insgesamt unspektakuläre "Betliskalk" aus Dornbirn gleich zweimal vertreten ist; wir aber sehen über einer solche (sicherlich dem Lokalpatriotismus geschuldete) Schieflage geflissentlich hinweg, versorgt uns der Autobahnparkplatz "Humbrechts" doch insgesamt mit dem nötigen Vokabular und Rüstzeug für eine Poetik – wenn nicht gar Prosa – des Anorganischen, die man im deutschsprachigen Literaturraum längst schmerzlich vermisst hätte, wenn man um ihre Möglichkeiten gewusst oder auch nur geahnt hätte. Ganz zu schweigen von dem Gefühl, inmitten von Abgas, Lärm und Uringestank dem Widerschein echter Erhabenheit zu begegnen.


Kommentar #1 von irgendwem:

Danke für die Vermeidung eines Kalauers über den fiesen Klostein

03.07.2007 | 18:14

Kommentar #2 von kikkoman:

Der Gneis verdient schon seines Namens wegen viel mehr Beachtung. Einen tolleren Namen vermag ich mir kaum vorzustellen. GNEIS! Wer so heisst, bumst die Ballkönigin.

03.07.2007 | 18:37

Kommentar #3 von Alexander:

Gneis kann nur hoffen, dass Schluff nicht auch auf dem Ball ist. Ich war schon einmal ganz, ganz kurz davor, den Domainnamen glimmerschluff.de aus der Registrierungslosigkeit zu reissen, als ich das Wort hörte.

03.07.2007 | 18:53

Kommentar #4 von Marat Pak:

Ich vermisse allerdings die Phrasen "ein Fels in der Brandung der Kulturwüste Autobahn", "Kies im Portemonnaie der Ignoranz" und
"ein Stein im Brett (vorm Kopf) des Erdhistorikers". Bitte um eine nachträgliche Einfügung. Diese Vorschläge sind kostenlos, d.h. ich möchte keinen Schotter, keine Kohle und keine Asche von euch.

03.07.2007 | 22:23

Kommentar #5 von dolomit:

Eigentlich verblüffend, dass es bei Google keine HumbLINKs gibt, erkennt man denn wenigstens bei Google Earth etwas?

03.07.2007 | 23:06

Kommentar #6 von Lars:

Zum Glück haben Steine seit einiger Zeit einen zwar fiktiven, aber prominenten Fürsprecher, der sich auch mal auf ein "Rock Festival" freut, weil er denkt, es gehe dort um Steine: Adrian Monk.

04.07.2007 | 00:25

Kommentar #7 von Reinhard:

Ich kenne jemanden, der hat einen brasilianischen Findling im Garten. Ob er auf Reisegruppen vorbereitet ist, weiss ich nicht. Aber eigentlich geht es bei diesem Artikel um Superlative. Und – wie um die These zu bestätigen – nur ganz am Rand um Steine.
http://der-fliegende-teppich.blogspot.com/2007/07/sackgasse-superrelativismus.html

04.07.2007 | 01:53

Kommentar #8 von einem etwas genervten Stein:

kikkoman (#2) und Alexander (#3): Ja ja, tolle Namen haben sie, der Gneis und die Brekzie. (Der Schluff, der olle Schlawiner, ist ja nicht mal 'n richtiger Stein.) Was helfen einem dagegen lithische Erhabenheit, ein gepflegter warmer Farbton und gar super Beständigkeit gegen Frost und aggressive Stoffe, wenn man auf dem Ball nach dem Namen gefragt wird und "Weiberner Tuff" antworten muss? Da geht man wieder mal allein nach Haus oder hängt noch 'n bisschen vorm Wallraf Richarz Museums in Köln ab als Fassade.

04.07.2007 | 07:42

Kommentar #9 von Wo bleibt er?:

Es wird Zeit, dass ein sehr grosser Stein in den Strang fällt.

04.07.2007 | 10:59

Kommentar #10 von Rainald Goetz:

Grandiosität der allerbasalsten Sinnesphysiologie

04.07.2007 | 11:21

Kommentar #11 von irgendwem:

ich hatte vor zwei jahren mal das vergnügen, den erwähnten rastplatz ansteuern zu dürfen, da mich ein grossen unbehagen im blasenbereich plagte. schon faszinierend, den steinbrocken beim kampf gegen harnstoffbedingte erosion zuschauen zu dürfen. ist ja nicht jeder gleich resistent.

04.07.2007 | 12:25

Kommentar #12 von Lareponse:

@11 In Leh, Ladakh, Indien wurden dagegen auch durch Menschenhand unterstützt vorgegangen: http://flickr.com/photos/9066801@N05/714773857/

04.07.2007 | 14:35

Kommentar #13 von irgendwem:

@#12: da fühle ich mich jetzt auch irgendwie ertappt, da ich an dieser raststätte selbst zur erosion beigetragen habe. grund: ein traumatisches erlebnis an einer südeuropäischen autobahn-raststätte: mir ist dort durch eine fehlfunktion der spülung der inhalt eines pissoirs sozusagen ins gesicht zerstäubt worden; seitdem meide ich solche orte.

04.07.2007 | 15:19

Kommentar #14 von Frau Grasdackel:

Ich versuche ja immer, mich durch Äusserungen anderer nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, aber meine Spaghetti Bolognese, die ich gerade in mich hinein geniesse, haben plötzlich einen so ganz und gar unangemessenen Untergeschmack.

04.07.2007 | 17:09

Kommentar #15 von williwink:

Ich vermisse in HUMBRECHTS den Nierenstein von Hilmar Kabas.

05.07.2007 | 10:09

Kommentar #16 von zappa:

da las ich doch grad was schönes über steine. ach ja. "Jedes Organ in einem Organismus übt eine functio publica und eine functio privata aus. Die Muskeln zum Beispiel liefern die Kräfte für Fortbewegung und Mobilität. Steine, wie sie wenig mobil und unmuskulös daliegen im Wachkoma, sind für die Literatur und die mobile Welt unerfreulich"
(Peter Waterhouse in "Krieg und Welt", S. 237f)

06.07.2007 | 20:11

Kommentar #17 von zappa:

Das ist zwar nicht nett, aber schön gesagt, aber vielleicht stimmt es einfach nicht. Ich glaube, die Ära der Mobilität ist schon auf dem Weg zum Ausgang. Aber vielleicht sitze ich auch bloss immer zu lange Zeitstrecken im Ä, das wird dann wie so eine Langzeitbelichtung einer befahrenen Strasse nachts.

06.07.2007 | 20:13

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