Riesenmaschine

30.03.2008 | 14:35 | Vermutungen über die Welt

Nichts als Schaum auf dem Weg


Have one's cake and eat it too? Es geht so einfach. (Foto: sachac) (Lizenz)
"Man kann kein Herz brechen und es haben", sang einst Herman Brood. "Wir können scheinbar den Kuchen haben und ihn gleichzeitig aufessen", sagt hingegen der amerikanische Philosoph John R. Searle, wenn er im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von vor einer Woche die Attraktivität des Kompatibilismus erklären will, dessen Gegner er ist. Ausdrücklich gelobt werden soll hiermit der zuständige FAS-Redakteur, der die englische Redewendung "to have one's cake and eat it" wörtlich übersetzt hat. Zum einen weil wir uns nicht vorstellen möchten, wie der 75-jährige Searle "auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzt", was noch die beste deutsche Umschreibung wäre, zum anderen, weil sich in dieser kurzen englischen Redewendung die gesamte analytische Philosophie zusammenfassen lässt, zumindest im Prinzip.

Denn was wir beim philosophischen Argumentieren tun, schreibt David Lewis (und der muss es ja wissen), ist, dass wir den Preis berechnen, den es kostet, eine Position aufrechtzuerhalten. Philosophen sind demnach also nicht mehr als analoge Registrierkassen. Ihre beste Position ist die, die nichts kostet, was dem wirklichen Leben diametral gegenübersteht, wo ja bekanntlich das, was nichts kostet, auch nichts ist. Den Kuchen aufessen, aber nicht den hohen Preis dafür zahlen müssen, dass man ihn danach nicht mehr besitzt, diese sympathisch-bescheiden daherkommende Redewendung fasst das Ziel jeder noch so weitreichenden Argumentation bestens zusammen. Vollkommen nachvollziehbar erklärt Searle den Kompatibilismus auf diese Weise: Kuchen essen und Kuchen haben sind genauso miteinander kompatibel wie Determinismus und Freiheit, nehmen sich an die Hände und vertragen sich bestens. Aber warum, bleibt als Frage übrig, ist der Mann dann gegen den Kompatibilismus? Weil der auch nichts daran ändern würde, dass, falls der Determinismus wahr wäre, "unsere Entscheidungen nur Epiphänomene waren und nichts als Schaum auf dem Weg, auf dem eine Maschine die tatsächlichen Entscheidungen unabhängig von all dem getroffen hat". Wie die Maschine heisst, wie viel sie kostet, wo man sie kaufen kann und ob sie auch unter Linux läuft, lässt Searle leider offen.


Kommentar #1 von Frau Grasdackel:

Ich hatte dieses Interview letzte Woche auch schon gelesen, nehmen Sie es mir nicht übel, aber es wurde wahrscheinlich schon vor dreizehn Milliarden Jahren festgeschrieben, dass ich dieses erst heute schreibe: Searles orangefarbenes Hemd passt ausgezeichnet zum Herbstlaub.

31.03.2008 | 03:06

Kommentar #2 von J.R.:

Der Text ist äusserst erquicklich. Das hier hinzuschreiben kostet mich gar nichts, was offenbar gegen (evtl. aber auch für) die Niederschrift spricht. In jedem Fall möchte sich die höfliche Maschine, die mir die Feder führt, bei Herrn Weisbrod bzw. bei sich selbst bedanken. (Ist das schon Eigenlob?)

01.04.2008 | 12:21

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