Riesenmaschine

13.05.2008 | 22:42 | Sachen kaufen | Listen

Gegenwart und Zukunft des Angebens in den verschiedenen sozialen Schichten anhand des konkreten Beispiels einer ungenannt bleiben wollenden Schicht unterhalb der Oberschicht


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Angeben ist kein einfaches Geschäft. Ständig tänzelt man am Rande der Lächerlichkeit entlang, man muss mit einer Vielzahl verschiedener Zielgruppen und ihren komplizierten Ansprüchen zurechtkommen und die Halbwertzeit angabeorientierter Konsumgüter verringert sich ständig. Ausgedachte Untersuchungen wichtiger Institute geben wieder, dass sich das Durchschnittsbudget des Angebers seit den 1990er Jahren beinahe verzwölffacht hat (nach eigenen Angaben). In der gebildeten Oberschicht ist die scheinbare Abkehr vom konsumorientierten Angeben einer der grossen Angeber-Trends des 21. Jahrhunderts. Tatsächlich wird dort das Angebertum in eine Wolke aus fein zerstäubtem Understatement gehüllt – das Porsche-Cabrio wird in farblich zurückhaltendem, umweltfreundlichem Lack bestellt, versehen mit dem Aufkleber "Mein Zweitwagen hat einen Hybridmotor".

Aus blossem Geldmangel gibt die Mittelschicht eher mit sich selbst und ihren Fähigkeiten an als mit hochwertigen Konsumgütern. Der Trend dort geht eindeutig zur Bildung als Statussymbol. Auf jedem normalen Klassentreffen zählt man heute 15 verschiedene Titel aus 10 Ländern, auf Alumnitreffen der Wirtschaftswissenschaften wirkt man ohne MBA, Doktor und profunde Kenntnisse von sieben aussereuropäischen Sprachen eher wie ein Aussenseiter als ohne Hose.

Und die Unterschicht? Dort gibt man sich gewitzt und nicht geschlagen, schon allein, weil in der Unterschicht Angeben als offensiver Teil der Balzstrategie unmittelbar zum Überleben der eigenen Gene beiträgt. So kauft man sich, wann immer möglich, brandneue Teile für sein – wie man noch Anfang dieses Jahrtausends sagte – aufgepimptes Automobil. Ein Nachteil für den Unterschichts-Angeber von Unterwelt war bisher, dass auch der teuerste, vergoldetste Zylinderkopf von aussen ebenso wenig sichtbar ist wie der 5.000-Watt-Verstärker im Kofferraum. Dieses Problem löst man bei Unterschichts inzwischen, indem man die Logos aller eingebauten Produkte an der Seite des Autos aufklebt. Das Verfahren ist nicht ganz zu Ende gedacht, weil noch das jeweilige Modell und vor allem der Preis (am besten relativ zum Monatsgehalt) fehlen – aber es ist der Anfang einer Weltrevolution, nämlich des Virtuellen Angebens. Denn um ein Logo auf die Autotür zu kleben, braucht man natürlich kein eingebautes Produkt.

Und so sehen wir die Zukunft der Angeberei in allen Schichten vor uns: die Menschen werden herumspazieren und Bluetooth-Botschaften mit angeblichen Statussymbolen aussenden. Holographische Projektionen werden über dem Kopf des Angebers schweben und ihn, seinen ausgedachten Bildungsweg, seine tolldreist gelogenen Erlebnisse im Dschungel von Tibet und seine vorgeblich erworbenen Edelkonsumgüter in schillernden Bewegtbildern preisen. Schliesslich wird die Angebe-Holographie auch noch mit einer eigenen künstlichen Angeber-Intelligenz ausgerüstet werden und endlich wird so ein alter Menschheitstraum wahr geworden sein: die Existenz des Über-Über-Ich.


Kommentar #1 von westernworld:

ist der iro ein pfauenradplagiat #die_digitale_bohei

13.05.2008 | 22:59

Kommentar #2 von 4l3x:

Ich möchte, dass Überkopfprojektion des Besitzes per Zertifikat besiegelt werden. Schillernde Über-Ich-Projektionen sollen nur zulässig sein wenn alle Anwesenden mit geeigneten Schutzbrillen ausgestattet sind.

13.05.2008 | 23:12

Kommentar #3 von grEGOr:

Na ja, Kenwood-Aufkleber (damals noch im Heckfenster) gab es schon in den 80ern. Ist also nur ein weiterer Retro-Trend.

13.05.2008 | 23:16

Kommentar #4 von Sascha Lobo:

Aufkleber an der Autoseite verhält sich zu Aufkleber auf dem Heckfenster wie Kugelschreiber in der Hand zu Kugelschreiber im Po. Völlig andere Welt. Kein Vergleich. Kommentar zurückgewiesen.

13.05.2008 | 23:18

Kommentar #5 von justuspeterbob:

lobos kommentar zum kommentar ist ja besser als der beitrag. kein vergleich.

13.05.2008 | 23:37

Kommentar #6 von Dave-Kay:

Ihr seid doch gar keine richtigen Blogger. Blogger stehen auf der Seite der Unterdrückten und werden sich niemals für billige, unethische Werbung (zb für Dosen!) kaufen lassen!

13.05.2008 | 23:43

Kommentar #7 von Dave-Kay:

ayh
die vorgewählte Meinung lässt sich nicht durch Texteingabe eliminieren. Ist das nun ein Bug oder ein Feature.
Zum Thema:
Zum Heckscheibenaufkleber (Kenwood) gehörte aber auch der obligtorische Koni-Aufkleber an der Autoseite

13.05.2008 | 23:45

Kommentar #8 von irgendwem:

Diese vorgefertigten Meinungen sind nicht witzig, sondern eine Verspottung der freien Meinungsäusserung!

14.05.2008 | 00:22

Kommentar #9 von snob student:

Hauptsache ist doch, man ist gesund.

14.05.2008 | 09:25

Kommentar #10 von irgendwem:

Mich brachte das Lesen des Textes zum Lachen – der Rest interessiert mich nicht wirklich.

14.05.2008 | 11:10

Kommentar #11 von irgendwem:

Dieser faschistoide Umgang mit den Kommentaren zeigt, wes Geistes Kind ihr seid! Für mich ist die Riesenmaschine damit indiskutabel geworden.

14.05.2008 | 13:13

Kommentar #12 von Seepfirsich:

Ich dachte, gerade die Riesenmaschine würde mich in dieser Meinung unterstützen, mit der man immer wieder auf Ablehnung stösst!

14.05.2008 | 14:17

Kommentar #13 von Seepfirsich:

Ihr Riesenmaschineisten ihr. Wo bleibt denn der Mut zur Selbstkritik. Ich verlange im Meinungsrepertoire ein "IHR SEID SO KOMERZ, Ojda" und ein "Früher hattet ihr noch Talent "damit sowohl den Grochern als auch den Ewigen-Nein-Sagern das Privileg der hirnlosen Meinungsäusserung zu Teil wird.

14.05.2008 | 14:20

Kommentar #14 von chepedaja:

@ westernworld und sonst alle kommentarleser:
habt ihr konrad lorenz gelesen? der lässt da nämlich grüssen (auch wenn er ein nazi war...)

14.05.2008 | 15:47

Kommentar #15 von gnaddrig:

Also, das Vorhandensein des Mehrere-Tausend-Watt-Verstärkers im Kofferraum wird aber im allgemeinen schon gezeigt. Kaum ein Abend, an dem nicht ein tiefergelegter Golf oder ein schwarzer 5er BMW mit verspiegelten Scheiben bei uns an der Ampel steht, wo für den Verstärker hörbar mehr Energie verbraucht wird als für die üblicherweise übersportliche Fortbewegung. Spätestens wenn die Radkappen losvibriert an der Ampel zurückbleiben, kann man sich sicher sein.
Wer weiss, wieviel PS ein Golf oder 5er mindestens hat, kann sich die Leistung des Verstärkers leicht selbst ausrechnen. Kenner wissen ausserdem, welche Verstärker bei welchem Automodell eher die Stossstange zum Scheppern bringen und welche die Heckscheibe.

14.05.2008 | 15:55

Kommentar #16 von 802.11m:

Heisst es nicht:
[...] eher wie ein Aussenseiter als wie mit ohne Hose?

14.05.2008 | 23:21

Kommentar #17 von LEXMAUL Tuning:

@ #4 Wo immer Sie ihren iBallpen aufzubewahren belieben, Herr Lobo.

15.05.2008 | 08:54

Kommentar #18 von irgendwem:

Vielen Dank. Das ist ein schöner Hinweis.

15.05.2008 | 14:26

Kommentar #19 von westernworld:

#14 chepedaja gratuliere, witz verstanden ; )

15.05.2008 | 20:52

Kommentar #20 von sonstwer:

Nichts ist gewiss. Die Sicherheit des Wissens um die Existenz des eigenen Bewusstseins ist nämlich leider auch nicht hundertprozentig. Denn die Sicherheit des eigenen Denkens gilt nur für einen instantanen, völlig inhaltsleeren Jetzt-Punkt, denn alle Bewusstseinsinhalte dauern eine gewisse Zeitspanne, und was auch nur unmittelbare Vergangenheit ist, unterliegt möglicher Täuschung (auch wenn es noch so unwahrscheinlich ist, es ist möglich, sich über die vergangenen hundertstel Sekunde falsch zu erinnern, sich etwas einzubilden und damit zu irren). Auch das Wissen um das eigene Bewusstsein wird einem nur ausdrücklich bewusst, wenn es gedanklich formuliert ist, und auch hierfür gilt die Möglichkeit von Falschheit sprachlicher Formulierungen, von Angelerntem und Erinnerung. Worüber man sich absolut unmöglich täuschen kann, ist das nicht objektivierbare Subjekt möglicher Täuschung, ein fast nicht greifbarer, völlig augenblicklicher Existenzpunkt ohne jegliche zeitliche Ausdehnung, der einem aber sofort wieder entgleitet, sobald man ihn ausdrücklich ergreifen und objektivieren will: Das transzendentale Ich, von dem Immanuel Kant spricht. Es ist nicht, wie das empirische Ich (alle Bewusstseinsinhalte) ein Element der empirischen Welt – und somit auch nicht in Experimenten objektivierbar –, sondern ein rein formaler logischer Punkt, ein unbekanntes x. Es ist so gut wie nichts, aber dafür absolut gewiss: Nichts ist gewiss.

15.05.2008 | 21:59

Kommentar #21 von Alle meine Vorredner sind Idioten. Früher hatte die Riesenmaschine auch bessere Kommentatoren (als s:

Alle meine Vorredner sind Idioten. Früher hatte die Riesenmaschine auch bessere Kommentatoren (als sie noch nicht so kommerziell war).

17.05.2008 | 19:56

Kommentar #22 von florianmueller:

Der Einbau dieser ganzen Dinge in ein Kraftfahrzeug erfordert ordentlich Hirnschmalz. Diese Leute tun dies überwiegend selbst. Und ob ich mein Hirn dazu nutze oder lieber Kommentare schreibe – Hauptsache Neuronengewitter!

18.05.2008 | 18:32

Kommentar #23 von einem Autoaufkleber:

Genau – Hauptsache ist doch, was hinten rauskommt – ob nun iBallpen, Kugelschreiber, Lärm, ... spielt doch für den Lauf der Welt im allgemeinen und den Schuss der Kugel im besonderen nicht wirklich eine Rolle.

26.05.2008 | 17:04

Kommentar #24 von bummratzfatz:

Deutlicher Schwachpunkt der Riesenmaschine-Korrekturautomatik: Während Smileys und Inflektive gebrandmarkt werden, rutschen inhaltlich deutlich an der Psychose orientierte Meinungen wie die meines Vorkommentators offenbar anstaltslos durch. Ab und an wäre doch ein humanoider Lektor von Nöten.

23.06.2009 | 12:35

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