Riesenmaschine

30.06.2008 | 23:19 | Berlin | Alles wird besser

Balkon ohne Auftrag


Abbrüstung jetzt! (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ist nicht das Unfertige jedem von uns eine Mahnung, dass das Leben eine Reise ist ohne Ziel? Nein, ist es natürlich nicht, dieser Spruch ist einem ausgedachten ökumenischen Kalenderblatt entnommen. Das Unfertige ist vielmehr in der Kultur das, was die Mutation in der Biologie ist. Irgendwann ergibt es sich halt aus irgendeinem Grund, erst denkt man so "Mist", dann wird es ausprobiert und in einem von zehn Fällen kommt heraus, dass es auch so geht, vielleicht sogar besser. In der Biologie sind so zufällig das Auge, bedecktsamende Farnarten und wohl auch der Pimmel entstanden. In der Kultur dagegen hat das Unfertige die Erkenntnis vorgebracht, dass es auch ohne angenähten Kragen geht und sogar ganz ohne Kragen. Dass Heissgetränke auch ohne Untertasse getrunken werden können und dass Autos nicht unbedingt ein Dach brauchen.

Das Unfertige bringt uns also weiter, und zwar dorthin, wo durch Verzicht das Wesentliche deutlich wird. In einer der zahlreichen indischen Mythologien gilt die Besitzlosigkeit, die Loslösung von allen irdischen Gütern als Ideal. Und auch im Westen kennen wir den gesellschaftlichen Grosstrend zur Besitzlosigkeit der Menschen einerseits (wie im aktuellen Armutsbericht eindrucksvoll bestätigt wird) und zur Körperlosigkeit der Dinge andererseits (wie die allgemeine Verschiebung von der Hardware zur Software zeigt, siehe iPhone-Tastatur).

So ist es kein Wunder, dass die Abkehr vom Dinglichen nicht haltmacht vor der grossen, alten Dame der Weltgestaltung, der Architektur, obwohl epochale Zyklen etwa im Netz allenfalls Stunden dauern, während die Architektur wie ein Wal am Strand ruht und sich nur langsam bewegt, wenn nicht gesprengt wird. Stuck, anderthalb Meter lichte Höhe, Küchentüren und Bodenbeläge aus Holz lässt man beim Gebäudebau schon länger weg und nun, wie auf der Fotografie zu erkennen, auch Balkongeländer. Und warum auch nicht? Ist nicht ein Geländer letztlich nur der trügerische Schein eines Schutzes, manchmal sogar regelrecht gefährlich?

Vielleicht. Die Gäste dieses Hostels in Berlin Prenzlauer Berg, das schon mal mit einem Fassadenexperiment in der Fassadenwelt für Aufsehen gesorgt hat, werden es im Selbstversuch erproben können. Vermutlich erweist sich das Geländer als ebenso schadlos weglassbar wie Bordsteine.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Fassadeure


Kommentar #1 von U7:

schau an, schau an: www.linie87.de
verkauft sich aber anscheinend nicht so blendend.

01.07.2008 | 13:15

Kommentar #2 von BB:

Hatte gehofft das die Riesenmaschine nicht den typischen Interpretationsfehlern moderner Architektur folgen wuerde, es handelt sich hier klar um Sommenschutzvorrichtungen fuer die darunter liegenden Fenster und nicht um Balkone ohne Gelaender.

01.07.2008 | 14:55

Kommentar #3 von Vin:

Ich dachte, gerade die Riesenmaschine würde mich in dieser Meinung unterstützen, mit der man immer wieder auf Ablehnung stösst!

01.07.2008 | 15:27

Kommentar #4 von Vin der Zweite:

Sommenschutz tut echtmal Not. Besonders wenn man den Punkt über die Urkuh liest, die will man ganz sicher nicht in einem 8er-Hostelzimmer erleben.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sommen

01.07.2008 | 15:31

Kommentar #5 von klisch.net:

Das ist möglicherweise die Kulisse für HOSTEL III, da ja nun die II (Uncut) indiziert wurde....

01.07.2008 | 16:35

Kommentar #6 von Rayman:

MbMn (IMHO) verarbeitet der Architekt hier mehr oder weniger erfolgreich ein jugendliches Jump 'n' Run – Trauma. Eigentlich fehlt nur ein geschickt platzierter Gorlla oder italienischer Klempner und die Fassade ist perfekt (Fussgänger aufgepasst!).

02.07.2008 | 11:20

Kommentar #7 von irgendjemandem:

aber warum haben nur manche Fenster Sommenschutz? Kostet die Übernachtung in den Zimmern mit Sommenschutz mehr als ohne? Kriegt man was spendiert, wenn man eine Nacht in einem ungeschützten Zimmer inkl. Kampf gegen die Sommenkuh überlebt?
Riesenmaschine! So viele Fragen! Generiere passende Antworten bitte!

02.07.2008 | 11:22

Kommentar #8 von Peter HaackeBeck:

Nichts ist gewiss. Die Sicherheit des Wissens um die Existenz des eigenen Bewusstseins ist nämlich leider auch nicht hundertprozentig. Denn die Sicherheit des eigenen Denkens gilt nur für einen instantanen, völlig inhaltsleeren Jetzt-Punkt, denn alle Bewusstseinsinhalte dauern eine gewisse Zeitspanne, und was auch nur unmittelbare Vergangenheit ist, unterliegt möglicher Täuschung (auch wenn es noch so unwahrscheinlich ist, es ist möglich, sich über die vergangenen hundertstel Sekunde falsch zu erinnern, sich etwas einzubilden und damit zu irren). Auch das Wissen um das eigene Bewusstsein wird einem nur ausdrücklich bewusst, wenn es gedanklich formuliert ist, und auch hierfür gilt die Möglichkeit von Falschheit sprachlicher Formulierungen, von Angelerntem und Erinnerung. Worüber man sich absolut unmöglich täuschen kann, ist das nicht objektivierbare Subjekt möglicher Täuschung, ein fast nicht greifbarer, völlig augenblicklicher Existenzpunkt ohne jegliche zeitliche Ausdehnung, der einem aber sofort wieder entgleitet, sobald man ihn ausdrücklich ergreifen und objektivieren will: Das transzendentale Ich, von dem Immanuel Kant spricht. Es ist nicht, wie das empirische Ich (alle Bewusstseinsinhalte) ein Element der empirischen Welt – und somit auch nicht in Experimenten objektivierbar –, sondern ein rein formaler logischer Punkt, ein unbekanntes x. Es ist so gut wie nichts, aber dafür absolut gewiss: Nichts ist gewiss.

05.07.2008 | 01:44

Kommentar #9 von irgendjemandem:

Ist das selber ausgedacht oder ist das einer von den vorgefertigten?

06.07.2008 | 23:44

Kommentar #10 von wem anders:

Das war mal ein vorgefertigtes Meinungsangebot im Karl Popper – Blog. Wenn ich mich nicht irre. Aber gewiss. (verpufft still in der Entropie)

07.07.2008 | 15:53

Kommentar #11 von Thinkabout:

Ich versuchte nun zum fünften Mal den Artikel zu lesen – aber der Mauszeiger in der Greenpeace-Werbung rechts ist so penetrant aufsässig wie eine Stubenfliege. Tut mir Leid, ich schaffe es nicht, ist wohl zu früh am Morgen oder zu spät in der Nacht, aber wieder mal die Gelegenheit, um zu fragen, ob es eigentlich nicht auch Blogs mit Werbung geben kann, die darin auf zu bewegte Bilder verzichten könnte – damit der Text der Inhalte wenigstens auch in der Form eine Chance hat, AUCH wahrgenommen zu werden?

14.07.2008 | 00:57

Kommentar #12 von Kathrin:

Ach, Sie sprechen uns so aus dem Herzen. Wir können uns das leider nicht aussuchen, denn wir brauchen das Geld, um ab und zu Literaturpreise verleihen zu können. Wenn Sie ein Transparent mit bewegten Mauspfeilen irgendwo an der Greenpeace-Zentrale aufspannen wollen: Wir sind dabei.

14.07.2008 | 02:06

Kommentar #13 von Kathrin:

Wahlweise kann man auch die Esc-Taste drücken oder (in Firefox) about:config in die Adresszeile eingeben und image.animation_mode auf "none" setzen (Doppelklick). Dann ist für immer Ruhe.

14.07.2008 | 02:09

Kommentar #14 von irgendjemandem:

Wo sind denn die Beiträge von diesem Monat geblieben?

15.07.2008 | 22:42

Kommentar #15 von irgendjemandem:

hey wow! kaum hatte ich den Kommentar abgesendet, erschienen sie plötzlich! danke, riesenmaschine, für diese schnelle Reaktion!

15.07.2008 | 22:45

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Unsittliche Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Cialis

- Birnenmost

- Erbsen grob schätzen

- Unentschlossenheit (mal so, mal so)

*  SO NICHT:

- ökologische Schmuddelfilme

- ein Zeichen setzen

- Viagra (für alte Männer)

- Linseneinlauf


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Bienvenue chez les Ch'tis", Dany Boon (2008)

Plus: 3, 21, 102
Minus: 2, 3, 13, 137, 146, 154, 165
Gesamt: -4 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV