Riesenmaschine

02.09.2008 | 16:11 | Nachtleuchtendes | Papierrascheln | Effekte und Syndrome

Und man sieht nur die im Dunkeln werben


Im Licht sieht man sie dagegen fast nicht. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Verständlicherweise richten sich die Begehrlichkeiten von Werbetreibenden, die das mediale Rauschen durchdringen wollen, verstärkt auf solche Sonderwerbeformen und -flächen, die bislang für marktschreierische Botschaften nicht zur Verfügung standen und ergo allein wegen des Neuigkeitswerts schon Aufmerksamkeit erzielen. Dazu zählt auch das Magazin-Cover, quasi die gute Stube eines jeden Heftes. Blattmacher sehen sich hier einem Trade-off, genauer gesagt: einem Zeitinkonsistenz-Problem gegenüber. Kurzfristig können sie sich den Tabubruch teuer bezahlen lassen und ihre Einnahmensituation maximieren. Mittelfristig brechen die Kioskverkäufe ein, weil niemand ein Heft mit Werbung auf dem Cover kaufen will, und ihre Aufmerksamkeitswährung rauscht in den Keller. Eine elegante Lösung für dieses Problem hat man beim deutschen Vice gefunden. Das Cover der aktuellen Ausgabe zieren zwei unverdächtige – wenngleich etwas uninspiriert wirkende – Eisbecher. Erst im Dunkeln erkennt man die Werbung für das neue Sony-Vaio-Notebook, die mit nachtleuchtender Fluoreszenzfarbe darüber gedruckt ist, dafür aber die Eisbecher nicht mehr. Die beiden semantischen Sphären überlagern sich, ohne sich dabei ins Gehege zu kommen! Dahinter schlummert auf den ersten Blick eine weiter reichende Kompromissformel, um nicht zu sagen: die Chance, des ästhetischen Problems der Werbung generell Herr zu werden.

Bei Tag könnte die Welt so werbefrei sein wie São Paulo; unbehelligt von lästigen Botschaften schritte man durchs Paradies der reinen Sachlichkeit. Das gesamte Werbeaufkommen wäre in die Nachtschiene verbannt: Leuchtreklame würde nachts die Städte bunt machen, Fernsehspots liefen ausschliesslich nach Mitternacht, wenn eh kein vernünftiger Mensch mehr fernsieht, Pop-up-Fenster und Banner würden nur sichtbar werden, nachdem der Screensaver anspringt. Kurz: Wir könnten den Werbekuchen verschmähen und ihn gleichzeitig haben.

Bei näherer Betrachtung hat die Sache jedoch einen Haken. In dem Moment, wo Werbung wie die Geister der Untoten unterm Bett hervorglimmt, sich alsbald per Neuronenschnittstelle in unsere Träume einblendet und alles in allem unsere Nächte hässlicher macht als unsere Tage, ist doch wieder mehr verloren als gewonnen.


Kommentar #1 von irgendwem:

Wenn du Gulaschsuppe kochst und schüttest die Gulaschsuppe in den Abtritt, nimmst den gleichen Topf und kochst darin Erbsensuppe, dann kannst du die Erbsensuppe auch nicht als Gulaschsuppe verkaufen, nur weil du sie in einem Topf zubereitet hast in welchem du vorher Gulaschsuppe gekocht hast. Ferner spreche ich den Verantwortlichen von Riesenmaschine.org keinerlei Intelligenz zu, und das hier auch die letzten beiden Alben von Grishfuck totgeschwiegen wurden beruht wohl kaum auf der Tatsache dass diese Alben früher unter dem Namen "Burzum" erschienen sind.

02.09.2008 | 18:43

Kommentar #2 von irgendwem:

'geister der untoten unterm bett'?
auch die untoten haben geister? haben die geister dann wieder geister? ich dachte bisher die toten hätten geister und das wars.
oder sieht man die nur nachts?

02.09.2008 | 22:53

Kommentar #3 von einem dankbaren Kunden:

Mist, bekomme gerade die Meldung:" Leider kann ihr Browser keine nachtleuchtende Fluoreszenzfarbe darstellen". Wer hat ähnliche Erfahrungen? Jedenfalls Danke für den Urlaubstipp São Paulo!

02.09.2008 | 23:02

Kommentar #4 von Frau Grasdackel:

Diese Eisbecher sind doch echt das Letzte.

03.09.2008 | 03:39

Kommentar #5 von r. jones:

Da haben Sie allerdings Recht, Frau Grasdackel

03.09.2008 | 05:41

Kommentar #6 von Rezensent/Rezensentin:

Lieber Herr Friebe,
leider lenkt mich diese blinkende Grafik so sehr ab, dass mein Kurzzeitgedächtnis bei jedem Blinken zurück gesetzt wird. Die Blinkamplitude ist leider nicht ausreichend lang gewählt, um in dieser Zeit den gesamten Text zu lesen. Aus diesem Grund bleibt Ihnen leider einen für Ihre weitere Karriere sicher hilfreichen inhaltsbezogenen Kommentar durch mich verwehrt.
Hochachtungsvoll.

03.09.2008 | 12:34

Kommentar #7 von Rezensent/innenhilfe:

In Firefox: Esc drücken. Im Internet Explorer: Stop drücken.

03.09.2008 | 13:01

Kommentar #8 von Dunckel:

Obwohl die von Vice das Problem ja garnicht haben, mit dem einbrechenden Verkauf, denn man kann es ja garnicht kaufen.

04.09.2008 | 03:07

Kommentar #9 von irgendwem:

Absolut grossartige Idee, hielt das Heft gestern in den Händen und war sofort begeistert! In dem Sinne – sehr progessiv!

04.09.2008 | 22:39

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