Riesenmaschine

15.01.2009 | 03:51 | Was fehlt | Vermutungen über die Welt

There's probably no Zeitgeist


Foto, Lizenz
Immer wieder in den Schlagzeilen: Gott. Britische Busse transportieren derzeit, wie man praktisch überall nachlesen kann, die Nachricht "There's probably no God" hinaus in die nasskalte Depression des Vereinigten Königreiches. Nun ist es prinzipiell lobenswert, endlich in der Öffentlichkeit metaphysische Debatten auszutragen, denn viel zu lange haben wir dem Primat der Physik gehuldigt. Man mag darüber streiten, ob Busse ein geeignetes Medium für den ontologischen Diskurs sind, aber warum nicht, die einschlägigen Bücher zum Thema lesen ja ohnehin nur 1-5 Personen.

Andererseits muss man sich fragen, warum die neue Welle ausgerechnet mit einer Form des Antirealismus beginnt, die einen Aspekt der Wirklichkeit einfach wegleugnet, ein pessimisistischer und miesepetriger Einstieg. Sollten wir nicht in Zukunft immer mehr Realität haben, statt weniger? Ontologisch beruht die Aussage "There is probably no God" auf einem platten szientistischen Materialismus der Prägung Dawkins, der die Buskampagne darum auch sponsort. Im Zoo der möglichen Theorien über die Natur der Wirklichkeit ist dies allerdings nur eine einzige, wissenschaftshistorisch unbedeutende Spielart.

Relevanter schon wäre die Diskussion des Positivismus ("There may be no bus and no atheism, but what the hell do we know."), beliebt z.B. in der Interpretation der Quantenmechanik, und des dialektischen Materialismus ("There's no God and, surprise, no atheism either. Go fuck yourself."), immerhin eine Weile weltpolitisch äusserst erfolgreich, und im Gegensatz zum Szientismus und Positivismus schön realistisch, dogmatisch und rein. Gefolgt vielleicht vom Konstruktivismus ("There is probably no bus, but let's put some ads on it anyway.") und vielleicht Berkeleys aufklärerischem Idealismus ("There is no atheist bus, just God's idea thereof.") Danach können wir dann zu den topaktuellen Klassikern des Aristotelismus ("There is an atheistic message only if there is a bus.") und des Platonismus ("There is atheism and theism, even if the material Universe ceases to exist.") übergehen. Beide übrigens mit klarer Option auf einen Gott, dem Busse so oder so egal sind. Wahrscheinlich.


Kommentar #1 von Gott:

Erneut ein glorreicher Artikel. Wenn die Riesenmaschine so weitermacht, dann kann ich mir demnächst das SZ-Feuilleton schenken und direkt zum Sportteil übergehen.

15.01.2009 | 04:06

Kommentar #2 von Dr. Les Erbrief:

Vorbildlich, wie die Riesenmaschine seit kurzem die Versöhnung zwischen Religion und Wissenschaft, Tradition und Fortschritt und Mensch und Makake unnachgiebig (d.i. mit knallenden Peitschenhieben) vorantreibt.

15.01.2009 | 13:36

Kommentar #3 von irgendwem:

wird die Riesenmaschine eigentlich irgendwann mal wieder gut?

15.01.2009 | 13:46

Kommentar #4 von cat:

probably not. so stop visiting this site and enjoy your life!

15.01.2009 | 16:24

Kommentar #5 von irgendwem:

Vorschlag: Die meisten selbsgeschriebenen Kommentare nerven, manche der vorgefertigten nerven nicht. Öffnet ne Rubrik, wo man Kommentare einsenden darf, lasst ne Jury drüber (d.i. stellt einen oder zwei Praktikanten ein) und gebt nur noch vorgefertigte Meinung frei. Meinungsfreiheit schön und gut, aber ihr müsst wieder Avantgarde werden nicht nur just another comment-my-shit-blog. Ausserdem ist das gute demokratische Tradition. Was sind Parteien anderes als vorgefertigte Meinungsangebote? Nervt euch dieser Kommentar? Mich auch.

15.01.2009 | 19:45

Kommentar #6 von niemand:

Der Existentialismus: There's certainly a bus, but only because we say so. Go think about that!
Der Stoizismus: There's probably a god, but there's no bus route to him anyway.
Der Relativismus: There's probably a bus-god too who knows

15.01.2009 | 23:50

Kommentar #7 von Frau Grasdackel:

Ist zwar irgendwie unlogisch – aber der Sponsor sponsert. Ganz im Sinne des Hoffenheimismus: "There is probably no God, but there is definitely a Hopp."

16.01.2009 | 01:21

Kommentar #8 von Henry:

Nichts ist gewiss. Die Sicherheit des Wissens um die Existenz des eigenen Bewusstseins ist nämlich leider auch nicht hundertprozentig. Denn die Sicherheit des eigenen Denkens gilt nur für einen instantanen, völlig inhaltsleeren Jetzt-Punkt, denn alle Bewusstseinsinhalte dauern eine gewisse Zeitspanne, und was auch nur unmittelbare Vergangenheit ist, unterliegt möglicher Täuschung (auch wenn es noch so unwahrscheinlich ist, es ist möglich, sich über die vergangenen hundertstel Sekunde falsch zu erinnern, sich etwas einzubilden und damit zu irren). Auch das Wissen um das eigene Bewusstsein wird einem nur ausdrücklich bewusst, wenn es gedanklich formuliert ist, und auch hierfür gilt die Möglichkeit von Falschheit sprachlicher Formulierungen, von Angelerntem und Erinnerung. Worüber man sich absolut unmöglich täuschen kann, ist das nicht objektivierbare Subjekt möglicher Täuschung, ein fast nicht greifbarer, völlig augenblicklicher Existenzpunkt ohne jegliche zeitliche Ausdehnung, der einem aber sofort wieder entgleitet, sobald man ihn ausdrücklich ergreifen und objektivieren will: Das transzendentale Ich, von dem Immanuel Kant spricht. Es ist nicht, wie das empirische Ich (alle Bewusstseinsinhalte) ein Element der empirischen Welt – und somit auch nicht in Experimenten objektivierbar –, sondern ein rein formaler logischer Punkt, ein unbekanntes x. Es ist so gut wie nichts, aber dafür absolut gewiss: Nichts ist gewiss.

16.01.2009 | 15:32

Kommentar #9 von Aleks:

Wenn das ein vorgefertigter Kommentar war, dann war er sehr passend. Findet jedenfalls mein rein formal logischer Punkt.

16.01.2009 | 15:53

Kommentar #10 von freu.dich:

Glückwunsch, aufrichtigen Glückwunsch. Menschen mit Ihrer Zivilcourage braucht dieses Land.

19.01.2009 | 15:14

Kommentar #11 von Ryo:

Den Bus kann man belegen.
Wer behauptet etwas sei existent muss es beweisen, nicht umgekehrt.
Sorry, aber es gibt keinen Gott. Wer sein Leben auf einer Lüge aufbauen will, für die Millionen von Menschen in der Geschichte gestorben sind, bitte. Das ist das Recht von jedem. Aber genau so haben auch Andere das Recht von so einem Müll ideologisch verschont zu bleiben.

27.01.2009 | 09:03

Kommentar #12 von realo:

Die Ameise sagt: Wahrscheinlich gibt es keine Menschen....

31.01.2009 | 12:52

Kommentar #13 von realist:

Der Vergleich mit der Ameise ist nonsens. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, wer denn Religion initiiert hat und mit welchen Intentionen. Richtig! Auch nur fehlerhafte Menschen, deren hoffnungsspendende Geschichten über Jahrtausende überstehen konnten. Im Falle der Ameise gibt es ja Beweise (z.B. totgetrampelte Tiere nachdem Menschen drüberliefen:-)), doch bei Religiösen beruht deren Gewissheit über die Richtigkeit ihrer Ansichten nur auf der Verabsolutierung einer Weltanschauung, die bereits von Kindesbeinen an indoktriniert wird.

23.05.2009 | 17:03

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