Riesenmaschine

17.03.2009 | 14:23 | Alles wird besser | Sachen anziehen | Vermutungen über die Welt

Der Baumarkt der Zukunft


Abt. "Trennendes" (Foto: Lars Weisbrod)
Im Baumarkt der Zukunft behauptet man nicht, in den Kopf des Kunden sehen zu können und dort zu lesen, was jener mit der Ware plant. Muss jemand, der ein Beil kauft, sich nicht in seiner Absicht, Weib und Kind zu erschlagen, verkannt fühlen, wenn man ihn dazu in die Abteilung für Gartenartikel oder Holzheizungszubehör schickt? Der Baumarkt der Zukunft ist nicht nach schlecht erratenen Einsatzzwecken gegliedert, sondern nach dem eigentlichen Sinn der Dinge.

Wie es im amerikanischen Marketingphrasenwesen heisst: Der Kunde will keinen Bohrer kaufen, er will ein Loch. Aber natürlich hat der Kunde auch kein Interesse an einem Loch, sondern er möchte zwei vormals getrennte Dinge miteinander verbinden, zum Beispiel einen Bilderrahmen mit der Wand oder den Raum ausserhalb der Umkleidekabine mit dem Raum innerhalb der Umkleidekabine.

Dabei hilft ihm die Abteilung "Verbindendes", hier finden sich Nägel, Leim, Draht, Vorhängeschlösser, Bohrer und Schnur, unter "Trennendes" aber Fensterscheiben, Beile, Abflussreiniger, Heckenscheren und Energiespartiere. Haken und Regalbrettwinkel gibt es bei den Schwerkraftantagonisten, Umgrabewerkzeuge und Mixer bei den Entropievermehrern, Staubsauger, Kühlschränke, Aufbewahrungslösungen und Besen bei den Entropieverminderern. Dunkle Farben und Glitzischwämme befinden sich bei den Absorbenten, helle Farben und Polituren bei den Reflektoren. Die Abteilung Energieformwandler enthält Leuchtmittel, Schraubenzieher, Trampoline und Öfen.

Im Baumarkt der Zukunft der Zukunft dann schliesslich wird man eingesehen haben, dass hierarchische Kategorien keine Zukunft haben, und es wird (wie in allen anderen Branchen) nur noch eine einzige Abteilung geben ("Sachen", 1.-4. Stock).

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Die Ordnung der Bücher


Kommentar #1 von Paul:

Die Zukunft der Zukunft sehe ich nicht. Ich denke im Moment leben wir eher in einer Zukunft der Gegenwart, denn unsere Wünsche und Ängste orientieren sich an dem überzogenen Vergleich mit dem gegenwärtigen Sein. Wie obsolet! Wo bleiben da soziale Utopien, Sexphantasien und finanzielle Desiderate, die ausserhalb der Vorstellungskraft liegen?

17.03.2009 | 17:27

Kommentar #2 von Doktor Mozz:

«Derivate», nicht Desiderate.
Diese Intellektuellen immer. Weltfremd.

18.03.2009 | 16:03

Kommentar #3 von irgendwem:

Kann mich nur anschliessen.

18.03.2009 | 17:22

Kommentar #4 von Paul:

Wikpedia sagt: Ein Desiderat oder auch Desideratum (pl. Desiderata, v. lat. desideratum, "erwünschtes") ist ein Wunschgegenstand. Das ist ein Objekt, seltener ein abstraktes Ding[1], das in einer gegebenen Umgebung fehlt und benötigt wird und mehr oder weniger dringend gewünscht ist.

18.03.2009 | 17:22

Kommentar #5 von der grüne heinrich:

Ein sehr schöner Text. Und von der Frau Passig, die für mich beinahe verschollen galt. Klasse.

19.03.2009 | 00:20

Kommentar #6 von Energiespartier:

Diese Einteilung wird sich nie im Leben durchsetzen – und zwar wegen den Grenzfällen. So könnte ein Trampolin sehr wohl auch unter "Trennendes" (Könner von Nichtkönnern) oder neben den Spiegeln bei "Richtungänderndes" hängen.
Da suche ich doch die Energiespartiere lieber wie gelernt bei den Aquarien.
Aber als Literatur ist der Text gut.

19.03.2009 | 15:59

Kommentar #7 von Paul:

Wikipedia sagt: Trampoline stellen eine Gruppe von Sportgeräten zur Sprungunterstützung dar, die es in vier verschiedenen Grundformen gibt.

19.03.2009 | 16:45

Kommentar #8 von Jna:

und zwar in den Grundformen BasicLine, SportLine, TrampoLine und Energiespartier (ohne Entropie einsetzbar)

24.03.2009 | 10:07

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