Riesenmaschine

14.05.2010 | 16:36 | Anderswo | Zeichen und Wunder | In eigener Sache

Warten mit Godot


So spielt man mit Studenten. (Foto: Helico, Lizenz)
Teil zwei der Reihe "Die Zentrale Intelligenz Agentur entdeckt totgeglaubte Kulturformen": Nachdem die ZIA 2008 das Radio gerettet hat, wird 2010, genauer: am Dienstag, dem 18. Mai um 20 Uhr, am Nationaltheater Mannheim die szenische Lesung des ersten ZIA-Theaterstücks "Warten mit Godot" stattfinden. Ein rasanter Ritt durch 2.000 Jahre Bühnengeschichte, gerade theaterfernen Schichten zu empfehlen.

"Es ist noch niemand so weit gegangen. 'Warten mit Godot' ist so sehr allem bis anhin Gesehenen voraus, dass es streng genommen unmöglich ist, ihm mit deutenden oder auch nur beschreibenden Worten nachzukommen. Eine Küche, ein Kartenspiel, das ist die ganze Szenerie von Anfang bis Ende. Vier Personen verbringen hier die Zeit – mit nichts. Sie heissen Godot, Bernd, Bernd und Bernd. Godot ist eigentlich mit den beiden Landstreichern Wladimir und Estragon verabredet, irgendwo auf einer Landstrasse an einem Baum. Aber die geschwätzigen Bernds und das auf ewige Fortsetzung drängende Kartenspiel erschweren seinen Aufbruch. Zwischendurch taucht Kasimir Blanko auf, ein reicher, blühend selbstgefälliger Herr, der einen Vortrag voll kluger Prophezeiungen verfassen muss. Währenddessen geht das Spiel weiter seinen Gang und man ahnt, Godot wird sich niemals losreissen können.

Was aber schon in einer solchen Zusammenfassung unmittelbar ins Auge springt, das ist die grosse Einfachheit und Reinheit der dramatischen Struktur. Die klassische Einheit von Ort, Zeit und Handlung wird gewahrt. Was aber hat Godot mit diesen Bernds zu tun und wer ist er? Keine einzige der möglichen Deutungen ist ihm erspart geblieben. Es hiess, er sei Gott, wie es ja die erste Silbe seines Namens sage. Es hiess auch, er bedeute den Tod – aber man würde mit gleichem Recht auch sagen, er bedeute das Leben. Von all dem kommt jedoch im Spiel nichts zur Sprache, es bleibt wunderbar konkret wie ein Kasperletheater für Kinder: Godot ist und bleibt ein Wesen, das zwei Vaganten an einem Strassenrand erwarten und das aber lieber mit den Bernds beim Kartenspiel in der Küche abhängt.

Das Drama ist, dass die Zeit vergehen muss und dass man wach bleiben sollte. Und alles, was sich auf der Bühne zuträgt, das sind die Formen dieses Wachseins – Karten spielen, Bier trinken, über Dinge reden. Und darum ist das Stück lustig, ja man möchte es sogar ein Meisterwerk des Humors nennen. Der Humor der ZIA bleibt nicht auf die belanglosen Bezirke des Lebens beschränkt, sondern durchläuft den ganzen Raum von Leben und Tod, und er tut dies nicht als eine Beigabe, vielmehr als die unmittelbare Gegenseite des Tragischen."


(Gerda Zeltner in der Neuen Zürcher Zeitung vom 10. März 1953)

Philipp Albers, Michael Brake | Dauerhafter Link | Kommentare (8)


Kommentar #1 von irgendwem:

wer von euch ist dann mit dabei in mannheim?
und: seid ihr baden-württemberg auch mal dankbar dafür, dass das bundesland im südwesten des öfteren eure kulturindustrieprodukte finanziert?

14.05.2010 | 17:00

Kommentar #2 von Michael:

Philipp und ich sowie Sebastian Sooth werden da sein. Und zu Baden-Württemberg: Es hat einen Platz in meiner All-Time-Liste der 16 schönsten deutschen Bundesländer sicher.

14.05.2010 | 17:08

Kommentar #3 von irgendwem:

Das Leben schreibt einfach die schönsten Geschichten.

14.05.2010 | 21:13

Kommentar #4 von Frauextern:

Gibts da Alk?

14.05.2010 | 21:45

Kommentar #5 von mauerunkraut:

"vorgefertigte Meinungsangebote"? das ist cool An dieser Stelle habe ich einen überflüssigen Smiley hingemacht, wofür ich mich dereinst schämen werde.
Es zeigt einmal mehr, dass es die kleinen Dinge des Lebens sind, die das Leben lebenswert machen ... nur braucht man heutzutage ziemlich lange, bis die Erkenntnis ankommt ...

15.05.2010 | 01:43

Kommentar #6 von irgendwem:

1953 gab es die ZIA doch noch gar nicht!

15.05.2010 | 15:20

Kommentar #7 von Floeschi:

Wo krieg ich ne gedruckte Version, wo ichs doch nich nach Mannheim schaff?

17.05.2010 | 13:01

Kommentar #8 von Luschi:

Deine Mutter läuft doch bei Super Mario nach links.

11.06.2010 | 12:57

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