04.11.2005 | 13:03 | Supertiere | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Die Riesenmaschine war Tieren bisher wohlgesonnen. Wir versuchten, die Andersartigkeit ihrer oft bizarren Lebensweisen zu respektieren, von ihnen zu lernen, ja, oft zogen wir ihr absurdes Sozialverhalten den komplizierten Mechanismen des menschlichen Miteinanders vor. Dabei verloren wir leider etwas aus den Augen, dass Tiere immer noch die grössten Feinde des Menschen sind. Nichts ist besser geeignet, diese These zu belegen, als "Bitten" von Pamela Nagami, eine gerade erschiene, hyperinformative Sammlung von medizinischen Fallstudien über Tierbisse und -stiche. Es steht jetzt unzweifelhaft fest: Alle Tiere sind grausame Monster. Alle, ausnahmslos. Wir wussten, dass Ratten gemein sind, aber muss man unbedingt Leprakranken die Zehen abfressen? Wir ahnten etwas von giftigen Schlangen, aber mehrere Tausend Tote pro Jahr? Vom Komodowaran hört man Grauenvolles, aber muss er zusätzlich 57 Krankheitserreger in seinem Mund herumtragen? Viel schlimmer ist, dass kein Mensch weiss, was für Monster Kegelschnecken sind, die ihre Opfer mit hochgiftigen Harpunenzähnen erdolchen. Knochenhechte sind in der Lage, aus dem Meer herauszuspringen und den arglosen Angler im Flug abzustechen.
Das ist kein Spass mehr, Freunde, und es hilft euch auch nicht, dass ihr euch untereinander nicht besser benehmt: Ein brasilianische Fliegenart etwa legt ihre Larven in die Körper von Feuerameisen (die wiederum Menschen problemlos umbringen können, also kein Mitleid). Wenn die Larve schlüpft, "borgt" sie sich den Kopf der Ameise und setzt dort Enzyme frei, die zum Abfallen des Kopfes führen. Das geht nicht, Leute, so nicht. Bei heise.de lesen wir von einer Assel, die zuerst die Zunge eines bestimmten Fisches isst, um dann selbst die Rolle der Fischzunge zu übernehmen (siehe Bild). Das ist so pervers, dass Auto-Tuning im Vergleich dazu wie eine harmlose Schrulle aussieht. Nein, das muss alles weg, Hechte und Hähne, Makaken und Moskitos, Frettchen und Fiebererreger, Hund, Katze, Pferde natürlich, ach. Zecken, Spinnen! Aber schweigen wir von Spinnen, das ist, also, unerträgliche Alpträume, gar nicht daran denken. Quallen, formlose Killer, weg damit. Kamele, Todesmaschinen, alles weg. Ein blutiger Kampf steht uns bevor, aber sie lassen uns keine Wahl; vernichten muss man sie, diese Tiere, wofür haben wir diese ganzen Bomben denn gebaut, ausrotten, mit Stumpf und, ähm, Beinen, ein für allemal. Naja, Eichhörnchen könnte man eventuell begnadigen.
03.11.2005 | 05:15 | Was fehlt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Seit Jahrzehnten schon erfindet die Menschheit eine dritte Hand nach der anderen. Es gibt mittlerweile dritte Hände zum Löten, zum Rückenkratzen, zum Pferdezügeln, zum Austrennen von Autoscheiben, als Mundspanner, zum Leimen oder Kleben, zum Justieren von Fahrradbremsen, Spannen von Gitarrensaiten (die Liste hört gar nicht mehr auf) und jetzt sogar, relativ neu, eine dritte Hand, die den zweiten Mann ersetzt. Man fragt sich, woher das kommt und wo das hinführt. Gibt es irgendwo auf der Welt eine zertifizierte Ausbildung zum Dritte-Hand-Erfinder? Hat die IHK eine neue Innovationsinitiative gestartet? Kann man überhaupt noch irgendetwas mit zwei Händen erledigen, zum Beispiel Papierrollen tragen oder eine Landkarte festhalten? Man muss ernsthaft darüber nachdenken, wie ein Leben ausgesehen hat, bevor es dritte Hände gab, hat man vielleicht den Mund zu Hilfe genommen oder die Füsse? Auffällig ist vor allem, dass alle dritten Hände überhaupt gar nicht so aussehen wie die zwei anderen, sondern meist auffällig kompliziert, unpraktisch, ja, wenn man es dann mal ausprobiert, eigentlich nicht bedienbar, also jedenfalls nicht mit zwei Händen (im Bild ein typisches Beispiel). Und hier, so muss man es wohl sehen, liegt das Grundproblem verborgen: Jede dritte Hand braucht eine zweite und/oder erste Hand, um einsatzfähig zu sein, was dazu führt, dass man am Ende nicht eine Hand gewinnt, sondern zwei verliert. Ein raffiniertes Konzept, das zur Entmündigung und Handlungsunfähigkeit grosser Teile der Bevölkerung führt – die erschreckenden Folgen: Arbeitslosigkeit, Ölkrise, Grosse Koalition. Man muss nichtmal Verschwörungstheoretiker sein, um zu verstehen, dass all diese Probleme in wenigen Minuten zu lösen wären, wenn endlich das Importverbot für dritte Arme aufgehoben wird.
01.11.2005 | 03:58 | Was fehlt | Vermutungen über die Welt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Jedes Jahr geschieht es zweimal, dass hochentwickelte Lebewesen verwirrt und geistesabwesend durch die Strassen taumeln und sich von niederen Lebensformen unwürdig behandeln lassen müssen. Gemeint ist nicht der halbjährliche Betriebsausflug der Behindertenwerkstatt, sondern die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit oder umgekehrt. Kein halbwegs zivilisierter Mensch kann sich merken, ob nun gerade vor oder zurück, welche Uhr automatisch, welche nicht, auf welchem Erdteil an welchem Tag oder auch Nacht, und überhaupt warum einen alle immer so komisch ansehen. So entsteht im globalen Hinundher, im Durcheinander zwischen analogen und digitalen Uhren sowie im durchweg chaotischen Zusammenspiel von Funkweckern und gerade zufällig vorbeikommenden Zeitsatelliten ein intellektuelles Debakel, eine Art zeitloser, unbestimmter Schwebezustand, der die Menschheit nochmal Kopf und Kragen kosten wird, nämlich wenn gerade in diesem Moment die anderen angreifen.
Dabei könnte alles so toll sein, wenn man endlich nicht nur die "Daylight Saving Time", sondern auch gleich noch die ganze Zeitzonengeschichte abschaffen, und zu einer schönen, konsequenten Universalzeit übergehen würde, die vernünftigerweise natürlich auf dem Dezimalsystem beruhen sollte. Es beschwert sich auch keiner darüber, dass auf der Südhalbkugel im Januar Sommer ist, warum sollte es ein Problem sein, wenn Mitternacht in Tokio am hellichten Tag stattfindet? Kein neuer Ansatz natürlich: seit Jahrtausenden versuchen kluge Köpfe die universale Dezimalzeit einzuführen; man erfand das Julianische Datum (alle Tage seit irgendwann einfach durchgezählt), die "Unix Time" (alle Sekunden seit Anfang der 70er) und die heute bereits legendäre Swatch Internet Time (einfach den Tag in 1000 "Beats" einteilen), aber ausserhalb von Zeitfetisch-Randgruppen gingen bisher alle diese schönen Ansätze sang- und klanglos unter.
Vielleicht kann man daraus aber auch lernen, dass Verwirrung und Komplikationen ein Grundbedürfnis des Menschen sind, und man mit zuviel Gewissheit und Klarheit prinzipiell nicht klarkommen kann. Dies würde zwanglos erklären, warum bei Zeitangaben nach 60 59 (manchmal auch 24 23) wieder die Null kommt und ausserdem noch, warum es weltweit vierundachtzig (geschätzt) verschiedene Systeme für Schuhgrössen gibt (das nur nebenbei). Das Bild zeigt die Weltirrsinnsuhr von Guinand (nur 2375 Euro).
30.10.2005 | 03:50 | Supertiere | Alles wird besser
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Ständig wird man heute darauf hingewiesen, sich doch mal in den "anderen" hineinzuversetzen, etwas mit den Augen des "anderen" zu sehen, wobei dieser anonyme "andere" alles sein kann, schwul, obdachlos, Kinderschänder, Reh, Fussballprofi, Hannelore Kohl, Zeuge Jehovas oder sogar blind. Das Argument kommt vornehmlich von Toleranzfaschisten und ist zum Glück extrem leicht angreifbar. Aus Amerika jetzt immerhin ein ernsthaftes, wenn auch indirektes Angebot: Man versieht den "anderen" mit öffentlich zugänglichen Zusatzaugen, die es jedem erlauben, zumindest genau dasselbe zu sehen wie der "andere", wenn auch nicht mit dessen Augen. Das Team um Joshua Millspaugh rüstete Angehörige der benachteiligten Minderheit "Reh" mit einer Art Kamerahelm aus, und liess sie so wochenlang durch die Wälder Missouris eilen. Wenn die Rehvideos, wie versprochen, im Netz erhältlich sind, werden wir endlich verstehen, was diese fremden Wesen antreibt, was sie interessiert, wo sie hinsehen und wo sie wegsehen – und wie wir ihnen helfen können, zum Beispiel im jahrzehntelangen blutigen Konflikt mit dieser anderen Minderheit "Auto". Eine wirklich nachahmenswürdige Idee, wie wir finden: Millspaugh liefert nicht nur endlich die empirische Grundlage für rassen- ja artübergreifendes Verständnis und Toleranz, nein, er hat auch die Zukunft des Testbildes erfunden. Stundenlange Übertragungen aus trostloser Wildnis vom Äsen, Schlafen, Wegrennen, possierlich Aussehen, Brunftschreie ausstossen, und wieder von vorne – alles vom Kopf eines Rehes aus gefilmt. Nichts würden wir schlafgestörte Duracellhäschen uns nachts lieber ansehen.
28.10.2005 | 23:15 | Supertiere | Zeichen und Wunder
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Von Delphinen hört man immer wieder Wunderdinge, zum Beispiel können sie schwimmen und mit dem Schwanz wedeln. Jetzt kommt heraus: Sie sind auch wesentlich besser vernetzt als wir Menschen. Es ist (ungefähr) so: Alle Menschen zusammen bilden ein sogenanntes skalenfreies Netzwerk (genauer will man es nicht wissen), wobei der durchschnittliche Abstand von einem zum anderen nur sechs beträgt. Das heisst andersrum, dass ich jemanden kenne, der jemanden kennt (bitte vier-bis sechsmal wiederholen, hier herrschte Uneinigkeit in der Redaktion), der wiederum das Stammesoberhaupt der Massai kennt. Nur als Beispiel und natürlich gemittelt. (Es könnte auch ein direkter Nachkomme von Napoleon sein.) Bei Delphinen nun ist die Länge dieser Kette aus Bekanntschaften, also der mittlere Abstand zu Napoleon, wesentlich kürzer, nämlich nur so drei bis vier Flipper lang. Das heisst einerseits: Delphine benehmen sich schwatzhaft, anbiedernd und überhaupt ekelhaft, was wir alles schon wussten. Andererseits aber geben sie hervorragende Netzwerkknoten ab.
Das Gute daran ist, dass wir genau so etwas gerade dringend brauchen. Das Internet ist natürlich viel zu langsam, unter anderem weil es zu gross ist: Der mittlere Abstand zwischen zwei Webseiten beträgt heute vermutlich mindestens zwanzig, der mittlere Abstand zwischen zwei Internet-Routern cirka zehn. Mit anderen Worten: Ein Internet auf der Grundlage von Delphinen wäre nicht nur wesentlich schneller und weniger störungsanfällig, sondern ausserdem total kinderlieb. Das einzige Problem dabei: Das sicherlich sehr alberne Übertragungsprotokoll der Delphine ist nirgendwo richtig dokumentiert, was das Verstehen der übertragenen Informationen vermutlich erschwert. Das ist allerdings nur dann störend, wenn es wirklich auf den Inhalt ankommt. Für zahlreiche Kommunikationsanwendungen, bei denen Verständnis zweitrangig ist und es vor allem um Effizienz geht, sind Delphine somit das ideale Medium (Beispiele: Kriegserklärung, Blogosphäre, Fernbeziehungskrise).
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Bugaboo auf Panzerketten
- Laternenpfähle von Psychopilzarchitekten
- Krankenbesuch
- lieber mal was den Russen überlassen
SO NICHT:
- Hormonkormorane fordern
- Herr der Fliegen (ist doch kein Name für ein Frühstück)
- neuralgischer Punkt
- Krakenbesuch
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Doomsday", Neil Marshall (2008)
Plus: 1, 14, 35, 64, 68, 80, 94, 96, 104 Minus: 8, 74, 99, 134, 144, 147 Gesamt: 3 Punkte
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