Riesenmaschine

04.08.2008 | 16:25 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Einfach nur heissen


Jetzt in Ihrem "Geschäft" (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Im Produktmarketing vernehmen wir parallel zum Jahrhunderttrend "Abgrenzung vom Wettbewerb durch Markenbildung" schwache, aber vernehmbare Signale einer Gegenentwicklung: Gleich ist das neue Anders. Auf Originalität folgt Identität und zwar im Sinne von: Alles identisch.

Wenn erstmal Unilever, Nestlé und Mars Foods zusammenfusioniert sind und es folglich nur noch einen Riegelhersteller geben wird, dann gibt es auch keinen Wettbewerb mehr. Niemand wird sich mehr abgrenzen müssen, Distinktion ist nicht mehr vonnöten. Produkte brauchen keine originellen Namen mehr, sondern können einfach nur noch heissen. Nestlés in Deutschland jetzt erhältlicher Waffelriegel antizipiert diesen Trend: Er heisst "Snack" (und schmeckt auch so).

Nun zeigt sich, warum Marken wie Nestlé oder Storck in den letzten Jahren die Logos von den Rück- auf die Vorderseiten ihrer Produkte geholt haben: Uns steht eine nie gesehene Foodmarken-Flurbereinigung bevor, die den Konzernen Milliarden sparen dürfte. Anstatt nämlich mühsam Marken aufzubauen und zu pflegen (Toffifee, Dickmanns, Werthers Original) gehört der Dachmarke plus deskriptiver Produktbezeichnung die Zukunft.

In Zeiten ohnehin wuchernder Biermischgetränke wird man dankbar sein für die zu erwartende Durchnummerierung der Sorten. Nach der Fusion der Bier-Konglomerate InBev (Beck's) und Anheuser-Busch (das US-Budweiser) kann es nicht mehr lange dauern bis zur Markteinführung von "Bier Nr. 5". Chanel hat das auch nicht geschadet.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Universal Selling Proposition


25.03.2008 | 13:27 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Natürlich sind zwei Artikel besser als einer


Die Echte (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Das Echte (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Den Artikel vor einem Artikel wegzulassen, ist eine gleichermassen populäre wie einfallslose Markenbildungsmassnahme ("iPhone is a revolutionary new mobile phone"). Und auch die modische Umkehrung dieser Strategie, die Volkswagen "Das Auto" und die Bahn "Die Bahn" nennt, hat Schwächen. Denn natürlich wären der Auto und das Bahn aufmerksamkeitsstärker gewesen, aber welcher Vorstandsvorsitzende im Praktikum erinnert sich heute noch an "Das König der Biere"?

Ausgerechnet Zentis, der "traditionsbewusste Hersteller von Brotaufstrichen, Süsswaren, Backfüllungen und Fruchtzubereitungen" führt nun das Dual-Shock-Naming in den Massenmarkt ein: Mit den parallelen Aufdrucken "Das Echte" und "Die Echte" auf ein und demselben Johannisbeer-Gelee erlebt die/das Abweichung von der (?) Norm eine neue Qualität.


24.03.2008 | 11:25 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen

Die Verbraucher sind unruhig


Auch googleinformierte Kreise wissen leider nichts genaueres über dieses famose Gerät
Tots movem Barcelona! Man möchte den Claim des Barceloner Nahverkehrs vor Freude immer wieder laut ausrufen, denn Verkehrsbetriebe mit ähnlich anarchischer Geschwindigkeitsbesessenheit wie der Transports Metropolitans de Barcelona (TMB) wären nice to have, sind aber hard to find.

So präsentieren die Anzeigetafeln an den Bahnsteigen die Zeit bis zum nächsten einfahrenden Zug sekundengenau statt in Minuten. Und meist reichen die durchschnittlich verbleibenden 28 Sekunden, um beim Yatoo Supermercado Rapido an der Station Maria Cristina einen Last-Second-Einkauf zu tätigen: Die fünf Meter breite Maschine gibt dabei nicht nur ein beeindruckendes robotisches Schauspiel ab, sondern auch eisgekühltes Wechselgeld zurück.

Nachdem der motorisierte Arm die gewünschten Artikel in einen Metallkorb geworfen und ausgegeben hat, steigt der Verbraucher dann auf sein Skateboard und rollt in die U-Bahn. Denn während man hierzulande auch im ÖPNV eher gemächlich fürbass schreitet und Ollies an der Bahnsteigkante nicht gerne gesehen werden, begrüsst die offizielle Website der TMB ihre Besucher mit einem Skater, der auf eine U-Bahn zufährt. Die Begeisterung ist gross, daher nochmal alle: Tots movem Barcelona!


31.01.2008 | 17:24 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Türkisches Tetris


Die Familie als Terrorzusammenhang (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Die Türkei empfiehlt sich in ihrer Eigenwerbung gern als familienfreundliches Reiseland. Die von Alexander Kluge beschriebene "Familie als Terrorzusammenhang" bildet dabei den Kern der aktuellen Kampagne. Das Plakatmotiv zeigt eine Familie, deren Mitglieder nicht nebeneinander, sondern ohne Not aufeinander am Strand liegen. Von unten nach oben: Vater, Mutter, Tochter, älterer Sohn, jüngerer Sohn.

Man beachte die beiläufige politische Korrektheit des inszenierten Schamgefälles: Natürlich darf die Mutter auf dem Vater liegen, aber nicht umgekehrt. Die Mutter und die ältere Tochter wiederum wären theoretisch austauschbar, aber dann müsste der Sohn auf der Mutter liegen (nicht akzeptabel). Leichte Bedenken kommen auf bei der Paarung des Sohns mit der älteren Tochter. Der kleine Bruder ganz oben hingegen muss als folgerichtig platziert gelten.

Im übrigen sehen nur schlichte Gemüter die Sortierreihenfolge im Gewicht der Protagonisten begründet.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ehrlicher Marketer


28.09.2007 | 14:48 | Gekaufte bezahlte Anzeige

Dosen, euch will ich kosen


He's not telling lies when he's using Mais: Stefan Marquard (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Vorurteile über Lebensmitteldosen sind so alt wie Lebensmittel selbst. Zumindest wie die in Dosen. Die Dosenköche müssen handeln. Und zwar, wie es sich gehört, mit einem Experiment unter fachkundiger Advertorial-Aufsicht der Riesenmaschine: dem Dosentest.

Vier Probanden werden sich in den kommenden sechs Wochen vornehmlich aus Dosen ernähren: Alles, was es in Dosen gibt, muss auch aus Dosen gegessen werden. Ein nachgerade ketzerisches Vorhaben, bedenkt man, dass aus Dosen normalerweise Telefone oder Songschreiberinnen gemacht werden. Schade, aber was tut man nicht alles für die Wirtschaft Wissenschaft.

Dienstag morgen begann das Experiment – mit einer Blutabnahme für den Vorher/Nachher-Vergleich. Wir müssen schliesslich wissen, was genau nach sechs Wochen noch von den Testern übrig ist (abgesehen von über 400 Weissblechdosen Abfall). In einem Kölner Kochstudio versuchte sich Sternekoch Stefan Marquard dann tapfer an einem 3-Gänge-Menü aus Dosenzutaten. Die Tester entschieden basisdemokratisch über den Inhalt der Frühlingsrollen – und da zwischen der Sauerkraut- und Erbsenfraktion keine Eingkeit erzielt werden konnte, packte Marquard unter häretischen Reden ("Wer behauptet, er kocht ohne Dosen, lügt") kurzerhand beides rein. Vielleicht als Ergebnis geschickter Erwartungssteuerung ("Was kann da schon bei rauskommen?") schien es allen Anwesenden dann tatsächlich geschmeckt zu haben.

Protokoll des ersten Testtags: Geöffnete Dosen samt Inhalt darf man durchaus im Kühlschrank aufbewahren. Probandin Petra, 50, hatte Probleme, ihre Ration von über 100 Dosen in den vierten Stock zu expedieren, und es gibt tropenfest eingedostes Norddeutsches Schwarzbrot. Spätestens jetzt sollte eigentlich jeder Sinn und Sinnlichkeit der Dose erlegen sein.


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"The Green Inferno", Eli Roth (2013)

Plus: 1, 52, 69, 80, 101, 117, 138, 142
Minus: 9, 13, 197
Gesamt: 5 Punkte


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