Riesenmaschine

05.01.2007 | 02:05 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Papierrascheln

93 Minuten


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
In ihrem Essay "Against Interpretation" von 1966 unterstellt Susan Sontag der modernen Interpretation von Kunstwerken offene Aggressivität. "Der Interpret verachtet eingestandermassen die Erscheinung, die Oberfläche des Textes." Solche Interpreten sollen zur Strafe die Oberfläche schrubben und zwar gründlich. In der Zwischenzeit beschäftigen wir uns mit einem dieser Tage erschienenen Filmbuch.

Die Herausgeber Michael Baute und Volker Pantenburg setzen darin eine Idee um, die so simpel wie grössenwahnsinnig ist. Nicht ein Autor schreibt über 93 Filme, sondern 93 schreiben über einen – über Charles Laughtons Film-Noir-Märchen The Night of the Hunter (Die Nacht des Jägers, 1955), den Jacques Rivette "den verblüffendsten Meteor der Filmgeschichte" nannte. Die Minutentexte: The Night of the Hunter versammeln so viele Autoren wie der Film Minuten hat – und jeder befasst sich mit exakt einer Filmminute. Und auch wenn das Zerhacken von Filmen in Minuten willkürlich erscheint, so gingen die meisten Autoren mit einem Zartgefühl zu Werke, auch und vor allem der Oberfläche des Films gegenüber, das die Gründlichkeit der Form komplementiert.

Die Interpreten haben jetzt genug geschrubbt, die Oberfläche des Textes ist schon ganz blank. Vielen Dank.


18.12.2006 | 06:58 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen

Fahrgeschäft

Achterbahn fahren und Einkaufen gehen ist ja schon in Deutschland eigentlich dasselbe. In China ist es jetzt auch tatsächlich dasselbe, denn dort konvergieren gerade Fahrgeschäft und Supermarkt zu, nun ja, einem Fahrgeschäft: Anstatt die Konsumoptionen abzuschreiten fährt man in einem kleinen Wagen durch den Laden und nimmt sich raus, was einem gefällt. Es ist also irgendwie so wie mit dem Smart durch Berlin Mitte zu fahren.


06.12.2006 | 12:10 | Gekaufte bezahlte Anzeige

Wahnsinn mit Methode – Weltherrschaft mit DoorOne


Richtiges Equipment (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Auch gut (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Feuerwehrmann, Lokführer, wahnsinniger Professor mit Weltherrschaftsambitionen. Berufswünsche mögen unterschiedlich sein, doch Karriere macht man nur mit dem richtigen Equipment. Und dabei hilft die Produktsuchmaschine DoorOne. Strebt man zum Beispiel die Weltherrschaft an, findet DoorOne auf Anhieb 100 geeignete Produkte in allen Preisklassen, doch sind wir noch Diktator im Praktikum und müssen daher unsere Preisbereitschaft auf maximal 10 € begrenzen. Prompt erscheint die zwingende Einstiegslektüre "Weltherrschaft für Anfänger". Doch, verdammt, das Buch erscheint erst 07/2007. Eine durchschaubare Finte der Gegenseite – der Agent hat sogar sein Nummernkürzel ins Erscheinungsjahr codiert!

Fachliche Hilfe können wir also nicht gewärtigen, bleibt nur genialische Eigenbrötlerei. Wie jeder vernünftige Wahnsinnige brauchen wir dafür zuerst mal ein Labor, und jedes anständige Labor braucht einen Funktionsgenerator. Wir verschulden uns für den HM 8131-2, der zwar 1.607,76 € kostet, aber die für unseren Plan unverzichtbare "lineare und logarythmische Wobbelung" beherrscht. Denn wenn man drei Stück bestellt, gibt's 80 Euro Rabatt – da sind die oben gesparten 10 Euro doch gleich acht Mal drin! Die schrecklichen Wobbelungsexperimente sind natürlich nur durchführbar mit einem handfesten Experimentierkasten. Diese werden bei DoorOne unter dem Tarnnamen Wissenschaftliches Spielzeug geführt. Dass man uns nicht ernst nimmt, daran haben wir uns gewöhnt.

So wenden wir uns an unsere letzten Freunde, die Roboter. Wir finden den Robosapien RS Media mit "Personality Editing Suite". Ja! Personality Editing! Verrückt vor Glück möchte man der gesamten Menschheit die Worte "Danke, DoorOne!" in die Personality reineditieren. Die Weltherrschaft, sie ist zum Greifen nah!

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Das neue System der Dinge


30.10.2006 | 00:39 | Anderswo | Supertiere

Der Schockfisch und die Produkte des Nichtseins


Gänzlich ungeschockter Fisch in Shanghai (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Haier ist die einzige chinesische Marke, die nun schon drei Jahre in Folge unter den 100 einflussreichsten brands der Welt rangiert. Wie schafft ein Unternehmen das, dessen Markenstrategie noch in Arbeit ist?

Die Antwort ist verblüffend einfach. Moderne Unternehmen brauchen gar keine Markenstrategien. Erwartet werden heutzutage vielmehr ehrliche Kommunikation, eine groovy Firmenkultur, Tierschutz und soziales Engagement. Haier kann in all diesen Punkten Vorbild sein – und sich daher teure Marketingetats sparen.

Unter dem Motto "Be brand the sail, be customer the teacher" offenbart der Elektrokonzern seine Ziele in vorbildlicher Ehrlichkeit: "expand the business into developing markets with little resistance" und "Priority given to influence and then profit". Haiers Strategie ist der Aufkauf "gut ausgestatteter Firmen" und der Austausch des Managements. Den ökologischen Standards entsprechend ist dieses Verfahren der Natur entlehnt und heisst daher Schockfisch: "'Shock fish' represent those companies which are well equipped but not well operated and can be vitalized if effective management is introduced." Die gekündigten Manager finden derweil Trost in Haiers Corporate Culture. Dort heisst es unmissverständlich: "Being itself is the product of not-being".

Wenn deutsche Firmen nicht als Produkte des Nichtseins enden wollen, passen sie besser jetzt ihre Strategien an! Haier-Küchengeräte sind in Deutschland bereits erhältlich. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die konzerneigene Zeichentrickserie Haier Brothers auch hierzulande ausgestrahlt wird. Wogegen sich auch niemand wird wehren können, denn die 212 Episoden verbucht Haier unter Social Contribution.


10.10.2006 | 09:05 | Alles wird schlechter | Vermutungen über die Welt

Panik im Leerlauf


Wie Computer gegen Computer, nur mit Menschen (Bildquelle) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Jean Baudrillard schrieb 1992, das Fernsehen liefe in totaler Indifferenz gegenüber seinen eigenen Bildern, so dass es sogar weitermachen könnte, wenn der Mensch verschwunden wäre. Da dachte er noch nicht an Notebooks. Auf ihren Websites bitten Computerhersteller wie Apple nämlich seit Wochen darum, bestimmte explosionsgefährdete Sony-Akkus sofort aus den entsprechenden Laptops zu entfernen und nicht mehr zu verwenden. Das Dokument, das der von Apple gelieferten Austauschbatterie beiliegt, empfiehlt nun nicht nur das glatte Gegenteil ("Setzen Sie die auszutauschende Batterie ein"), sondern verlangt vor der Rücksendung des Altakkus die Entladung desselben mit dem eigenen Notebook. So soll wohl dem unbeabsichtigten Paketbombenversand vorgebeugt werden. Geradezu baudrillardesk erscheint die den mitgelieferten "Tipps für schnelleres Entladen" entnommene Empfehlung, alle Energiesparfunktionen des Laptops abzuschalten, eine DVD abzuspielen oder das Schachprogramm laufen zu lassen – in der Einstellung "Computer gegen Computer".

Hunderttausende Computer spielen jetzt gerade Schach gegen sich selbst, und das nur aus Angst davor, dass weltweit Pakete voller kleiner Sprengkörper in die Luft fliegen könnten. Jean, wo bist du?


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Minus: 28, 196, 218, 219
Gesamt: 14 Punkte


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