Riesenmaschine

12.12.2005 | 18:20 | Essen und Essenzielles

Am Ende einer langen Nacht


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Wer sich professionell mit Genussgiften befasst wird feststellen, dass der Umgang mit dem Drumherum der Genussgifte dem immergleichen Vier-Stufen-Muster folgt: Egalheit, Trendhinterherhechelei, Rückkehr zu den Wurzeln, völliger Klassizismus. Beispiel Rauchen und Feuer. Zuerst ist es völlig wurst, womit man sich die Zigarette anzündet, dann muss es eines dieser komischen Gasfeuerzeuge sein, die eine blau leuchtende, scharf abgegrenzte Stichflamme erzeugen, dann findet man das doof und kauft sich stolz ein Zippo, das findet man dann erst recht doof und landet folgerichtig dauerhaft bei Streichhölzern.

So ist es auch beim Trinken. Der Schädel wird zunächst unkundig mit Aspirin bekämpft, was töricht ist, wie man weiss, denn es erzeugt Mikroblutungen im Magenbereich. Dann bildet man sich und schluckt trendgemäss Paracetamol. Merkt aber irgendwann, dass das die arme Leber umso mehr ärgert. Es folgt Rückkehr zu Alka-Seltzer, das hat zwar auch Acetylsalicylsäure, hat aber basische Komponenten, und dann – dann geht es richtig zurück: Heilerde. HEILERDE! Man kann es nicht oft genug sagen. HEILERDE!!

Wer je den Genuss verspürte, das schlammfarbene Heilerde-Wasser-Gemisch nach einer langen durchsoffenen Nacht zu trinken, ist für alle Zeiten süchtig. Der Geschmack erinnert an eine brackige Pfütze, nach dem Schlucken knirscht es überall leise im Gebiss. Ein Genuss, den man erst mit der Zeit würdigen kann. Heilerde stoppt augenblicklich wie eine Pause-Taste jedwede Schmurgeley im Magen, man kann jeden Alkohol damit subito neutralisieren und anstatt des Morgens vom eigenen Sodbrennen aufzuwachen, schläft man tief und fest wie ein Säugling (Fäustchen!). Möge es die gute, gute Heilerde immer geben!


28.11.2005 | 16:35 | Berlin | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Lecker, popecker!


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Das Grauen! Das Grauen! Die Vorweihnachtszeit stürzt den Lebensmitteleinkäufer in schwere Sinnkrisen. Nirgendwo kommt man mit seinem Einkaufswagen durch, alles ist zugestellt mit Adventskalendern, Nikoläusen, Weihnachtsmännern und ähnlichem Unrat aus qualitativ niedrigstmöglicher Schokolade. Einen angenehmen Kontrapunkt setzen die nur in wenigen, ausgesuchten Fachgeschäften erhältlichen "Bitteren Schokoladen" des Berliner Chocolatiers Erich Hamann, eines kleinen 12-Personen-Betriebs, gelegen an einer der hässlichsten Strassen Berlins überhaupt, nämlich der Brandenburgischen Strasse im sterbenslangweiligen Wilmersdorf. Wie sich das gehört, pfeift Erich Hamann auf eine Internetpräsenz und treibt dafür seine Schokoladenbauer permanent zu absoluten Höchstleistungen an. Die Vollmilchschokolade aus genanntem Haus ist die zauberhafteste Schokolade aller Schokoladen: Leicht knackig im Biss, sodann zartschmelzend und von einer milden, sehr pastosen, jedoch niemals klebrigen oder aufdringlichen Süsse. Das Ladengeschäft in der Brandenburgischen Strasse 17 erinnert an eine niederländische Fleischerei aus den 60er Jahren und scheint direkt aus der Kulisse eines Films von Alex van Warmerdam zu stammen: Strenge, aber blitzsaubere Gardinen- und Kacheloptik, klare Linien. Ebenso sind die Schokoladentafeln gestaltet: Zartes Kästchenmuster, ein altherthymliches Logo, Schwungvolle Signatur quer über die Schachtel und eine Produktbeschreibung in Helvetica. Wer je diese Schokolade ass, wird nie wieder andere essen können. Bestellen kann man sie hier.


24.11.2005 | 17:11 | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Neuer Wein in alten Schläuchen


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Selten wurde ein Produkt so schnell entwertet wie der tragbare MP3-Spieler. Inzwischen läuft jeder Spacko mit einem Ipod herum, Distinktionsgewinn via weisser Ohrhörerkabel ist nicht mehr zu erzielen, weil der Ipod Shuffle von wirklich jedem Taschengeld bezahlt werden kann. Hilft also nur die Flucht zurück in das Gegenkonstrukt, das da lautet: Size does matter! Was bedeutet: MP3 – gerne, aber bitte nicht miniaturisiert. Zeit also, sich das inzwischen durchaus abgehangene Rebraun-Objektarium mal wieder genauer anzuschauen.

Für lockere 12.000 Euro bekommt man eine MP3 Jukebox inklusive Server und WLAN, eingebaut in eine alte Braun-Kompaktanlage, deren Design 1962 entworfen wurde und bis heute (bzw. mehr denn je) wegweisend ist. Wem das noch zu stylish ist bzw. wer insgesamt von der Denke her eher dem Saab 9000-fahrenden C4-Professor zuzuordnen ist, der bekommt bei Bootleg-Objects vergleichbare Technik in einem Bang & Olufsen – Retro Design. Fein.


11.11.2005 | 14:09 | Listen | Vermutungen über die Welt

Von Crunk bis Turntablism


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Nein, diese Dee-Jays! Stehen stumm und mösenbärtig hinter ihren Technics-Ungetümen und mixen bald dies, bald jenes ineinander. Von Progressive Hop über Nu Soul bis hin zu Speed Garage und dann – zack! – gleich wieder zurück zu Dirty South und Ghetto Tech. Wer jetzt nur Rautatieasema (finn.: Bahnhof) versteht, ist nicht allein. Kein Wunder, dass kein Schwein mehr die Nomenklatur diversester Musikstyles versteht, die Zeiten in denen es "beide" Musikstile (Country UND Western) gab, sind seit Ewigkeiten vorbei. Wer auf der Höhe der Zeit sein möchte, studiere bitte Ishkur's Guide to Electronic Music. Es ist dies ein kleines, böses Flash-Monstrum, das jede Subsubsubsubgruppe elektronischer Musik anhand von drei bis zehn Songbeispielen illustriert und zusätzlich die Verästelungen und Verbindungen zwischen jenen Subsubsubsubgruppen aufzeigt. Das Ding ist reichlich kundig aufgestellt, kennt im Bereich Goth sogar die inzwischen leider völlig vergessene Band "Danse Society". Alles in allem eine beeindruckend hässlich und doch gut zu bedienende und geradezu enzykloplädisch wertvolle Website. Ganz old school (Mund zu Ohr) empfohlen von Holger Schulze.


05.10.2005 | 15:34 | Was fehlt | Zeichen und Wunder

Wurst Käse Szenarien


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Völlig unfassbare Objekte gibt es bei www.lahaii.ch zu kaufen. Leider nur als gerahmte 3D-Grafiken, dies jedoch in formell und ästhetischer Hinsicht schwer toppbar. Es gibt da beispielsweise runde Heizkörper, aus Wurst bestehende Radioapparate, Armaturen und Schalter und vieles, vieles mehr. Allen Grafiken gemein ist eine unheimliche, geradezu obszöne Ausstrahlung, die durch steriles, klinisches Licht und ungewöhnliche Materialen und Texturen erreicht wird. Archaische, funktionslose Geräte, die in einem Vivisektionsraum ebenso gut aufgehoben sind wie im modernen, aufgeschlossenen Living Room. Manche Objekte scheinen direkt aus dem Hirn von Wilhelm Reich zu stammen. Gesehen hier.


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