Riesenmaschine

21.03.2006 | 11:16 | Zeichen und Wunder | Papierrascheln

Tippen wie die Vorväter


"Rysn Maṡyn" auf Mandäisch (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Fast jeder kennt das Problem: Man möchte einen Brief auf Moabitisch schreiben, eine köktürkische Weisheit im Original zitieren oder einfach nur mal seinen Namen auf Altkretisch (Linear B) sehen. Und schon stösst Word an seine Grenzen. Die etwa 120 Schriftarten, die das neuzeitliche Textverarbeitungsprogramm vorrätig hält, tragen zwar so hochtrabende Namen wie Goudy Old Style, Herculanum oder Papyrus, aber so richtig alt und vergessen werden sie davon auch nicht. Geschweige denn, dass man sie von rechts nach links schreiben kann. Selbst mit der vielfältigen Symbole-Sammlung, die sich hinter Zapf Dingbats verbirgt, kann man keinen einzigen ganzen sinnvollen etruskischen Satz schreiben. Wie gut, dass es nun die Zeichen-Sammlung von Norbert Bartz gibt, die zwischen Altägyptisch und Zapotekisch so ziemlich alles versammelt, was Klang und Formen hat. Allein der Runen-Fan kann zwischen 17 Schriftsätzen wählen und sie sich teilweise als True Type Font auf die Festplatte packen. Griechische Alphabete gibt es gleich in 19 verschiedenen Variationen, die beliebten frühgotischen Minuskeln des 11. Jahrhunderts allerdings nur auf einer Tafel. Selbst das Internet ist leider immer noch nicht perfekt.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


03.01.2006 | 20:09 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Politisch korrekt bechern


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Für Hamburg sieht es schlecht aus. Auch London, Buenos Aires, Kairo und Jakarta verschwinden im Türkisblau der Teetasse. Erst wenn man ausgetrunken hat, tauchen Länder und Städte allmählich wieder auf. Das Geheimnis des wunderbaren "Global Warming Mug" von der Unemployed Philosophers Guild ist nämlich eine wärmesensible Folie, die eine Weltkarte zeigt. Und diese Karte beantwortet folgende einfache Frage: Angenommen, der Meeresspiegel steigt um zehn Meter; wie sehen dann die Kontinente aus? Es ist wohl nicht übertrieben, zu sagen: Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit konnte man dermassen politisch korrekt ein Heissgetränk zu sich nehmen! Nirgendwo wird einem das Drama der Erwärmung unseres Planeten derzeit drastischer vor Augen geführt, wie auf diesem einfachen Becher Made in China. Wer mit dem Begriff "abwarten und Tee trinken" bisher nur Zeitverschwendung assoziierte, wird in Zukunft an Klimaschutz denken müssen. So revolutionär kann Porzellan sein. Wer jedoch für diese Art der Bewusstseinsbildung zu sensibel ist oder sogar zu nah am Wasser wohnt, greift vielleicht lieber zu anderen Bechern mit anderen Motiven. Bei der VanGogh-Tasse verschwindet nur das Ohr des Meisters. Der Civil Liberties Mug löscht ein paar Bürgerrechte aus dem Bill of Rights. Und Heinrich VIII von England wird nur mit Hilfe von etwas heissem Wasser alle seine Frauen los. Ganz ohne Köpfen.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link | Kommentare (19)


22.08.2005 | 21:07 | Sachen kaufen

Die lauteste Mütze der Welt


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Fußballvereinsfans aufgepasst! Das mit dem Johlen, Grölen und Singen war gestern. Und wenn wir mal ehrlich sind, war es ja auch anstrengend – und insgesamt viel zu leise. Die Zukunft der Ekstase heißt tuten und blasen beziehungsweise doppelstimmig tröten. Das Prinzip ist ebenso einfach wie patentgeschützt: Dank einer Membran, eines Klemmringes und eines "auf den Zehntelmillimeter exakt gefertigten Kunststoffrohres" ist das Loslärmen ab sofort so stimmbandschonend wie nie. Ohne Gas, ohne Batterie, nur mit Puste. Satte 130 Dezibel, soviel wie ein startender Jumbo-Jet, bietet die Normal-Powerfanfare mit Trageschläufchen. Das Tolle ist: Es gibt sie in allen möglichen Vereinsfarben inklusive metallic! Etwas dezenter (100 dB) als die Jumbo-Tuba tönt das doppelläufige Medium-Modell "Duda-Cap". Die mitgelieferten Clips und ein paar Handgriffe machen noch aus der allerbescheidensten eigenen Basecap im Nu die lauteste Mütze der Welt. Kostenpunkt: kaum der Rede werte 10,50 Euro. Wer es tiefer und fetter möchte, bekommt für 1,50 Euro eine zusätzliche Rohrverlängerung und damit Soundverbesserung. Nur Ohrstöpsel liefert die Firma nicht mit. Das verstehe, wer noch kann.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link


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