Riesenmaschine

11.05.2007 | 19:13 | Supertiere | Fakten und Figuren

Sexlos gerädert


Nichtfickende, gutaussehende Rotarier. Wunderbare Welt. (Abbildung: Diego Fontaneto/Public Library of Science) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es mag dem biologischen Laien durchaus wie eine Wissenschaftsgroteske anmuten, aber die emotionalen Verwicklungen und anatomischen Verfaltungen des Sexualtriebs sind dem Evolutionsbiologen eine notwendige Voraussetzung für evolutionäre Entwicklung, Anpassungsfähigkeit, und letztlich also fürs Streben des gemeinen Protoplasmas nach Höherem – wenn man denn überhaupt der Ansicht ist, dass der evolutionäre Prozess irgendwohin strebe und nicht vielmehr nur wurstle. Der dem Geschlechtsgewese unterbaute Austausch von Genen nämlich sei es, der die Abspaltung von Spezies erst ermögliche, und damit die Anpassung des Geschöpfs an die Nischenexistenz. Ficken, mit anderen Worten, ist gut fürs Geschäft, nicht nur kurzfristig wegen Kindermacherei, sondern auch auf lange Sicht.

Auftritt die Gattung Rotaria aus der Klasse der Rädertierchen, und ein Gegenbeweis. Die Gattung umfasst nämlich, einer neuen Studie in der Public Library of Science (PLoS) zufolge, an die 400 Arten, denen allen gemein ist, dass sie das männliche Geschlecht und die sexuelle Vermehrung abgeschafft und die Jungfernzeugung zur gesellschaftlichen Norm erhoben haben (sofern Rädertiere zur einer Gesellschaft im Luhmannschen Sinne überhaupt fähig sind), und das vor der Aufteilung der Gattung in derart viele Arten. Wer braucht da noch Sex (oder Männer), fragt die PLoS-Kommentatorin wenig provokant, dabei ist doch die viel interessantere Frage, warum die rotierenden Damen trotzdem so verteufelt gut aussehen: ein evolutionäres Rätsel.


11.05.2007 | 01:28 | Fakten und Figuren

Unbewusst reinmachen


Die Angst des Tors vor dem Schlechtwetter. (Foto: itsgreg) (Lizenz)
Wenn eine Kugel auf einen zugeflogen kommt, hat man nicht viel Auswahl. Man kann ihr ausweichen wie Neo, oder stehenbleiben wie Handkes Tormann, die Pille fangen, und hoffen, dass sie nicht zu bitter ausfällt. Jahrelang stand Handkes Fussballer sprichwörtlich aber unbelegt für das Gefühl, das man hat, wenn man auf einen Lampenpfahl zuläuft und sich nicht entscheiden kann, ob man links oder rechts vorbeigehen soll. Unbelegt, weil die subtilen Vorgänge in diesen Sekunden vor dem Strafstoss nie sorgfältig untersucht wurden. Eine neue Studie macht damit jetzt Schluss, und belegt, dass der Tormann in der Regel nicht genau in der Mitte des Tors steht, ohne das selbst zu wissen, und dass auch dem Schützen dieser Unterschied zwischen linkem und rechtem Zwischenraum zwischen Torpfosten und Tormann zwar nicht bewusst wird, wenn er nur klein genug ist, er aber dennoch mit grösserer Wahrscheinlichkeit in diese – wenn auch von allen Beteiligten unbemerkt – breitere Lücke schiessen wird. Man wird aber deshalb nun weder die Fussballregeln ändern, noch Handkes Roman wiederlesen müssen.

(via Mixing Memory)


10.05.2007 | 13:56 | Anderswo | Nachtleuchtendes

60 Grade der Ratlosigkeit


Luxusseele. (Foto: 72486075@N00) (Lizenz)
Wie sieht es aus in den Köpfen der Menschen? Liegen verwarzte schwarze Klumpen in leeren Hallen? Erstrecken sich endlose Pampas mit argentinischem Rindfleisch in Kuhform darauf bis zum geistigen Horizont? Schwimmen bizarre Fische durch die Bullaugen eines längst gesunkenen Luxusdampfers? Das sind drei plausible Modelle für die Seele, ein viertes erdachte die Künstlerin Eva Lee jetzt, verführt vom süssen Summen der Zahlen. EEG-Daten fünf verschiedener Gefühlszustände bei 12 Probanden, also die von der Kopfhaut abgeleiteten elektrischen Impulse weitgehend unbekannter Herkunft, hat die Künstlerin genommen, und den hochdimensionalen Datensalat in Landschaftsform gebracht. Sie spricht von der "Innenwelt von zwölf Individuen", aber in Wahrheit zeigt der entstandene Film natürlich keine Gefühlswelten, sondern die Landschaft, in der die Hirnforschung sich gern und oft verläuft, und dann staunend steht wie's argentinische Rindfleisch vor dem inneren Gefühlsberg.


09.05.2007 | 01:29 | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

REM goto theory


Die Herrschaft des Reptiliengehirns über den Menschen (Foto: kaptainkobold) (Lizenz)
Die Theorie, der Traum des schlafenden Wissens, ist das bunte Vehikel, mit dem die leidenden, leidenden Menschen ein wenig Sinn und Verstand in den Wirrwarr Welt zu karren hoffen. Wer eine Theorie deshalb zuerst fragt, ob sie denn auch wahr sei, tut ihr schon unrecht. Wichtiger ist, ob sie schöne Augen hat und ein gutes Herz, als Beispiele seien Velikovskys Planetenbillard und Jaynes' bikameraler Bewusstseinsursprung genannt, bei Charles Fort und seiner Gefolgschaft findet sich unerschöpflich Weiteres.

Und obwohl es schon so viele schöne, falsche und schön falsche Theorien gibt, kommen immer noch neue dazu. Die ungeklärte Frage zum Beispiel, warum der Mensch träume, und vor allem, warum er so wirren Scheiss träume, erklärt jetzt eine italienische Forschergruppe damit, dass der REM-Schlaf mit seinen Augenbewegungsorgien sich beim niedrigen Leben zur Verfestigung einfacher sinnlicher und Bewegungserfahrungen entwickelt habe, und bei uns dann eben nur noch Teile des Reptiliengehirns anspricht, die dann weiter oben traumförmige Assoziationskettenmassaker auslösen. Belegt wird diese traumhafte These mit subtilen Beobachtungen der Augenbewegungen eines einzelnen Patienten, also eigentlich gar nicht. Und so soll es ja auch sein.


24.04.2007 | 03:03 | Anderswo | Alles wird besser

Bienenschwund


Macht's gut und nehmt die Wespen mit (Foto: OK-59, Lizenz)
Wenn eines fernen Tages die Menschheit eine höhere Entwicklungsstufe erreicht haben wird als die gegenwärtige, und zum Beispiel in der Lage sein wird, die vierdimensionalen Verwicklungen, die uns so unglücklich machen, klar und deutlich zu sehen, dann werden wir wohl auch in der Lage sein, die Tür zu einer dieser neuen Dimensionen aufzustossen und die verwurmte Geröllhalde Erdball für immer zu verlassen. Die Kakerlaken oder Hamster werden dann ratlos in der Gegend stehen und in ihren wissenschaftlichen Zeitschriften das rätselhafte Verschwinden der doofen Affen diskutieren. In der Zukunft wird es so sein, heute aber sind es erst mal die neunmalschlauen Bienen, die uns ein kleines Stück vorausgehen und grade nämlich weltweit spurlos verschwinden. Die Wissenschaft steht bislang vor einem Rätsel, aber vermutlich folgen die Bienen einfach dem kürzlich verstorbenen Kurt Vonnegut durch die 4D-Tür ins Nirvana, damit die dort Einsitzenden reichlich Honig vorfinden. Und das ist doch nett von den Bienen.


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"In Bruges", Martin McDonagh (2008)

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