Riesenmaschine

29.03.2010 | 23:51 | Anderswo | Alles wird schlechter | Listen

Apfelbäumchenpflanzen jetzt im Live-Ticker verfolgen

Das Geschehen am Large Hadron Collider ist als journalistisches Thema mittlerweile nicht mehr das freshste, aber das interessiert bild.de natürlich nicht. Stattdessen wollte man dort vom morgigen Protonen-Aufeinanderschiess-Experiment per Liveschalte berichten. Zwar wird ein Verantwortlicher zitiert, der die ganze Sache schon im vorhinein zum langweiligen Unereignis erklärte, doch, so die Humeschen Induktionsskeptiker von bild.de, "genau kann er es auch nicht wissen – ein Experiment dieser Dimension wurde noch nie durchgeführt".

Die Videoverbindung kommt aber nun nicht zustande wegen "technischer Probleme", vermutlich hat ein Vogel die aufgestellte Webcam mit Krümeln beworfen. Darum greift man bei bild.de jetzt zum last resort der Berichterstattung: dem Live-Ticker. In diesem Fall ergibt sich daraus natürlich ein interessanter Versuchsaufbau (viel interessanter als diese ewige Protonen-Aufeinanderschiesserei): Entweder bild.de stellt morgen früh ab 9 Uhr den Rekord für den langweiligsten Live-Ticker der Welt auf – oder aber (mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 50%, denn "it's gonna either happen or it's gonna not happen") es ergibt sich für alle Nerds, Geeks und sonstige Stubenhocker die wahrlich einmalige Möglichkeit, für ihren Lebensentwurf ein letztes Zeugnis abzulegen: "Weltuntergang? Ach, das lasse ich nebenbei im Live-Ticker laufen!" Wir werden es vermutlich nie erfahren, denn morgen um 9 Uhr schlafen wir natürlich noch.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Zen-Sportberichterstattung


22.01.2010 | 16:52 | Supertiere | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Rererererererekursion


Kann auch sowas wie Rekursion, aber sonst eben nichts: Romanesco (sblackley, Lizenz)
Vieles wurde dem Menschen im Lauf der Geschichte schon zugeschrieben, als das, was ihn ausmache und unterscheide von dem Gesocks, das er in die Zoos eingesperrt hat: die Fähigkeit zu Lieben, das Zubereiten von gekochten Speisen, das Stellen der Frage, was ihn denn ausmache. Der breiten Öffentlichkeit nicht ganz so bekannt ist ein anderes cooles Feature, vom dem behauptet wird, es sei die unique selling proposition des Menschen: Rekursion.

Während jeder dahergelaufene Affe irgendwelche Zeichen benutzen und zusammenkleistern kann, bleibt es uns vorbehalten, gleiche Strukturen beliebig oft nach dem selben Prinzip zusammenzubauen. Dem dummen Affen muss man deswegen ja auch jede Zahl einzeln erklären, wärend der schlaue Mensch irgendwann von selbst darauf kommt, dass, wo es eins, zwei und drei gibt, auch vier, fünf und sechs nicht weit sein können.

Genau dieses ungerechtfertigte Schattendasein der Rekursion zu beenden, ist jetzt Ziel einer grossangelegten Marketingkampagne, die das Massachusetts Institute of Technology in Zusammenarbeit mit der saarländischen Brauerei Karlsberg lanciert hat: Nicht "Beer + Cola + X" heisst der Claim zum neuen Getränk Mixery Blend, sondern "Beer + Beer + X". Natürlich ist das nur der Startschuss, auf den dann "Beer + Beer + Beer + X", "Beer + Beer + Beer", "X + X + X", "Beer + Beer + Beer + X + X" nach streng rekursiven Regeln folgen werden. Das muss einem der Affe erstmal nachbrauen.


22.12.2009 | 21:46 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Neues aus dem Brettspiellagerhaus


"Mr. President, you can't say Dallas doesn't love you!", Bild und Spielidee: Lino Wirag (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Was die Verarbeitung der neueren Geschichte angeht, war uns das Medium Brettspiel bisher keine grosse Hilfe: Immer nur Feudalismus, Eisenzeit und irgendwas mit Festungen. Zum Glück aber hat nun endlich jemand die auf wunderbare Art naheliegende Idee umgesetzt, das Merchandise zur Magic Bullet Theory um ein Würfelspiel zu erweitern. Wir erinnern uns: Bei dem Attentat auf Präsident John F. Kennedy soll eine einzige Kugel des Attentäters zahlreiche Verletzungen verursacht haben, indem sie ihre Flugbahn mehrmals geändert hat.

"The FBI says they can prove it through physics in a nuclear laboratory", schimpfte Staatsanwalt Jim Garrison in Oliver Stones "JFK" noch über diese Annahme. "Of course they can prove it. Theoretical physics can also prove that an elephant can hang off a cliff with its tail tied to a daisy! But use your eyes, your common sense." Hätte es das Brettspiel damals schon gegeben, wäre vielleicht auch Garrison von der Verschwörungstheorie abgerückt, denn hier wird Geschichte und theoretische Physik anschaulich dargestellt und spielerisch erlebbar. Für den deutschen Markt empfehlen wir allerdings die Vermarktung des Spielprinzips unter dem Titel "Bad Kleinen".


27.03.2009 | 03:15 | Anderswo | Alles wird besser

Don't cry for me, Philosophia


So sieht die Zukunft aus: Berliner Polizisten halten auf der re:publica'09 Ausschau nach Deleuzianern (Foto,Lizenz)
Endlich eine Nachricht, die Anlass zu Jubel, Trubel und Heiterkeit bietet: In Argentinien kommt ein Philosophie-Professor möglicherweise ins Gefängnis, weil er unautorisierte Übersetzungen von Derrida-Texten auf seine Website gestellt hatte. Keineswegs handelt es sich dabei nämlich, wie Boingboing andeutet, um ein weiteres unsinniges Unglück im verminten Grenzbereich von Wissenschaft und Urheberrecht. Vielmehr ist der Vorfall Zeichen für die Ankunft der langersehnten antikontinentalphilosophischen Polizeidiktatur. Jochen Hörisch, der sich sicherlich unter den ersten Opfern im deutschsprachigen Raum befinden wird, raunte schon 2004 cassandramässig vor sich hin: "Analytische Philosophie fungiert als diskursive Polizei." Damit lag er metaphorisch standesgemäss daneben, denn wie zu erwarten fungiert natürlich die Polizei als diskursive Polizei. Schon in wenigen Stunden wird es vermutlich auch an deutschen Universitäten heissen: "Diskurskontrolle, Kripke-Papers und Logikschein, bitte." Als Promillegrenze für Metaphern und aufgeblasene Wortspielereien schlagen wir 0,5 vor, alles andere kann getrost dem gut aufgestellten Polizeiapparat überlassen werden.


03.03.2009 | 21:35 | Nachtleuchtendes

Google Maps Balkonangst


Blisters and pain auf den Ringen bei Einschlag der Hiroshima-Bombe in den Kölner Dom (Screenshot)
Albtraumängste lassen sich in drei Kategorien einteilen: Mikroängste, Mesoängste und Makroängste. Letztere tauchen in der Form von Riesenmonstern, grossflächigen Waffen, Kometeneinschlägen oder Nebeln des Grauens auf und gelten als die sophisticated angsts unter den Albtraumängsten. Wer noch nie rauchend auf dem Balkon stand und sich vorgestellt hat, wie am Horizont ein Atompilz auftaucht, um anschliessend zu überlegen, wer anzurufen sei und wie, angesichts von Windrichtung und Lage der Ausfallstrassen, zu fliehen wäre, hat wohl kein Herz.

Für das Multiangsttool Google Maps gibt es jetzt eine tolle Applikation, die einem bei den Balkonüberlegungen mit einer hilfreichen Übersichtskarte zur Seite steht: Ground Zero (via twitter.com/daniel_erk). Zur Auswahl stehen mehrere Atom- und Wasserstoffbomben sowie ein Asteroideneinschlag und jedes beliebige Ziel der Welt. Nach Klicken auf "Nuke it!" wird eine Karte mit verschieden eingefärbten Auswirkungszonen angezeigt, von "Sunburn like discomfort, skin redness" bis "Most people will die within 24 hours". Danach geht man zurück auf den Balkon mit einem Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwimmen, und wartet ab, ob irgendwann etwas passiert.


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