Riesenmaschine

30.03.2006 | 18:05 | Fakten und Figuren | Papierrascheln

Das Z am Ende ist am Ende


Wer möchte mit seinem Versicherungsvertreter
schon gemeinsam kiffen? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Kaum ein Blog schiebt eine derartige Bugwelle der selbsternannten Trendpäpstlichkeit vor sich her wie die Riesenmaschine. Da bleibt es nicht aus, dass man hier und da und auch mal dort gefragt wird: "Was ist eigentlich ein Trend?" – Die Antwort ist so simpel, dass man ihr misstrauisch Komplexität unterstellt. Trend ist, wenn man etwas anders machen möchte als die meisten anderen, aber nicht als alle anderen. Trendbewusstsein hat also nichts mit Aktualität zu tun, sondern nur mit verkrampfter, angstgesteuerter Abgrenzung von den Typen, die man für die falschen hält.

"Wie lange lebt ein Trend so?" – Als untoter Zombie kann ein Trend ziemlich lange leben. Nehmen wir einmal den uralten Trend, in der englischen Schriftsprache Buchstaben und ganze Morphemketten durch Buchstaben zu ersetzen, die ähnlich ausgesprochen werden, zum Beispiel ein "s" am Ende eines Wortes durch ein "z". Das erste Mal dürfte dieser Mechanismus Mitte der 80er mit der Rapgruppe Niggaz with Attitude bzw. dessen Gründer Eazy E an eine grössere Öffentlichkeit gelangt sein. Dieser Trend, der sich auch im Internet zunehmend manifestiert hat, ist nun unwiderruflich und für längere Zeit tot.

"Wann ist denn ein Trend tot?" – Ein Trend ist mausetot, wenn eine Schweizer Versicherung ihn in eine Werbeanzeige einbaut. Spätestens dann.


29.03.2006 | 13:03 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Im Zeitalter der Putzguerilla


Die richtige Verteilung des Nichts ist entscheidend (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Wie Sie sehen, sehen Sie nichts." Wer ist nicht damals von seinem schlechtrasierten Physiklehrer mit diesem unterirdischen Spruch gelangweilt worden? Diesmal ist es aber tatsächlich nichts, das wir hier sehen, und zwar umrandet von Schmutz. Zur Werbekampagne "Ballack +10" hatte die verantwortliche Agentur namens 180 am Radisson SAS Hotel in Hamburg zwei Riesenriesenplakate aufhängen lassen, mit den Motiven "Podolski +10" und "Schweinsteiger +10". Gross allein reicht nicht mehr heutzutage, es muss auch cool sein, und so dachte man sich Guerilla-Kommunikation aus. Offiziell spielt Guerilla-Kommunikation mit semiotischen Überraschungsmustern (vergl. Umberto Eco, "semiotische Guerilla-Kriegsführung"), inoffziell wird in Werbeagenturen alles so genannt, was nicht so recht messbar, aber trotzdem dem Kunden gut zu verkaufen ist, weil es "irgendwie rockt" oder schon mal auf MTV zu sehen war. Oft genug sind auch, sagen wir, teillegale Aktivitäten darunter, wie eine Flut von Aufklebern über die Stadt zu verteilen oder per Schablone Botschaften überall hinzusprühen.

Doof nur, dass die Kommunikation einer Marke einen Absender braucht, der kein 17jähriger anonymer Sprüher ist, sondern eine leicht zu findende Firma mit 17 Milliarden Euro Umsatz. Der man entsprechend 17 Milliarden Mal weniger verzeiht, Wände besprüht zu haben. Sehr, sehr, ich wiederhole nochmal: sehr smart ist da die Idee, seine Guerilla-Kommunikate nicht aufzusprühen, sondern sie aufzusäubern. Das Beispiel auf dem Foto oben ist nichts weiter als die an den richtigen Stellen gesäuberte, schmutzige Mauer rund um das Hotel Radisson SAS.

Das bedeutet nichts weniger, als dass ein neues Graffiti-Zeitalter hereinbricht. Putzgruppen werden in der Stadt umherziehen und ihre Schriftzüge mit Schablonen in die schmutzigen Fassaden putzen, Putzgruppe oder besser Putzguerilla wird man sie nennen, vielleicht, und die Polizei wird machtlos danebenstehen müssen, während die Jugend mit Chlorix und Meister Propper Antimoos ihren gefühlten Outlawtätigkeiten nachgeht! Es wird so toll!


27.03.2006 | 22:29 | Anderswo | Was fehlt

Golfball mit RFID


Ein RFID-Chip hütet den Golfball wie seinen Augapfel (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Was verdanken wir Golf nicht alles! Autos, Ströme, Kriege, ganze Generationen! Da ist es nur fair, dass der Mensch die erste sich bietende Gelgenheit beim RFID-Schopfe packt und es ihm zurückzahlt. Genau das passiert in Washington DC seit einiger Zeit, denn der Mensch, dieser findige Erfinder, baut kleine Chips in Golfbälle ein, die so preisgeben, wie schnell sie wohin fliegen und all das. Das alles ist für Golfspieler eine kleine Sensation, irrsinnig interessant, wir anderen hingegen, die grosse Masse, die sich auch fragt, warum dauernd diese vollkommen spannungsentladenen Golf-Liveübertragungen auf Eurosport zu sehen sind, wir anderen also, uns ist das verhältnismässig egal. Ein Chip, der den Golfkrieg erklärt hätte oder den Golfstrom oder wenigstens den anhaltenden Erfolg des Golfautos, das wäre etwas interessanter gewesen.


27.03.2006 | 02:02 | Alles wird besser | Vermutungen über die Welt

Das war's, Schwerkraft


Die Schwerkraft bei einer ihrer letzten Amtshandlungen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Was sind uns in den letzten hundertfünfzig Jahren für Zukünfte versprochen worden! Von Jules Verne wurde uns der Floh eines fliegenden Amphibienautos ins Ohr gesetzt. Praktisch die gesamten 60er Jahre hindurch wurden ausschliesslich Kinderbücher hergestellt, in denen man uns versprach, die grossen Ferien in den 90ern würden auf dem Mond oder wenigstens untermeerisch unter riesigen Kuppeln stattfinden. Und nicht zuletzt gaukelte man uns zur Eröffnung der olympischen Spiele 1984 in Los Angeles ebenso subtil wie perfide vor, dass bald schon ein jeder einfach so ein bisschen hin und her fliegen könnte. Und wo bleiben diese tollen Zukünfte allesamt, jetzt, wo man sie brauchen könnte, wenn als tollste technische Neuerung der CeBit ein Handy vorgestellt wird, auf dem man die gleichen 23 Fernsehprogramme empfangen kann, die man schon auf dem Riesenflatscreen von letztem Jahr nicht sehen wollte?

Die Antwort ist ebenso verblüffend wie hoffnungsfroh: Die Zukunft steht unmittelbar bevor! Bei der ESA ist es nämlich gelungen, ein bisschen Schwerkraft künstlich herzustellen, was bisher ähnlich unvorstellbar war wie etwas vollkommen Unvorstellbares. Zugegeben, es ist wirklich nur ein ganz ganz kleines bisschen von dieser geheimnisvollen Substanz, aber am Anfang gab das Internet schliesslich auch nur ein einziges grobgepixeltes Pornobild pro Nacht her, heute dagegen: stundenlange Filme! Wir befinden uns also kaum drei Schritte entfernt von Antigravitations-UFOs, die langersehnten Hoverboards sind praktisch fast schon serienreif; hurra, die Zukunft ist bald da und man muss sich schon echt zusammenreissen, damit man nicht euphorisch und pathetisch wird angesichts dieser unfassbar wunderbaren und alles verändernden Entdeckung!


26.03.2006 | 05:53 | Berlin | Alles wird besser | Sachen anziehen

Mit Planen planen

In der Schweiz gibt es ein lustiges Gesetz, nach dem vor dem Bau eines Hauses hohe Stäbe aufgestellt werden müssen, die die zukünftigen Aussenmasse des Hauses abbilden. Das Volk soll sehen, worauf es sich einlässt und gegebenenfalls protestieren. In Berlin Mitte gibt es ein ungeschriebenes Gesetz (Lex Stadtschlossi), nach dem jedes wiederaufzubauende oder zu restaurierende Gebäude zunächst durch eine bunt bedruckte Hausvortäuschungsplane vorgetäuscht werden muss. Anders als in der Schweiz soll das Volk dann nicht protestieren, sondern es gefälligst gut finden, wo man sich schon so eine Mühe gemacht hat, verdammt!


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Hier sehen wir die vorgetäuschte, ehemalige Schinkelsche Bauakademie am Werderschen Markt in Berlin. Die Ecke ganz links ist symbolisch schonmal ein bisschen aufgebaut, der Rest ist nur geplant und daher verplant. Besonders erwähnenswert ist nun, dass auf der Plane mit der aufgedruckten Fassade auch noch ein Riesenplakat aufgedruckt ist. Gut, Mercedes-Benz unterstützt den Wiederaufbau, aber ist es tatsächlich schon so weit, dass ein grosses Gebäude ohne Riesenplakat drauf aus der Ferne nicht echt scheint? Werden unsere Kinder erschrecken, wenn sie unverplante Fassaden sehen? Ist unsere Gesellschaft tatsächlich schon so verworben? Die Antwort lautet: Ja.

Genau gegenüber übrigens steht der Palast der Republik, vulgo Volkspalast, der in diesem Moment abgerissen wird. Hier hätte man vielleicht einfach den umgekehrten Weg gehen können und vor dem Abriss riesige Bilder von einer Brachlandschaft an der Fassade anmontieren können, damit sich das Volk schon mal vorstellen kann, wie die Gegend ohne den Palast aussieht und eventuell hätte protestieren können. Ach nee, es hat ja protestiert. Hat aber nichts genützt. Das mit der Plane hätte man trotzdem machen sollen, schade um die schöne Werbefläche.


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