Riesenmaschine

12.01.2006 | 15:54 | Was fehlt | Listen

Masseinheiten für Gefühle


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Die zunehmende Verwissenschaftlichung unserer Gesellschaft verunsichert immer mehr Menschen. Eigenschaften, die wie Emotionen oder Überzeugungen, also Soft Skills, nicht in Zahl und Grad gemessen werden können, gelten nichts mehr oder werden als unglaubwürdig gebrandmarkt. Bei der Erklärung für Fehlzeiten beim Arbeitgeber etwa steht man mit einem "Ich fühlte mich nicht so wohl" als Trottel da, während eine Ausrede vom Format "Mir ist ein 16-Tonnen-Gewicht auf den Kopf gefallen" wegen ihrer eingängigen Messbarkeit problemlos akzeptiert wird. Als Gegenmassnahme soll hier ein Entwurf der Riesenmaschine dienen, Gefühlen endlich verlässliche Masseinheiten zu verpassen und so eine weltweite Renaissance d'Émotions einzuleiten. Damit wie bei den meisten Reformen der zweite Schritt auch hier vor dem ersten getan wird, möchten wir zunächst die Namen der neuen Einheiten vorschlagen, bevor eine internationale, paritätisch besetzte Gruppe von Wissenschaftlern daran arbeitet, der Übermacht der Wissenschaft Einhalt zu gebieten und dem Gefühl auf solide messbarer Basis wieder mehr Gehör zu verschaffen:

Angström
Verfahrenheit
Kilogram
Milliebe
Ohmg
Zuneigungswinkel

Weitere Masseinheiten für Gefühle können hier vorgeschlagen werden, wir werden dann dafür Sorge tragen, dass sie in der Feststellungskommission vorgelegt werden. Bewerbungen für die Feststellungskommission ebenfalls hierhinein (angemessene Begründung zwingend erforderlich).


11.01.2006 | 14:24 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder | In eigener Sache

Eigenwerbung Riesenmaschine


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Was kaum jemand weiss: Die Riesenmaschine veranstaltet derzeit die riesigste Eigenwerbekampagne in ihrer Geschichte. Das obenstehende Banner ist auf Intro.de geschaltet und zieht von dort Schrillionen begeisterter Musikfans zur Riesenmaschine, von denen sich einige hier sogar wohnlich einrichten. Das Banner, designt und getextet von der kongenialen Gestaltungsikone Martin Baaske (der auch die komplette Maschine entwarf), nimmt auf die stark metacrossmedialen Aspekte der Riesenmaschine Bezug, indem trotz scheinbarer Bewegungslosigkeit typische Filmstaubkörnchen darauf herumblinken. Das textlich vorgetragene Eingeständnis, letztlich nichts anderes als eine Mensch/Maschine-Schnittstelle zu sein, ist eine versteckte Huldigung des Interface-Theoretikers Bill Buxton; die typologisch abgesetzte Temporal-Einschränkung "für zwischendurch" bezeichnet die Nähe zum fluffigen, aber doch nahrhaften Schokoriegel, dem Grundnahrungsmittel des aufgeklärt-intellektuell obsessiven Bürgers des 21. Jahrhunderts. Die Farben sind auch ganz schön.

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Die historische erste Printanzeige für ein Blog, die heute in der Jungle World auf Seite 27 erschienen ist, beinhaltet dagegen das Eingeständnis, durchaus Teil der Blogwelt mit ihren Macken und so zu sein. Nicht nur, dass hier ausschliesslich mit dem Pfund der übergrossen Selbstreferentialität gewuchert wird, nein, darüber hinaus stimmt die Aussage vielleicht auch nicht, wir haben es jedenfalls nicht ernsthaft überprüft. Da wir aber fest davon überzeugt sind, dass – egal von welchem Blog – die erste Printanzeige für ein Blog genau so hätte aussehen müssen, haben wir das nun nachgeholt. Oder eben doch als Erste gemacht, wer kann das schon sagen, Printanzeigen kann man eben nicht so richtig googeln. Diese Anzeige wird darüber hinaus gescannt werden, als Banner für die Riesenmaschine fungieren und damit ein kaum gekanntes und vielleicht auch nie gewolltes Ausmass an Metametamedialität erreichen.


10.01.2006 | 11:55 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Gewürze, das Salz in der Suppe


Dass es überhaupt Curryfrüchte gibt! (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Der Chinesische Eidechsenschwanz, Römischer Quendel, Gagel, Gerbersumach, Kirchenseppl, Keuschlamm – all das sind mittelhochdeutsche Beschimpfungen aus dem 12. Jahrhundert Gewürze, die nicht durch lustige Namen auffallen, sondern zumindest im deutschen Kochalltag nicht gerade durch aggressive Überpräsenz glänzen. Weniger noch, der moderne, urbane Haushalt verfügt über geschätzte vier Gewürze, nämlich Salz, Pfeffer, Maggi und eine Würzmischung (Steak, Curry oder Provence), in bestimmten Lebensstadien (enttäuschtes Singletum, frisch zusammengezogene Pärchen) kommt frisches Basilikum dazu, um den tristen Alltag in scheinmediterranem Tomatenmozzarellaolivenöl zu ertränken. Dabei sind Gewürze so viel mehr als nur Namensgeber für Wunderbäume! Was, wie, warum, woher und wo Gewürze sind, wie sie heissen, wie sie auf laotisch, estnisch, hmong, ungarisch und anderen Sprachen heissen, was man mit ihnen machen kann und ihre Geschichte erfährt man auf der unbedingt empfehlenswerten Gewürz-Seite von Herrn Gernot Katzer von der Universität Graz.
Auch für Nichtgourmets hält Herr Katzer Wissenswertes bereit, mein Berliner lokalpatriotischer Currywurststolz etwa fiel weinend in sich zusammen, als ich erfuhr, vermutlich noch nie Curry gegessen zu haben, sondern nur die als Ersatzdroge von englischen Offizieren geschmacksimitierte Gewürzmischung, weil echte Curryblätter ihren Geschmack verlieren, wenn sie getrocknet werden. Adieu grossartige Currywurst, hallo armselige Würzmethadonwurst.


09.01.2006 | 16:56 | Sachen kaufen

Smart kurz vor dem Riesen-Redesign


Steinmeier: Iran spielt mit dem Feuer (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wie wir von ntv erfahren, steht die gefühlte Kleinwagenmarke Smart zum Verkauf. Dabei ist laut eines Insiders klar, dass Daimler Chrysler noch Geld drauflegen muss, um den wirtschaftlichen Totalschaden Smart loszuwerden. Im Rahmen einer überraschenden antizyklischen Line Extension Strategy hat sich die Riesenmaschine entschlossen, Herrn Dieter Zetsche, dem Vorstandsvorsitzenden von Daimler Chrysler, hiermit ein Angebot von -10,0 Milliarden Euro (VB) zu machen (freibleibend bis 30.01.2006). Um zu beweisen, dass wir nicht vollkommen unvorbereitet an die verantwortungsvolle Aufgabe des Automarkenbesitzes gehen, haben wir bereits ein umfassendes Relaunch-Konzept erarbeitet, dessen Ergebnis im Bild angedeutet ist. Es handelt sich dabei um das Modell "Clever", das unserer Ansicht nach den Kleinwagenmarkt revolutionieren wird. Herr Zetsche, wir erwarten gespannt Ihre Nachricht bzgl. der Transaktion.


07.01.2006 | 16:59 | Alles wird schlechter | Zeichen und Wunder

Drama Firmensongs geht weiter

Würde man gegen schlechte Werbung kämpfen, wäre es, als würde man sich mit Godot dazu verabreden, Sysiphos beim Felsenrollen zu helfen. Dass es gleichwohl nötig wäre, zeigt besonders schmerzhaft ein bereits häufiger besprochenes Thema, das einem die unterträgliche Seichtigkeit des Reims (wenn er schlecht ist) vorführt: Corporate Songs, Firmenlieder.

Anzufangen wäre eine unvollständige Übersicht mit dem bekannten Klassiker Westaflex, der sich auf der lyrischen Überholspur mutig vorwagt:
Die kontrollierte Wohnungslüftung Westa Air Control
Verbindet gute Luft und Wärme, ja, man fühlt sich richtig wohl,
unser gut geschultes Mitarbeiterteam ist motiviert,
weil die Zufriedenheit unserer Kunden grossgeschrieben wird
Filterluft und Abgastechnik – Westaflex

Dazu bemerkte Tex Rubinowitz korrekt, dass sich der Westaflex-Song anhört "wie die nie vermisste Verbindung zwischen Die Ärzte und Max Goldt". Es gibt inzwischen auch einen von Kindern gesungenen zweiten Song der sympathischen Abgastechniker.


Firmenliedbesitzer (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Aber nicht nur im maschinenbaulichen Bereich werden Firmenphilosophien vertont, auch Unternehmensberatungen wie Ernst & Young fühlen sich berufen, Gospelsongs wie "Oh Happy Day"(mp3-Download) umzudichten:
Oh happy day
when Ernst & Young
showed me a better way

Bei der grossen Konkurrenz auf dem Beratungsmarkt ist es kein Wunder, dass KPMG mehr tun musste, als nur mit einem eigenen Song (mp3) nachzuziehen:
KPMG – as strong as can be
a team of power and energy
we go for the gold
together we hold to a vision of global strategy


Im Wissen jedoch um die Aktuatlitätsverpflichtung und die Forderung der Kunden um präzise Markt- und Zielgruppenkenntnis bis in die Niederungen der Subkultur hinein, forcierte man einen Jungle Remix des KPMG-Songs, ebenso wie eine Hardrock-Version und als Bonusbonbon, man möchte vor Freude weinen, tatsächlich einen Teutonic Mix, der sich mit seinen Marschmusik-Elementen, dem wochenschauesk vorgetragenen Text und seinem Filmmusikstart anhört wie das Lied, zu dem Hans Zimmer, Rammstein und der Wagner-Clan Gruppensex haben.

Dass Corporate Songs nicht immer die gleiche Mischung aus Popimitat und Softrock-Surrogat enthalten müssen, zeigt ebenfalls das Con-Dentallabor, das mit einem famos heiteren Ragga-Bongo-Liedchen um Kunden wirbt. Auch der Text ist in jamaikanisch akzentuiertem Deutsch gehalten:

Zuerst fange sie zu wackeln anne
das keennt doch irgendwie jedamann
..
wier siend daas Con-Dentallaboorr
bai Zähnen macht uuns keiner wase vore
..
ist der Unterkiefere wege
ersetzene wir ihhn Dier komplette

Das Lied kann durchaus häufig hintereinander gehört werden, eine gewisse Fröhlichkeit kann man ihm nicht absprechen, ebenso wenig wie dem Con-Dentallabor Mut (zur Lücke).


Firmenlied- und Radrennenbesitzer (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Fast in normpop-hanseatischer Biederkeit präsentiert sich dagegen die Hymne der Hamburgischen Electricitäts-Werke HEW, ein Lied, dessen Intention sehr schwiemelig plump daherkommt. Es geht nämlich darum, dass sich zwar der Name des Energieversorgers ändern sollte – die Tradition jedoch bestehen bleiben sollte:

Wir sind Hamburg, ja, Hamburg sind wir,
die Energie dieser Stadt, die liefern wir,
ein Name verschwindet, doch wir bleiben wir,
egal welcher Name, egal wie man heisst,
ja, wir sind Hamburg – in altem Geist


Modern dagegen gibt sich Windmann Glas mit einem Lied namens "Welt aus Glas", das "die Klangwelt Glas" erzeugen sollte. Es ist selbst im internationalen Vergleich professionell gemacht, hat einen vertonten Weichzeichner-Charme und hört sich an, als hätte Wham auf Prozac eine Ode an Glas geschrieben. Der Text kackt dagegen eine Nuance ab, ist aber konsequent und nennt immerhin nicht den Firmennamen.
Glas fasziniert, verschönert unsere Sicht,
eine Welt aus Glas ist eine Welt voller Licht



Firmenliedbesitzer (nicht im Bild) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Licht und Energie scheinen thematisch und inhaltlich die Existenz von Firmensongs zu fördern, denn auch internationale Energiekonzern BP hat sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen entschlossen, eine an vertruckter Western-Piefigkeit nicht zu übertreffende Firmenhymne in die Welt zu setzen "BP – Wir bringen Sie in Schwung" (auf Firmensong klicken, dann die kleinen Lautsprecher anwählen):

Manchmal fährst Du mit dem Wind,
Du siehst die Sonne, die versinkt,
immer weiter gradeaus,
komm' halt mal an und ruh Dich aus
BP – wir sorgen für Bewegung
BP – wir bringen Sie in Schwung

Nicht nur, dass im Text des Liedes zwischen "Du" und "Sie" alle paar Sekunden gewechselt wird, auch der Inhalt bleibt völlig unklar, ausruhen oder in Schwung bringen, was denn nun?


Firmenliedbesitzer (zwei) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Auch die Post hat bei derselben Firma einen Firmensong herstellen lassen:
Kleb mal ne Marke drauf – Deutsche Post
Es ist Dein grösster Traum, dass Du Deine Liebste in den Armen hältst,
schreib Ihr 'nen Brief und kleb 'ne Marke drauf, damit Du Dich nicht endlos quälst,
denn das sagt mehr als mancher Blumenstrauss zu sagen vermag
und die Antwort bringen wir, na klar, schon am nächsten Tag

Diesem Text ist letzlich nichts mehr hinzuzufügen, was nicht sowieso durch die lachtränenerstickte Stimme kaum zu hören wäre.

Eine abschliessende Beurteilung der Firmensongs ist zwar kaum möglich, weil die Bandbreite der Unfassbarkeiten ein Mass erreicht, dem man mit Worten kaum gerecht werden kann. Festzuhalten bleibt aber zweierlei. Zum einen besteht der Holz-Weg zum Firmensong an sich aus aneinandergelöteten Fettnäpfchen verschiedener Grössen, Ausnahmen: Keine. Zum anderen ist selbstverständlich der Riesenmaschine-Song bereits im Stadium der Planung. Wo er hoffentlich auch noch lange bleiben wird.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Arbeiterlieder


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