Riesenmaschine

16.11.2008 | 07:13 | Berlin | Alles wird besser | Sachen anziehen

Die Revolution ist das Shirt


Vorher: Das revolutionäre Shirt über dem Plakat unter den Yorck-Brücken in Berlin-Kreuzberg

Nachher: Das Plakat ohne das revolutionäre Shirt, das sich jetzt auf mysteriöse Weise ins rote China verflüchtigt hat
Auf wohl einzigartige Weise wirbt man zur Zeit an einigen Orten in Berlin für die noch bis zum 25. Januar 2009 laufende grosse Beuys-Ausstellung "Die Revolution sind wir" im Hamburger Bahnhof. Über dem Plakat zur Ausstellung, das einen Menschen zeigt, der ein weisses T-Shirt mit der Aufschrift "Die Revolution sind wir" trägt, hängt, mit schwarzem Gaffer-Band befestigt, ein echtes weisses T-Shirt mit der Aufschrift "Die Revolution sind wir". Dabei handelt es sich keineswegs um Billigware aus China, sondern um ein echtes "Fruit of the Loom" "Heavy Cotton"-Qualitätsshirt in XL aus El Salvador. Nimmt man dieses jedoch ab, kommt gleich darunter ein Foto des zerknitterten Mannes mit dem Hut zum Vorschein, der 1971 das Ausstellungsmotto formulierte, damals allerdings auf Italienisch : "La rivoluzione siamo noi".
Das ist nun tatsächlich einmal revolutionär geworben, und von uns aus könnte dieses Beispiel Schule machen. Die Modekette pappt also demnächst echte Röcke, Unterwäsche oder Pullunder an die Plakatwände, der Bierwerber stellt je einen vollen Kasten Bier davor, an der Zigarettenwerbung klebt eine ganze Stange Zigaretten, und ein jeder, der eines solchen Produkts bedarf, kann sich jederzeit direkt am Werbeträger frei bedienen. Damit entfiele dann allerdings auch die Notwendigkeit eine Revolution zu machen, denn wenn "jedem nach seinen Bedürfnissen" gegeben wird, wäre das ja bereits Kommunismus. Wer aber braucht dann noch Ausstellungen, die für die Revolution revolutionäre Werbung machen? Und wieso ist Joseph Beuys bzw. die Revolution eigentlich ein Shirt?

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (12)


08.11.2008 | 01:10 | Berlin | Alles wird besser | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Askuxus


Foto: Sascha Lobo
Noch vor wenigen Jahren war viel vom Luxese-Trend zu hören und zu lesen. Der Deutsche, hiess es da, spare am einen Ende, nur um das Geld am anderen umso unbeschwerter zu verjuxen. Diese schönen Zeiten sind vorbei, jetzt muss mit beiden Händen gespart werden. Der Blumenstrauss zur Krise stammt vom vorausschauend benannten "Blumen und Pflanzen"-Händler in der Skalitzer Strasse, Kreuzberg, und besteht aus gerupften und bunt angesprühten Kohlpflanzen. In einem Treptower Geheimlabor brüten währenddessen die letzten DDR-Spezialisten für die Herstellung von Fischstäbchen aus Sägemehl und Ananaskompott aus Runkelrüben über einer Formel zur Erzeugung eines brauchbaren iPhones aus Zellulosefasern und ein, zwei alten Taschenrechnern. Dieser Beitrag besteht übrigens aus ... ach, das wollen Sie gar nicht wissen.


31.10.2008 | 12:11 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Demnächst alles viel günstiger, vielleicht

Umgehend reagiert auf die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Bielefelder Kesselklause, höchst antiidyllisch am so genannten Kesselbrink der ostwestfälischen Grossstadt gelegen. Die "Sportsbar" wirbt für sich selbst mit einem Aushang im Fenster: "Demnächst hier: Happy Hour." Wann allerdings die dem Kunden schlägt, wird angesichts der unsicheren Wirtschaftslage – gehen die Kurse an der Bierbörse morgen steil nach oben oder fallen sie in den Keller? – lieber nicht angegeben. Mag also sein, dass damit ein neuer Werbetrend eingeläutet wird, und wir demnächst auch anderen Ortes lesen: "In nicht ganz absehbarer Zukunft vielleicht mal Sonderangebote bei uns im Edeka". "Möglicherweise wird bei Kaufhof alles viel billiger, irgendwann" bzw. "Wir überlegen noch, ob wir in nächster Zeit Rabatte auf irgendwas gewähren. Ihr Mediamarkt". Warten wir es geduldig ab.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (17)


24.10.2008 | 11:23 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Mobilität, quo vadis

Besserung ist in Sicht, denn die Visionäre von N55 haben soeben das Walking House erfunden (via Technovelgy). Eine hexagonisch geformte Wohnzelle mit sechs Beinen, die eine Fortbewegung in angenehm langsamem Tempo erlaubt. Aber dafür hat es viel Zeit, das Haus: Lässt man sich nur ein Jahr lang stetig herumlaufen, so hat man die Erde einmal umrundet; in nicht mal einem Jahrzehnt ist man bis zum Mond gelaufen – ohne ein einziges Mal vor die Tür gegangen zu sein. Und wer an dieser Stelle fragt, warum man nicht gleich Räder verwendet, der soll bitte noch mal angestrengt nachdenken. Räder, die Perversion des Sinnlosen, lachhaft.

Wir sind an einem kritischen Punkt angekommen. Einerseits erfordert das wirtschaftliche und gesellschaftliche Umfeld zunehmend ein extremes Mass an Mobilität – kaum noch jemand findet seine spezifischen Vorlieben für Job oder Sexualpartner an einem einzigen Ort befriedigt. Andererseits aber ist Mobilität immer noch dermassen unpraktisch, dass viele sich seufzend ins Kompromissdorf zurückziehen, irgendjemanden heiraten und nur noch mit dem Hund rausgehen. Das Grundproblem: Die Lebensqualität im Unterwegszustand ist unerträglich niedrig. (Wer das bestreitet, soll mal versuchen, auf Flughafensitzen zu schlafen, egal mit wem.)

Für diesen Beitrag wurde die klassische Riesenmaschinen-Struktur AB (Problemstellung – Lösung) kurzerhand umgedreht. Because we can!


19.10.2008 | 13:17 | Berlin | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

The Media is the (ehrliche) Message


Vermessenes Stück: Da war wohl jemand mit dem Zollstock vor Ort (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Graffiti gilt nun eher nicht als Subkultur mit Selbstwertproblemen. Selbst arg mittelmässige Maler fühlen sich berufen, ihre Namen und Motive ins Stadtbild zu setzen, und weder Talentlosigkeit noch Geldstrafen scheinen zu helfen. Wie erfrischend wirkt da jener Schriftzug in der Köpenicker Strasse in Berlins Mitte, der seinen Anspruch zum Ausspruch macht. Beinahe mag man hoffen, die neue Ehrlichkeit möge erst in angrenzende Jugendkulturen übergehen, um später zum allgemeinen Prinzip zu werden. Noch schöner wäre nur, wenn noch mehr Redebeiträge, in welcher Form auch immer, genau das sagen, was sie wollen. Eine Leuchtschrift "Aufmerksamkeit & Licht" (alternativ auch gerne "Leuchtschrift"). Oder noch mehr Bands, die in Liedern beschreiben, wie das Lied so wäre, wenn es wäre (während dann ja schon ist). Oder auch junge Männer, die auf Partys erklären, dass sie es schön finden, in einer Welt zu leben, in der man sich darüber unterhalten kann, dass man nicht weiss, worüber man sich unterhalten soll.


... 10 11 12 13 14 [15] 16 17 18 19 20 ...

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Schweinchen-Dick-System abschaffen

- Kwellersben

- Bistro im Vorderhaus

- kontrollierter Amoklauf

*  SO NICHT:

- Everest besteigen (over)

- uninformierte Uniformierte

- Hemd in die Hose

- Komplexbrigaden


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Separate Lies", Julian Fellowes (2005)

Plus: 21
Minus: 72, 74, 88
Gesamt: -2 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV