Das Gürtellicht zieht uns magisch an. (Foto: jmanners) (Lizenz) Viele wichtige Dinge entgehen uns Menschen, weil wir keinen Sinn haben dafür. Neutrinoschauer, Alphazerfall und der Schmerz derer, die wir im Vorübergehen verletzen, sind nur drei wahllose Beispiele. Nicht wallos, andererseits, ist das Beispiel Erdmagnetfeld, denn zwar können Wale und allerlei anderes Gelichter vermutlich die Feldrichtung sehen, aber uns Affen blieb bislang zum Angucken nur die mittelbare Magnetfolge Nordlicht als Poster für die Toilettentür (innen, aussen hängt ja schon Friedrichs Eismeer).
Kognitionsforscher König in Osnabrück schaffte hier Abhilfe mit einem Gürtel mit 13 Handyvibrationsklingeln drin, der das Magnetfeld ausmisst und dem Träger per Vibration ständig anzeigt, wo es nach Norden geht. Endlich ständig wissen, wo es langgeht, ein Menschheitstraum wird wahr. Einen Neutrinosinn kann man sich ja bekanntlich durch Pilzeinnahme wachsen lassen, und Alphateilchen lassen sich mit Tumoren detektieren, fehlt nur noch ein Sinn aus der Beispielliste. Und wer braucht den schon?
Algenfarm, ca. 1850 (Foto: jurvetson) (Lizenz)Das Gute an der Zukunft ist dass sie immer etwas zu wünschen übrig lässt. Auf viele Neuerungen kann man sich sein ganzes Leben freuen. Gutzuheissen ist jedenfalls, wenn sich junge Leute an die Zukunftspläne der Alten erinnern und sich beispielsweise mal wieder an Biosphäre-Experimenten versuchen, wobei sie sich für 14 Tage in eine Unterwasser-Box einsperren lassen, in der Algen Nahrung und Sauerstoff erzeugen, der Jungforscher aber den Strom über Muskelarbeit. Besser wäre es aber gewesen, wenn er sich vorher über Alternativen informiert hätte. Als Australier hätte er nun wirklich wissen sollen, dass man zur Stromerzeugung Pinguine einsetzt.
Wo ist hier bloss der Witz?"Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts", sagt Immanuel Kant in der Kritik der Urteilskraft. Und im Prinzip sagen das die meisten anderen Lach- und Humortheoretiker auch: Es muss mindestens etwas Überraschendes sein, das uns Lachen macht. Warum aber lachen manche Menschen immer wieder über uralte Witze, längst verbrauchte Wortspiele, simple Rechtschreibfehler. Woran liegt's? Genetischer Defekt, das Alter, Komplettkaputtness? Schön wäre es, wenn die Wissenschaft mal diese Frage klären könnte. Gemeint sind Wissenschaftler, keine Freudianer, bitte! Hinhauen tut dagegen Kants alte These bei folgender Passage aus dem jüngsten Buch von Helmut Schmidt, in der der Altbundeskanzler seine Begegnung mit Mao Tse Tung im Jahr 1975 schildert, wobei Kant selbst eine kleine Rolle spielt: "Er begrüsste mich mit den Worten: 'Sie sind ein Kantianer', was so nicht stimmte, und sagte dann: 'Und ich bin ein Marxist.'" Tatsächlich: Grosse Overtüre, gespannte Erwartung, und dann das aller Welt Bekannte, somit das Nichts. Sehr komisch. War also Mao – dessen zweiter Sohn übrigens vorletzte Woche im Alter von 84 Jahren gestorben ist – letztlich der Kantianer? Auch dazu schweigt die Wissenschaft.
Bildschirmunterschrift (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Was oft verschwiegen wird: Die ach so futuremässige Zukunft ist eine der ältesten Veranstaltungen überhaupt, schon Thomas Morus hat an ihr herumgeschraubt und das war 1516, der Lateiner kannte den Zukunfts-Nachfolger Futur II schon vor Christi Geburt. Noch müssiger als über die Zukunft nachzudenken ist, über die Zukunft in der Vergangenheit nachzudenken, sich also Gedanken zu machen über die Gedanken, die in der Vergangenheit die Zukunft bestimmt haben, wie Jules Verne, der grossen alten Salonschwuchtel der Science Fiction.
Ein zentrales Gestaltungselement der vergangenen Vorstellung über die Zukunft ist der Bildschirm im öffentlichen Raum. In Metropolis entwirft Fritz Lang zwar das Bildtelefon, kriegt aber die Abzweigung Richtung Stadtmöbel Bildschirm noch nicht so recht hin. Den Bildschirm als Accessoire der Zukunft thematisiert Hugo Gernsback in seiner epochalen Zeitschrift "Amazing Stories". "Das neue Universum"-Autor Hans "The Freshest Fascist" Dominik spricht in seinem 1934er Buch mit dem glänzenden Titel "Das stählerne Geheimnis" von Bildschirmen in der Stadt, dann geht alles ganz schnell, Harry Bates und danach John W. Campbell geben in den 1930er Jahren "Astounding Stories of Super-Science" heraus, in dem heftig durch das halbe Universum gebildschirmt wird, im Film "Alarm im Weltall" werden 1956 bildschirmähnliche Grossdekorationen eingesetzt, mit "Der Schweigende Stern" hält der Grossscreen Einzug in die DDR-Science-Fiction, in den 1960er Jahren werden screenintensive Fernsehserien wie Star Trek und Raumschiff Orion im Dutzend auf den Markt geworfen und fortan ist der Bildschirm exzessiv von "Blade Runner" über "1984" bis "Brazil" zentrales Gestaltungselement; die sich überlappenden und bewegenden Werbe-Projektionen in "Minority Report" stellen den vorläufigen Höhepunkt dar, die glänzende Zukunft ist voller Bildschirm, schon immer gewesen, vorgestern, gestern, morgen, übermorgen. Und heute? Heute disqualifiziert sich wieder mal durch platteste Profanität, indem der Screen zwar allgegenwärtig geworden ist, wie vorausgesagt, aber anstatt Botschaften von fernen Sternen zu transportieren, kommt bei Obi im Schraubenregal Spax TV mit einer Videoanleitung zum Selbstschrauben. Vonnegut pulkte sich im Poloch.
Die meisten Gegenstände kann man anfassen, die meisten Sachverhalte kann man doof, die meisten Abstraktionen unbegreiflich finden. Nicht so die Zeit. Niemand weiss, was sie ist oder soll, nicht mal ganz dumm stellen hilft. In der für sie heutzutage zuständigen Disziplin Physik kommt sie nur implizit vor, als Indexvariable dynamischer Prozesse, und, in Form des Zeitpfeils, als Logikrätsel. Wenn doch alle Naturgesetze in der Zeit umkehrbar sind, warum gibt es dann eine Vergangenheit und eine Zukunft? Gibt es eine kleinste Zeiteinheit, ein Chronon, und wenn ja, wo kann man es kaufen? Und wenn die Relativitätstheorie zu Recht Raum und Zeit zu unterschiedlichen Aspekten eines zugrundeliegenden Unbegreiflichen erklärt, einer enormen, verbeulten Gummizelle namens Universum, warum kann man dann nicht die paar hundert Kilometer nehmen, die man zu weit von jemandem entfernt wohnt, und sie in ein bisschen mehr Zeit verbiegen? Oder die Zeit, die man mit den Links im vorigen Beitrag verschwendet hat, in einen Umzug oder einen Marathonlauf umtauschen? Aber wahrscheinlich ist die Zeit nur ein Schwall kalten Wassers, der einem regelmässig über den Kopf gegossen wird, und man kann nichts machen.