Riesenmaschine

17.02.2007 | 12:18 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Eine kurze Werbegeschichte vom Töten


Foto: Gabriel Yoran
Dass der Mobilfunkprovider E-Plus seine letzte Werbekampagne "Mach Schluss, mach Plus", auf "Mach was, mach Plus" ändern musste, hat natürlich nichts damit zu tun, dass sich vorrangig faule Suizidale angesprochen gefühlt haben ("Ich glaub, ich mach heute mal früher Schluss").

Und Quatsch ist selbstverständlich auch die These, man könne Produkte nicht verkaufen, indem man "tötet" draufschreibt. In rot. Und gross. Das Gegenteil ist der Fall: Man muss sogar "tötet" draufschreiben. Kleenex "Anti-Viral"-Taschentücher jedenfalls werden neuerdings mit dem Hinweis "tötet 99,9% der hauptsächlichen Erkältungsviren" vermarktet. 1984 hatte der Kleenex-Konzern Kimberly-Clark es schon einmal mit den toughen Tüchern probiert, ist damals aber über das Leistungsversprechen "virucidal" gestolpert. Der Aufdruck soll die US-Kundschaft angeblich zu sehr an suicidal erinnert haben. Fragt sich bloss: Wie kann man etwas töten, von dem man nicht mal genau weiss, ob es überhaupt lebt?


15.02.2007 | 13:25 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Neue Töne von Fluidem


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Post-Newton ist Einstein, aber nicht-Newton ist Senf. So einfach könnte man die wesentlichen physikalischen Erkenntnisse der letzten 500 Jahre zusammenfassen. Das fluiddynamische Element der Welt wäre nämlich entschieden einfacher, würden sich zahlreiche relevante Flüssigkeiten wie Klebstoff, Käse, Sand, Sterne, Lava, Walinnereien, Mist, Schmiermittel oder eben Senf nicht benehmen wie die Narren: Mal wie Beton, mal wie Wasser, mal wie Gummi, es ist nicht auszuhalten mit nicht-newtonschen Flüssigkeiten, jedenfalls nicht, wenn man Physiker ist, weil ihre Viskosität (nicht die der Physiker) so schwankend ist "wie ein Diadem auf dem Haupte einer Kuh" (Heinz Erhardt, circa 1610). Ist man aber kein Physiker, und wer ist das schon freiwillig, dann folgt aus diesem fluidem Durcheinander in Kombination mit einer Badewanne eine herrliche Schweinerei. Noch besser scheint auf den ersten Blick nur das Jelly-Bad vom englischen Hersteller, äh, Gellibaff, zu sein, welches durch Zutun eines harmlosen Pulvers das vollkommen newtonsche Wasser in nicht-newtonsches Wackelzeug und später offenbar auch wieder zurückverwandelt, und zwar abwaschbar und fleckenfrei. Gesellschaftsspiele im Viskositätsirrgarten, warum mussten zwei Weltkriege vergehen, bevor man davon hört?


14.02.2007 | 03:31 | Alles wird besser

Die Religion der Musik


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Die Art, seine täglich Musik zusammenzustellen, ist die neue Religion und sie ist besser als die alten. Last.fm-Gläubige sind Buddhisten, die ihr Innerstes auch anderen zugänglich machen wollen. Pandora-Anhänger sind Atheisten, die Zahlen und Wissenschaft mehr vertrauen als dem Glauben an ein höheres, verbindendes Musikwesen. iTunes-Nutzer sind leicht rückschrittlich, weil sie nur bekannte Musik hören können, dafür lässt sich iTunes fast beliebig feinjustieren, wie man es gerade braucht; Christen also. Anhänger physischer Musikträger leben gefühlt im Jahr 1428, sind also Muslime. Schliesslich gibt es auch AOL-Radio, das aus technischen Gründen häufiger in der Presse ist, als es die Anzahl der Anhänger vermuten lassen würde.

Und nun gibt es eine neue neue Religion. Sie heisst Musicovery und funktioniert nur noch mit Stimmungen und Musikrichtungen. Ihre Stärke ist, dass die Feinjustierung der gespielten, neuen Musik nicht über tumbes Ja-Nein-Geschreie funktioniert, sondern über die selbst eingestellten Stimmungen, parallel dazu die äusserst notwendige Baujahreingrenzung, was soll man mit Musik aus den 90er Jahren? Da nimmt man gern in Kauf, dass eine LowFi-Version kostenlos ist und die HiFi-Version wenige Dollar im Monat kostet. Dafür ist auch alles schön bunt und noch webzweinuller als in den kühnsten Träumen jedes Venture-Capital-Vogels. Der allerbeste Vorteil ist jedoch, dass man, wie im Steuerfeld nebenan zu sehen, Reggae einfach ausschalten kann.


11.02.2007 | 17:24 | Alles wird besser | Listen

Mein Kunde Harvey


Privater Mailverkehr anderer Leute. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Aus der deutschen Ferne konnte und kann man kaum die Spektakularität und die weltwirtschaftliche Gefahr der Enron-Pleite begreifen. Dabei ging es weniger um die Veruntreuung von Milliarden Dollar aus den Rentenkassen, als vielmehr um die kunstvolle Art der Luftgeschäfte; man könnte von der dritten Ableitung des Luftgeschäfts mit sich selbst sprechen: Noch nicht existierende Waren wurden in Warentermingeschäften zu selbst eingeschätzten Preisen verkauft und dann sofort als Einnahmen verbucht (was von den Käufern nur deshalb akzeptiert wurde, weil sie nicht existierten, sondern im Geheimen selbstgegründete Offshore-Firmen waren), womit wiederum Bankkredite abgesichert wurden. Die hervorragende, unterhaltsame Dokumentation "Enron: The smartest guys in the Room" zeigt, wie Enron drohte, das amerikanische Finanzsystem zum Kollaps zu bringen.

Man kann sich diesem Fall aber auch unendlich viel detaillierter nähern, denn im Zuge der Untersuchungen veröffentlichte die US Federal Energy Regulatory Commission alle internen Mails der Führungsebene von Enron von 1999 bis 2002. Die klugen Werbeverantwortlichen der Firma Trampoline Systems luden alle 200.000 Mails herunter und speisten sie in ihr famoses Visualisierungs- Archiv- und Suchsystem. Dort liegen sie nun und können nach Stichwörtern, Urhebern und Herzenslust durchsucht werden. So kann Werbung also auch funktionieren.


11.02.2007 | 03:17 | Anderswo | Alles wird besser

The Big Not So Easy


"Ich mache nur Pause, lalala." (Foto: Mahatma4711)
"It's a bloody freeway, we have it all figured out", so sagte 1995 Bergführer Scott Fisher über den Mount Everest, "The Big E" (im Gespräch mit Jon Krakauer). Ein paar Monate später war Fisher gestrandet irgendwo in der Todeszone, auf einer leicht abschüssigen Stelle zwischen South Col und Everest. Dort klickte er auf "make this my default location" und liegt seitdem still, zusammen mit mittlerweile fast 200 Kollegen. Immerhin kann niemand geschmacklose Grabvegetation anpflanzen. Damit solcherlei Kalamitäten in Zukunft weniger oft vorkommen, hat man sich in Neuseeland innerhalb der letzten sechs Jahre die Alpenwespe ausgedacht (via medgadget): Ein unbemanntes, dieselbetriebenes Drohnendröhnding (DDD), das nicht nur bis ganz nach oben hubschraubern, sondern auf dem Rückweg auch noch zwei sterbeunwillige Gestalten am Seil nach unten hieven kann. Man lernt daraus dreierlei: a) Die Luft ist dort oben gar nicht zu "dünn" für Hubschrauber, wie man immer hört, man darf sich nur nicht so ungeschickt anstellen. b) Man kann sich das Geld für den Freeway oder die Eisenbahn, wie es sie am Eiger gibt, schön sparen. c) Es besteht absolut kein Grund, einem halbtoten, frostbeulengeplagten Bergsteiger mit Wasser in Hirn und Lunge einen spektakulären Abstiegsflug über 3.000 Höhenmeter, an einem Stahlseil hängend, allein mit einem fliegenden Roboter, vorzuenthalten. Man stirbt schliesslich danach nicht noch mal.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


... 60 61 62 63 64 [65] 66 67 68 69 70 ...

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Mouches volants

- Minen-Walking

- Explosionismus

- saubere Verfugung

*  SO NICHT:

- totales Chaos auf der obersten Ebene des Contentbaums

- Bauten der Angst

- Zimtsternbilder

- Expressionismus


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"The Haunting in Connecticut", Peter Cornwell (2009)

Plus: 32, 41, 80
Minus: 1, 42, 51, 148, 167
Gesamt: -2 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV