Riesenmaschine

20.06.2006 | 02:50 | Alles wird besser | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Die Toilettentiefseetaucher


Unterwasser, Marsch (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Roller, blöder (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wenn ein Produkt zu nichts, aber auch gar nichts nütze ist oder von einer solch abgrundtiefen Hässlichkeit, dass keine, wirklich aber auch keine Minderheit dieser Welt wenigstens eine Hassliebe entwickelt, dann versteigt sich ganz bestimmt jemand zu der Aussage, "die Zeit sei noch nicht reif gewesen". Wie und wo diese Zeit reifen soll, woran man merkt, dass sie reif bzw. irgendwann überreif und dann faul ist, sind Fragen, deren Antworten bis auf weiteres ausstehen. Und nie, nie, nie liegt der Misserfolg statt an der Zeit einfach daran, dass die Erfindung unsinnig, unansehnlich oder unnötig ist.

Eine dieser Erfindungen, die dennoch aus dem Strassenbild verschwand, war der City Cruiser C1 von BMW, eine überdachte, mobile Behindertentoilette für vormalige Kickboardfahrer. Nicht ganz verschwunden, wie man nun erfahren muss, denn dem Gefährt ist offenbar eine submarine Wiedergeburt unter dem Namen ScubaDoo vergönnt. Wenig überraschend, immerhin ist in den dunklen Tiefen des Meeres die Hässlichkeit kaum noch von Bedeutung. Dass der ScubaDoo immer noch von senioresker Missgestalt ist, fällt auch angesichts der hervorragenden Features, einer sinnigen Mischung aus historischem Tauchhelm und Eiserner Lunge, kaum ins Gewicht.

Die Zielgruppe des ScubaDoo dürfte sowieso eher unter den kaufkräftigen, agilen Alten zu finden sein. Warum den senilen wie aktiven Herrschaften aber nicht gleich ein echtes Luxus-U-Boot angedreht werden soll bleibt unverständlich. Immerhin gibt es die preiswerte Volksausgabe schon für nur 1,5 Millionen. Aber dererlei kleingeistige Einwände haben ja schon den C1 dem Scheitern Preis gegeben – und sollen an diesem zukunftsfreudigen Ort daher keinen Platz bekommen. Vielleicht ist ja alles nur eine Frage der Zeit und bald, sehr bald, wird man die Augen öffnen und merken: Die Zeit ist reif. Der C1 ist ein hervorragendes Vehikel. Und der ScubaDoo eine ganz wundervolle mobile Unterwasserbehindertentoilette.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Rolling Stones


19.06.2006 | 13:01 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Was darf Taxidermie?


Hier ist der Gesetzgeber gefordert. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es gibt Bereiche des Kunsthandwerks, in denen auch in unseren hart durchironisierten Zeiten Hirschgeweihe aus Plexiglas schon das Komischste der Gefühle sind. Einer der wenigen Lichtblicke auf dem mottenzerfressenen Feld der Taxidermie ist die Minnesota Association of Rogue Taxidermists, deren ziemlich irritierende Tiere hin und wieder in Ausstellungen zu sehen sind.

So gern wir tote Tiere der Lächerlichkeit preisgegeben sehen, muss man MART-Mitbegründerin Sarina Brewer allerdings vielleicht doch mal deutlich sagen, dass auch bei der Taxidermie irgendwo der Spass aufhört, und zwar da, wo Nagetiere verhöhnt werden. Wer Eichhörnchenkaraffen, Eichhörnchenkopf-Briefbeschwerer, Eichhörnchenmumien, Halsketten aus Eichhörnchenpfoten, Ohrringe aus Bisamrattenfüssen und Zak-McKracken-Doppeleichhörnchen wie das abgebildete herstellt, wird nach dem Tod in einer Spezialhölle von weissbekittelten Rodentien zusammenplastiniert. Vielleicht auch schon vorher!


15.06.2006 | 15:51 | Alles wird schlechter

Das Kaugummifach


Foto: Markus Rechlin
Die grosse Geigenvirtuosin Anne Sophie Mutter hat einmal gemeint, Musik sei kein Kaugummi-Fach, die Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Neue Musik am Leininger-Gymnasium Grünstadt Silke Egeler Wittmann hält dagegen, sie behauptet, dass man sehr wohl mit dem Kaugummi Musik machen und sogar dazu tanzen könne. Und schon 1949 bewies Friedel Hensch mit ihrem Schlager "Mein Kaugummi", dass man ihm durchaus auch eine musikalische Note abgewinnen kann, und das zu einer Zeit, als Kaugummi (in Deutschland zumindest) noch in den Kinderschuhen steckten. Auch in einem WamS-Artikel über die "musikalische Versteppung in Familien und Kindergärten" stellt der Autor ebenfalls fest, dass Musik zum Kaugummifach verkommen ist, und "dass Singen nach 1945 als faschistoid verteufelt wurde." Vor 45 war vermutlich Gummikauen faschistoid.
Aber was ist eigentlich ein Kaugummifach? Bei Google gibt es nur 14 Einträge, jemand verkauft bei Ebay gebrauchte Kaugummischachteln mit teilweise leeren Kaugummifächern, in Putlitz-Berge wurde eine rote Plastikuhr mit Kaugummifach gefunden (Nähe Eiskafe Borchert), und in einem Audi-Forum gibt jemand Tipps, wie man das Kaugummifach im Wagen ausbaut.
Wo landen eigentlich all die ausgekauten Gummis? Natürlich auch bei Ebay, im April konnte man dort einen riesigen Haufen kaufen. Und jetzt ist festgestellt worden, dass ausgerechnet im adretten Zürich die grösste Vielfalt von Kaugummi auf dem Pflaster zu finden ist. Ganz Zürich ein einziges Kaugummifach?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Die Bratwurst verkneifen

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


15.06.2006 | 09:50 | Nachtleuchtendes | Alles wird schlechter

Im Winter ist es nachts wärmer als ohne Flugzeug


Kondensstreifen entstehen, wenn sich Wolken und Linien paaren
Die Welt wäre zweifellos übersichtlicher, hätten Dinge nicht die Eigenschaft, unerwartet ganz andere Dinge zu verursachen, Dingfortpflanzung. Beim Schmetterlingseffekt zum Beispiel führt das von einem in China umfallenden Sack Reis ausgelöste kühle Windchen zu Schnupfen bei einem Schmetterling in Amerika, der Schnupfen überspringt alle gesellschaftlichen Barrieren und Artenschranken, und ZACK! gibt's in Europa Schmetterlingsgrippepanik und Hamsterkäufe. Legt die Panik sich dann wieder, werden die Hamster an Autobahnraststätten ausgesetzt, es ist ein grosses humanitäres Elend, und alles wegen eines Sacks Reis.

Das ist natürlich alles Unfug, weil es für den Zusammenhang zwischen kaltem Luftzug und Schnupfen nach wie vor keinerlei Beweise gibt, aber es war ja auch nur ein Beispiel für unerwartete Kausalitäten. Hier ist ein anderes: Die manchmal von Flugzeugen verursachten Kondensstreifen reflektieren langwellige Wärmestrahlung zurück auf unser schmelzendes Walfischeis, gleichzeitig aber auch grade erst eintreffende Sonnenstrahlen zurück in den Weltraum. In der Bilanz wird es auf unserem Walfischeis ein bisschen wärmer dabei. Weil nun aber nachts die Sonne nicht scheint, und im Winter die Wahrscheinlichkeit von Kondensstreifen besonders hoch ist, haben Wissenschaftler sich jetzt in der Mittagspause überlegt, dass Nachtflüge im Winter besonders schlecht fürs Klima sind. Obwohl, so unerwartet ist die Kausalität ja gar nicht, hätte man sich eigentlich denken können. Warum kommen wir nie auf sowas?


12.06.2006 | 01:52 | Alles wird schlechter | Essen und Essenzielles

Ein Weltmeister aus Deutschland?


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die WM bringt es mit sich, dass die Werbung, normalerweise erpicht auf Alleinstellungs- und Unterscheidungsmerkmale, zu einer einzigen gleichförmigen und ununterscheidbaren Fussball-Sauce verschmolzen ist. Kein Möbelmarkt, keine Burger-Kette, kein Autohaus, der, die, das nicht mit einem wie auch immer konstruierten Fussball-Bezug – entweder als FIFA-Sponsor oder unter bauernschlauer Umgehung der FIFA-Richtlinien – aufwartet. Wie Nielsen Media Research herausgefunden hat und die Berliner Zeitung berichtet, ist die Zahl der Werbebotschaften mit Bezug zur WM im Mai auf 868 angeschwollen, darunter 294 neue TV-Spots. Weil alle das selbe zur gleichen Zeit tun, kommt es zur Resonanzkatastrophe; Werbung mit Fussballbezug wird zur Tarnung. Ein Werbemotiv, ganzflächig im Camouflage-Muster gehalten, wäre ein echter Hingucker dagegen.

Einige Botschaften stechen qua Werbedruck, Penetranz und Eigentümlichkeit dennoch hervor. Während das Gros der Marken auf Eintracht, Frieden und Völkerverständigung setzt, baut die ehedem als Symbol des globalen US-Imperialismus und "Impi-Brause" verschriene Coca-Cola voll auf das neue Wir sind wieder wer-Gefühl und schwingt die Patriotismus-Keule. "Statistisch gesehen wird Deutschland in Deutschland immer Weltmeister" heisst eine der Headlines, die spätestens nach der Vorrunde aufs Peinlichste falsifiziert werden wird. Die zugehörigen TV- und Radiospots operieren mit einer auftrumpfend gepfiffenen Stimmungsmelodie, die an Wandervogelbewegung und Pfadfinderaufmärsche, wenn nicht Schlimmeres denken lässt und nachgerade verleitet, ein zackiges "Eukalyptusbonbon" im Kasernenhofton dazwischen zu schmettern. Wie wenig diese einseitige und anbiedernde Parteinahme zu einer – wenn nicht der – globalen Marke wie Coca-Cola passt, offenbart sich am deutlichsten im Titel der Melodie und dem verdruckst denglischen Motto der gesamten Kampagne: It's your Heimspiel! Was soll das sein? Kreidefressen angesichts der aktuellen US-Aussenpolitik? Glokalisierung? Appeasementpolitik 2.0? Oder einfach das Anknüpfen an eine fruchtbare Tradition? Wir wissen es nicht.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Alles, was der Ball ist


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