Riesenmaschine

27.10.2005 | 06:51 | Supertiere | Alles wird schlechter | Sachen anziehen

Die Felligen


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es ist nicht leicht, und die Riesenmaschine berichtete bereits ausgiebig darüber, heutzutage ein Kuscheltier zu sein. An allen Ecken und Enden werden sie malträtiert, verformt und geklont, düster sieht sie aus, die Zukunft für Teddy. Während man überall schon Mundgeruch, Gonorrhöe und Bierhefe zum Streicheln und Kuscheln kaufen kann, näht Signora Simona Constanzo in Italien noch wacker für den diesbezüglich unersättlichen japanischen Markt ziemlich zahme Mutanten zusammen, und pflanzt ihnen auch noch ein Herz aus Stein ein, freilich einen Flusskiesel, weil, da ist ja noch mehr rollendes Leben drinne. Und so wie ihre schweizerIsche Kollegin Natalia Gianazzi mit ihren unnötigen Gruslis spricht sie eher eine erwachsene Klientel an, deren Schnittmenge mit der der Freunde des Weissclowns und des Cirque du Soleils nicht eben ameisenklein ist. Harscher indes geht die Wiener Spassaktionistengruppe Jutta-Jugend mit ihren Klonbabies (siehe Bild) um – sie reissen handelsüblichen Knuddelmonstern die Köpfe ab, braten und verzehren sie, ersetzen sie durch aus angeranzten Filzpantoffeln geformte Frankensteinfressen, denen sie lieblos ein Paar Knopfaugen, Marke Jörg Schüttauf/Tatort annähen, und verscherbeln sie für lächerliche 20 Euren, na, vielen Dank.

Dass das einerseits alles eher traumatisierend auf die Kleinchen wirkt, wie ihre Eltern sich einzureden verpflichtet fühlen, und nicht so besonders neu ist, kann man sich denken bzw weiss man, wenn man sich ein kleines bisschen in zeitgenössischer Kunstgeschichte auskennt oder zumindest die Platte "Dirty" der Konsensrockgruppe Sonic Youth sein eigen nennt. Die Hülle gestaltete der vom Wiener Aktionismus beeinflusste wichtigste amerikanische Künstler neben Andy W., Mike Kelley, und im Booklet sieht man neben den malträtierten Tieren auch das Foto eines mit scheisseverschmierten Plüschtieren kopulierenden Paares. Ein Teil der riesigen, innerhalb einer weltweit weitverzweigten Fetischgemeinde mittlerweile nicht mehr kleinzuredenden Gruppe, den Furries. Dort frottiert fröhlich ein Frettchen eine Haselmaus, sie haben ihre eigene Pelzsprache namens Yiff und kanalisieren dadurch ihre extrem verschlungenen Traumata. Trist ist, dass Zoophile inzwischen massiv die Internetseiten der Pelzfreunde penetrieren, weil sie keinen willigen Hamster zum Ficken bekommen, und stattdessen liebendgern auch mal mit einem Plüschnager vorlieb nehmen würden. Unterm Freud hätts das nicht gegeben. Geschweige denn unterm Aesop.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


24.10.2005 | 10:56 | Alles wird schlechter | Vermutungen über die Welt

Blas schon mal den Baum auf


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Kulturpessimismus ist in den meisten Fällen eine verdammenswerte Sache. Bis zum Beweis oder der begründeten Vermutung der Schlechtigkeit hat Neues zunächst einen Glitzervorschuss und sollte begeistert bejubelt werden. Trotzdem gibt es auch Dinge, die zu Recht immer wieder beklagt und beweint werden, ja, beklagt und beweint werden müssen. Der vorliegende Fall dieser aufblasbaren Weihnachtsbäume könnte Anlass sein zu einer schlechten, dummen Beschwerde und einer guten, richtigen Beschwerde.

Sinnlos und kurzsichtig ist die sich jedes Jahr im Oktober wiederholende Klage, dass "schon im Herbst" weihnachtliches Konsumgut angeboten wird. In Zeiten von Hartz IV ist es wichtig, dass mehr als nur ein Monatsanfang zur Ausübung der Weihnachtseinkäufe zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist das Weihnachstfest für viele Menschen eine solche Qual, dass eine langsame, schrittweise Einstimmung durchaus einen psychologischen Vorteil darstellt. Würde die Gesellschaft erst Mitte Dezember mit den christkindlichen Insignien konfrontiert, so würde von einem Tag auf den anderen ein weihnachtlicher Tand-Tsunami die ungeimpfte Psyche des Menschen niederwalzen. Die unausweichliche Folge wäre eine noch höhere Selbstmordrate als zu Weihnachten ohnehin schon.

Ganz anders verhält es sich mit der berechtigten Klage über die Geissel der Post-Ikea-Generation, Ironisch Wohnen. In den frühen 80er Jahren sozialisierten Menschen reicht oft die funktionale Baukastenindividualität des schwedischen Wohnwahnwarenhauses aus. Die Folgegeneration leistet gegen die Einheitsausstattung mit dem grossen Protestinstrument der 90er Jahre Widerstand: Ironie. Es wird von der ironischen Stehlampe bis zum iPod-Bikini alles gekauft, was laut "ich bin total anders und augenzwinkernd unterhaltsam" schreit. Diese in der totalen Verdiddlung endende Entwicklung muss als witziger Klingelton in Möbelform an allen Fronten bekämpft werden, daher ist an dieser Stelle auch Jammern über aufblasbare Weihnachtsbäume erlaubt und erwünscht. Wer trotzdem einen durchsichtigen Polyurethan-Weihnachtsbaum kaufen möchte, kann das in allen DOM-Filialen tun. Wir wollen keinesfalls Ihrem selbstgewählten Unglück im Wege stehen.


19.10.2005 | 18:01 | Anderswo | Alles wird schlechter

Vietnam IV: Ciptura International City


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

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Zwar ist Vietnam auf dem Papier immer noch kommunistisch, und wo immer man es mit Beamten und anderen Offiziellen zu tun hat, wird einem diese Tatsache deutlich bewusst – aber längst hat sich auch hier eine neue Oberschicht herausgebildet, die in ihren dunklen Geländelimousinen durch den geschmeidigen Mofaverkehr walzt und auch sonst nach den Insignien westlichen Luxus' strebt. Für diese Klientel entsteht am Stadtrand von Hanoi auf dem Weg zum Flughafen gerade die Cipura International City, eine Gated Community der Superlative.

Ein indonesischer Investor hat das Areal samt Baugenehmigung 1998 von der Regieurung erworben und lässt dort ein neues Arkadien mit allen Attributen der westlichen Postmoderne in asiatisch überdreht entstehen. Das dem Brandenburger Tor nachempfundene Eingangsportal wird von expressionistisch durchgeknallten Pferdeskulpturen gekrönt, die auch die grosse Querallee im Inneren schmücken. Albert Speer würde das wohl gefallen.

Die Häuser sind ein Crossover britischer Townhouses wie im Londoner Stadtteil Belgrave mit allem, was die postmoderne Neoklassik im Angebot hat. Die Preisliste beginnt angeblich bei 200.000 US$ und ist nach oben offen. Westliche Stadtplaner sind naturgemäss wenig angetan von dem Projekt und der gesamten Entwicklung. In der DDR hätte man vermutlich "überholen ohne einzuholen" dazu gesagt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Asien Spezial: Korea & Vietnam


15.10.2005 | 15:30 | Alles wird schlechter | Was fehlt

Abschied von der Beintasche

Bei der Betrachtung der Geschichte menschlicher Kulturtechniken fällt auf, dass Erfindungen häufig in höchst unpraktischer Reihenfolge getätigt werden, so etwa das Speiseeis mehrere Jahrhunderte vor dem Dreisternefach und die Operation einige tausend Jahre vor der Anästhesie. Die Entwicklungslücke, in der wir uns derzeit befinden, ist nicht weniger schmerzlich: Einerseits möchten wir eine grosse Anzahl von Gadgets mit uns herumtragen (Handy, iPod, Digitalkamera, Notizbuch, GPS-Gerät, Wikipedia-PDA), andererseits sind weder diese Gadgets hinreichend ineinander integriert noch unsere Taschen zahlreich genug. Das Verhältnis der serienmässig angebotenen Hosentaschen zu den erhältlichen Gadgets hat sich seit Anfang der nuller Jahre in beide Richtungen ungünstig entwickelt und kulminiert heute in dem, was die Nachwelt unter dem Namen "Grosse Hosentaschenlücke von 2005" kennen und in einem Atemzug mit der Grossen Hungersnot in Irland, den deutschen Ladenschlussgesetzen und dem Dreissigjährigen Krieg nennen wird.
Ausnahmsweise wissen wir auch nicht, wie es weitergehen soll. Steht uns ein Comeback der schlimmen Hüfttasche bevor? Ziehen wir demnächst in der Öffentlichkeit mit Leiterwagen voller Gadgets herum (was irgendwie ja auch seinen eigenen Reiz hätte, ausserdem wäre dann endlich Platz für alle Ladegeräte und Dockingstationen, ein Solarladegerät, einen Kasten Bier und einen Biwaksack)? Oder geht der Trend vielmehr weg vom Nomadischen und hin zu verstärktem Zuhausebleibing, jedenfalls im Sommer? Für den Winter gibt es ja zum Glück Jacken mit 52 Taschen.


04.10.2005 | 17:35 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Die Rollenmonster


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Warum nur, warum lernen die Menschen nicht von den Backenhörnchen? Warum müssen sie ihr Hab und Gut immer in so clownesken Containern transportieren, und warum müssen alle von allen immer alles kopieren, Herdentrieb der Ficker? Kulturbeutel, Handgelenkstaschen, Brustbeutel, Bauchbananen, DJ-Taschen, Handyholster. "Hauptsache bequem" werden sie lachend antworten. Wo ist eigentlich der gute alte Koffer geblieben, ein richtiger Koffer mit Griff mit ohne alles, quo vadis Hosentasche?
Den Trolley haben die Omas erfunden, um die zentnerschweren Salatgurken und Kartoffeln in ihre Wohnungen zu transportieren, milde belächelt, scheinbar auf ewig stigmatisiert. Quasi über Nacht kann jetzt aber plötzlich kein Mensch mehr ohne ihn auf die Strasse gehen. Seit einiger Zeit sollen die Schüler geknackt werden: Bimobil "spendierte eine Teleskopstange" für den Schulrucksack, der auch schon mal besser aussah, aber jetzt wird's harsch, auch die Allerkleinsten wollen Rollen (siehe Bild). Man fragt sich, wann die DJ-Tasche Rollen bekommt, wann Soldaten Sonntagnacht mit dem Seesack in die Kasernen rollen, und wo bleibt die Oma? Schliesst sich der Kreis, wenn sie mit einer DJ Tasche voller Kartoffeln durch Mitte schlurft?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Exgeneration X

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


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