Riesenmaschine

05.09.2006 | 16:13 | Anderswo | Supertiere

Murmelpilzkrieg


Foto eines immerhin eng verwandten Tieres von hier zu diesen schwer verständlichen Bedingungen (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Das Verhältnis der Italiener zu den sich selbst "Deitsche" nennenden Bewohnern Südtirols ist derzeit denkbar schlecht. Und schuld daran ist nicht der Bossa Nova, sondern Myzelien und Nagetiere. Auf der einen Seite wird das Land in den Dolomiten gerade von Busladungen pilzesammelnder Italiener überschwemmt, die illegal weit über die erlaubte Tagesmenge hinaus die Lebewesen aus den Wäldern abtransportieren, und sie gleich vor Ort noch mit mitgeschleppten Trockenmaschinen verarbeiten. Für ein Kilo Trockenschwammerln bekommt man am italienischen Markt 100 Euro. Man braucht dafür aber einen Sammelschein und nur zwei Kilo pro Kopf und Tag sind erlaubt. Was die Italiener aber nicht interessiert. Überall in den Wäldern sind jetzt Pilzpolizisten unterwegs, die allein am letzten Wochenende 190 Pilztouristen ertappen und strafen konnten. Auf der anderen Seite hat Südtirol auch einen massiven Murmeltierüberschuss, 40 000 gibt es, genau 2340 Exemplare sollen abgeknallt werden, weil sie die Weiden perforieren. Was aber die italienische Regierung, die die Tiere als schützenswert erachtet, verbietet. Aber sind das wirkliche Probleme? Oder ist es so, wie der Pariskorrespondent von Südtirol Online, Christian Giacomuzzi, behauptet, dass "in Südtirol Probleme 'erfunden' werden, die gar nicht existieren"? Andererseits wurden Kriege aus weit nichtigeren Gründen angezettelt.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (3)


05.09.2006 | 02:26 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Japanisches Sachengerede 物語

Als Sichtbeleuchter 観光 in Japan hat man es schön. Man kann mit dem Selbstrollfahrzeug 自転車 oder dem unterirdischen Eisen 地下鉄 zum Einpflanzsachengarten 植物園 oder zum Bewegtsachengarten 動物園 fahren und dort Weissvögel 白鳥 und Berghunde 山犬 sehen, von denen man Wirklichkeitskopien 写真 anfertigt. Vielleicht gibt es sogar ein Wasserfamiliengebäude 水族館. Hinterher geht man Glückwunschverwaltung 寿司 mit Grosswurzel 大根 essen. Auch in der Kriegsführung haben die Japaner mit Fischdonner 魚雷 und Gottwind 神風 zumindest sprachlich Vorbildliches geleistet, und es war nicht nett von den Amerikanern, ihnen dafür das erste Elementarkinderausbruchsgeschoss 原子爆弾 auf den Kopf zu werfen.

Aber schliesslich ist unser Heimatland, das für Japaner übrigens so ähnlich wie Hundefloh 独 heisst, auch nicht schlecht mit hübschen Worten bestückt. Wir haben die Eisenbahn, den Tatzelwurm und den Bürgersteig, ja, sogar das Hurenkind, den Schusterjungen und den Schweizerdegen, weshalb die Japaner auch sehr gern mal zu uns kommen, um dort die Sichten zu beleuchten.


04.09.2006 | 11:35 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Präzision und Alltag


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Wer liebt Österreich nicht? Wer ist nicht beglückt, wieder und wieder, wenn er den Wiener Akzent hören darf; entwickelte nicht sogar ein morscher Baumstumpf subkutane Sexyness, spräche er nur in diesem wunderschönen Singsang, bei der das leicht Jammernde mit dem Charmant-Grossspurigen ein Amalgam der Verbalerotik bildet? Und ist es nicht so, dass in Berlin in Szenelokalen die Antwort der Kellnerin auf eine dümmlich anmutende Frage lautet "Hä?", in Hamburg "Bitte?" mit einem hinten hochgezogenen "-te" der gespielten Arroganz, man in München gar vollkommen ignoriert wird, während in Wien sich die Kellnerin zum Fragenden hinabbeugt, die Frage auf Wienerisch und leicht abgewandelt in einer Weise wiederholt, dass einem schlagartig die Antwort klar wird und man im internationalen Vergleich der Situation praktisch ungedemütigt entkommen ist? Vielleicht.

Ganz gewiss aber ist im geschäftlichen Alltag in Österreich eine Grundpräzision vorhanden, die vorbildlich ist. Schliesslich erleichtert die Genauigkeit bis ins allerletzte Detail das tägliche Leben und Streben. Aus diesem Grund gibt es in Österreich eine ausgesprochene Fülle von über 160 verschiedenen Ehrenzeichen und Medaillen, vom Verdienstkreuz für besondere Leistungen oder hervorragende Verdienste auf dem Gebiete des Feuerwehr- und Rettungswesens in Gold des Landes Steiermark über den Radetzky-Orden der Militärklasse Grossstern bis zum Bundesheerdienstzeichen 1., 2. und 3. Klasse. Man huldigt der präzisen Benennung, hervorragende Verdienste im Feuerwehrwesen der Steiermark wollen eben exakt so sprachlich gewürdigt werden. Der Triumph der Eindeutigkeit findet im nebenstehenden Verkehrsschild nicht nur seinen Eingang ins werktätige Volk, sondern auch einen Höhepunkt. Das Schild ist ungeheuer präzise und wird es wohl auch immer bleiben, denn es ist selbstaktualisierend, weil es trickreich auf die Ferienreiseverordnung verweist. Soviel Genauigkeit beeindruckt den Österreichreisenden und hilft, dass das Land nicht in Chaos und Anarchie versinkt. Es macht eben einen grossen, dringend festzuhaltenden Unterschied, ob ein über 3,5 Tonnen schwerer Ziel- und Quellverkehr aus Gutenbrunn kommt oder aus Krems. Ausser es ist ein Milchtransport.


03.09.2006 | 16:33 | Anderswo

Story vom Pferd


Das pferdelose Wappen von Kirgisien (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
In Kirgisien, schöner ist der englische Name Kyrgyzstan, hat man es mit den Pferden. Das überrascht nicht. Seit Attilas Zeiten verbindet man Zentralasien reflexartig mit Reitervölkern, der ursprünglichen Gelben Gefahr. Und all das nur wegen einer kleinen Erfindung, etwas so nahe liegendem, man kann sich kaum vorstellen, dass es je erfunden werden musste, dem Steigbügel.

Reitsport ist in Kirgisien Nationalsport. Neben den üblichen Turnieren gibt es einen Wettbewerb, der sich angenehm von der üblichen Pferdehopserei abhebt, das Ulak tartysh. Dieses Reitspiel funktioniert in etwa so: Das Spielfeld ist 300 mal 150 Meter gross. Zwei Mannschaften treten gegeneinander an, wobei man während des Spiels tricksen und die Mannschaft wechseln kann. An den beiden Enden des Feldes befinden sich die Tore. Im Unterschied zum Polo haben die Spieler keine Schläger, und auch der Spielball ist ungewöhnlich: ein zwischen 30 und 40 Kilo schwerer Ziegenkadaver. Den gilt es sich zu schnappen, ihn anderen abzuluchsen, elegant von Pferd zu Pferd zu werfen, um ihn schliesslich ins Tor zu spedieren. Ganz so ungewöhnlich ist das nicht, wurde ja auch Fussball lange Zeit mit Schweinsblasen gespielt. Erwachsene Reiter, die sich im vollen Galopp, spielerisch eine tote Ziege zuwerfen, würde man aber zu gerne einmal sehen. Wo bleibt das Sportfernsehen?

Ein schönes Detail noch: Verboten ist es beim Ulak tartysh, den Gegner in eine Plauderei zu verwickeln. Angesichts des endverheerten Sportgeredes eine vorbildliche Regel, die generell auf die Zeit vor, auf die Zeit nach jedem Sport ausgedehnt werden sollte.

Martin Bartholmy | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


01.09.2006 | 18:19 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Scheibe, eben doch.


Etwas flacher als normal,
aber besser als gar kein Opossum
(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Technischer Fortschritt, das weiss jeder, der schon einmal an Virilio erkrankt ist, entsteht oft und gern aus militärischen Bemühungen heraus. So wären etwa moderne Alarmanlagen, viele beliebte Gesellschaftstänze und nicht zuletzt täuschend echt wirkendes Kriegsspielzeug ohne Krieg quasi undenkbar. Selbst Kommunikation, wie wir sie kennen, wäre ohne militärische Verbesserungsvorschläge nicht dieselbe – schliesslich will man in gewöhnlich uniformierten Kreisen nicht nur untereinander, sondern auch mit der Heimat in Kontakt bleiben, schon allein wegen der sogenannten Moral.

Aber, oh, Wendung: Während an diversen Fronten bereits der Teleporter als legitimer Nachfolger des Videotelefons in der Pflege patriotisch geprägter Distanzbeziehungen gehandelt wurde, stellt sich nun heraus, dass das nächste grosse Ding in Sachen "Maikäfer flieg" aus einer ganz anderen Richtung kommt, nämlich aus Pappe. Lebensgrosse zweidimensionale Papierabbilder der schmerzlich vermissten Pflichterfüller nehmen deren heimatlichen Platz ein, begleiten die sehnsüchtige Restfamilie schweigend zum Abendessen oder zur Beichte und bieten, so scheint's, echten Trost, während Papa im Ausland unauffindbare Massenvernichtungswaffen platt macht.

Setzt sich dieser bahnbrechende militärische Trend – wie so viele vor ihm – auch im Zivilleben durch, so dürfen wir demnächst mit einer verstärkten Verflachung der Gesamtwelt rechnen. Womöglich werden schon bald sehr flache Bildschirme, Autos, ja sogar Tarife oder Scherze in Blogs unseren ehemals dreidimensionalen Alltag zieren. Die Jungs von realdoll jedenfalls sollten sich schon mal richtig warm anziehen. Sell your shares, Gentlemen, and do it now.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Endlich: Amerika erfindet das Kampfübersetzen


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