Riesenmaschine

06.10.2007 | 15:57 | Essen und Essenzielles

Kaffeenamendramen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Als Werbehasi Oliver Frank vor einigen Jahren ein Männermagazin bewerben sollte, schlug er die Headline vor: "Für alle, die nicht wissen, wie ein entcoffeinierter Frappuchino schmeckt." Damals war das mit seinem platten Charme lustig, wenn man sich jedoch wie die Riesenmaschine zur Netzavantgarde der Konsumgüterkomik zählt, darf man sich inzwischen nicht mehr über Namen wie 10% Decaf Kona Blend Vanilla Flavoured Double Shot Tall Latte Macchiato Sugarfree To Go lustig machen, das ist over. Aber nicht nur die Verhöhnungstrends, sondern auch die Benamungstrends im Cafésegment sind weitergezogen: Das Bild zeigt ein Schild der Firma World Coffee. Das deutsche "Karamell" ist ungewohnt neu und angenehm sperrig zu lesen, vor wenigen Jahren hätte es mindestens englisch "caramel" oder spanisch "caramelo" heissen müssen, dazwischen gab es eine franko-maghrebinofine Phase, in der an "quaramelle" kein Weg vorbeigeführt hätte. Was aber möchte uns der Name Wocochino sagen, das hässlichstklingende Kunstwort seit Schewardnadse? Schon nach wenigen Stunden intensiven Starrens auf das Plakat lässt sich dieses uninteressanteste Rätsel der Neuzeit anlösen: World Coffee Cappuchino.


03.10.2007 | 08:46 | Essen und Essenzielles | Effekte und Syndrome

Zornige Zwiebeln für zornige junge Männer


Man könnte noch darüber spekulieren, ob die
Vagina Dentata hier irgendeine Relevanz hat,
aber das soll doch lieber Sarah Lucas machen. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Seit einiger Zeit gehört zum guten Handwerkszeug der Markentechnik, dass nicht nur die Sonnenseiten des Lebens für die Attribuierung der Marke herangezogen und urbar gemacht werden, sondern auch eine gewisse Dosis darke Düsternis mit beigemengt wird. Wie Menschen, so wirken auch Marken facettenreicher und interessanter, die nicht nur Friede, Freude und Harmonie verströmen, sondern streitbar daherkommen und mit einem gewissen Zug zum Abgründigen aufwarten. Das erklärt möglicherweise, warum die Telekom ihren aktuellen TV-Spot mit der Satanisten-Hymne "Paint It Black" unterlegt (obwohl es in dem Fall wirklich nicht not getan hätte). Und irgendwie spielt das Kalkül wohl auch beim "Angry Whopper mit Angry Onions und Jalapenos" von Burger King mit hinein, zumal dieser anscheinend im TV oder zumindest auf Youtube mit einem SM-affizierten Werbeclip der klischiertesten Sorte beworben wird. Naheliegenderweise handelt es sich jedoch eher um die bereits von anderen Fast-Food-Herstellern (wenngleich nicht so konsequent) als Ausweg aus der Imagekrise angetretene Flucht nach vorn, das Unvernünftige, Ungesunde und Selbstzerstörerische des Produktes in etwas Erstrebenswertes zu verkehren, indem man es zu Mutprobe, Härtetest und Männlichkeitsbeweis stilisiert. Eine Volte mithin, die – und hier schliesst sich der semantische Zirkel – vor allem auf die testosteronverseuchte männliche Jugend, die sogenannten "angry young men", nachhaltig Eindruck macht. Ursprünglich stammen die zornigen Zwiebeln übrigens aus David Burkes Rezept für "Angry Onion Relish", wobei das "angry" für eine Schärfe steht, die durch Beigabe von Senföl erlangt wird.


27.09.2007 | 08:58 | Anderswo | Essen und Essenzielles

Laktieren auf Französisch


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Schon seit Napoleon seiner Joséphine aus Ägypten einen Brief zukommen liess, sie solle sich gefälligst nicht mehr waschen, er befinde sich auf dem Heimweg, ist das Klischee zementiert, die Franzosen seien in einer Weise an weiblichen Ausscheidungen und Emissionen interessiert, die Mitglieder anderer Nationen befremdlich anmutet.

Tatsächlich scheint an dieser Obsession der Franzosen etwas dran zu sein: Noch im 19. Jahrhundert echauffierten sich die bürgerlichen Pariserinnen über "Schnüffler" – Herren, die sich in Kaufhäusern heimlich von hinten an Damen pirschten, um unvermittelt lautstark deren Achselduft zu schniefen. Wenn nun noch die allbekannte französische Vorliebe für Nahrungsmittel seltsamer Herkunft (Frösche, Schnecken, Gänsestopfleber) in die Gleichung mit einbezogen wird, so befremdet es einen, dass das Produkt "Petit Singly, l'authentique fromage au lait maternelle de femme" der "Fromagerie Cosma" nicht schon bekannter ist. Sicherlich handelt es sich bei dem Halbhartkäse aus menschlicher Brustmilch um eine derart gelungene Verschmelzung zweier nationaler Obsessionen, dass das Nischenprodukt in Frankreich schon seit Dekaden reissenden Absatz finden sollte.

Natürlich könnte der Grund für die mangelnde Akzeptanz von "Petit Singly" auch sein, dass amerikanische Reisejournalisten voneinander abschreiben, ihre Quellen nicht prüfen, schlecht französisch sprechen und generell an kompletter Ironiefreiheit leiden. Da fällt es natürlich schwer, einen Hoax zu erkennen, auch wenn der einem frech ins Gesicht laktiert.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Soylent Green ist Mösensaft


23.09.2007 | 15:44 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Neuer Saft aus alten Früchten


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Wenn der Mensch sich nicht ständig neuen Reizen aussetzt, wird er binnen zwei Wochen 70 Jahre alt und stirbt an Unterdruss. Irgendeine unserer archaischen Hirnregionen, die mit zunehmender Nähe zum Tod schwächer wird, zwingt uns dabei, regelmässig Neues in den Mund zu stecken. Das kann auch sehr leicht schief gehen, deshalb hat die Natur das Halbneue extra für uns entwickelt; Dinge, die einen bekannten Bezug haben, aber alle begeisternde Famosität des Neuen in sich tragen. Ein solches Beispiel in klinischer Reinform ist der Caju-Saft. "Ja, ein Saft von einer hier unbekannten Frucht halt, so what", so schallt es aus den Mündern der BTDT-Fraktion.

Doch die Frucht ist zwar in Deutschland kaum bekannt, dafür ihre Kerne um so mehr, denn es handelt sich um Cashew-Kerne. Noch viel wunderbarer ist, dass die Frucht sich um althergebrachtes Regularium nicht schert, sondern ihren Kern an der Oberfläche wachsen lässt – eine in der Natur seltene und vorbildliche Benutzerfreundlichkeit, wenn man bedenkt, wie lästig etwa die Mango um ihren Kern herum festgewachsen ist, und die Kokosnuss ist jetzt mal lieber still. Der Saft also aus der Frucht unter den Cashew-Kernen, in Deutschland noch nicht so einfach zu kaufen, ist das nächste flüssige Ding zum In-den-Mund-Stecken. Die Frucht heisst übrigens Cajuapfel, was sich anhört wie Casual Apfel und besser kann eine Frucht kaum heissen, man könnte sich regelrecht in eine Fruchtbegeisterung hineinsteigern, so überaus fantastisch ist das alles, so grossartig halbneu. Der Saft selbst schmeckt übrigens so mittel, aber immerhin sehr neu.


13.09.2007 | 02:02 | Nachtleuchtendes | Essen und Essenzielles

Nieder die Tassen!


Das kleine Frühstück "Wuppertal" (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wenn Rauchen und Kaffee trinken gut sind, wie gut muss dann erst Rauchen und Kaffeetrinken in Geschirrunion sein! Solche oder ähnlich schwungvolle Gedanken muss der russische Produktdesigner Alexander Lyapunov in sich getragen haben, als er sein Amalgam aus Aschenbecher und Untertasse ersann und hiermit eine Win-Win-Win-Situation entstehen liess: bei innenliegender, illuminierter Zigarette (optionales Zubehör) bleibt der Kaffee heiss, die hässliche Asche unsichtbar – und auf dem bekanntermassen kleinen, runden Existenzialistenfrühstückstisch ist endlich Platz für die Gesamtausgabe von Camus' Tagebüchern.


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