Riesenmaschine

15.06.2006 | 18:45 | Anderswo | Fakten und Figuren | Sachen anziehen

Keine Majestätsbeleidigung, ehrlich nicht

Nichts liegt der Riesenmaschine ferner, als den thailändischen König Bhumibol (ganz: Rama IX. Bhumibol Adulyadej der Grosse) zu beleidigen. Dafür ist der Mann, der –
wie vielfach berichtet
– in der letzten Woche sein sechzigstes Thronjubiläum feierte und damit das mit weitem Abstand am längsten amtierende Staatsoberhaupt der Welt ist, einfach zu grossartig: Er kann nicht nur lang anhaltend ein ganzes Volk regieren, sondern malt, bildhauert und fotografiert noch obendrein, obgleich er – davon wird eher selten berichtet – bereits in frühen Jahren, bei einem Autounfall am Genfer See, ein Auge verlor. Auch verschiedene Segelboote hat der erfolgreiche Segler – Goldmedaille bei den Südostasienspielen 1967 – persönlich entworfen. Bhumibol gilt zudem als grosser Regenmacher, der, als in Thailand mal eine grosse Dürre herrschte, prompt eine nichtgiftige Chemikalie erfand, sie in Wolken applizieren liess und diese damit zum Regnen zwang. Und er ist nicht zuletzt ein grosser Komponist. 43 Musikstücke hat er im Laufe seines Leben komponiert, darunter etliche schöne Jazz-Titel, die er auch auf dem Saxophon, der Klarinette, der Trompete, dem Klavier und der Gitarre – alle diese Instrumente beherrscht der Superkönig nämlich – selbst spielte, u.a. mit Jazz-Giganten wie Benny Goodman, Lionel Hampton, Stan Getz und Jack Teagarden, was man sich auch hier anhören kann.

Wie gesagt, nichts liegt uns ferner, als diesen wirklich wunderbaren Alleskönner zu beleidigen, zumal wir ansonsten auch unseren nächsten Phuket-Urlaub vergessen könnten. Auf Majestätsbeleidigung stehen in Thailand nämlich bis zu fünfzehn Jahre Gefängnis, und Ausländer, die etwas Unbedachtes über den König sagen, werden schnell zu unerwünschten Personen erklärt. Allerdings können wir nicht umhin, obiges Foto wiederzugeben, das wir in der Financial Times vom 9. Juni fanden, und zwar in einer ganzseitigen Anzeige der "Government Savings Bank, Thailand", die anlässlich des Thronjubiläums geschaltet war. Weshalb wir uns gezwungen sehen? Nun, Majestät, äh, Ihr, ähem ... Nur so viel: Sitzt Ihr Schneider respektive königlicher Gewanddesigner eigentlich schon?

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


12.06.2006 | 12:00 | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

Flagghelfer


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Immerhin: Die ins Fenster geklemmten Plastikflaggenmaste sind so provisorisch, dass die massive Volksbeflaggung nach der WM vermutlich ein Ende finden wird. Dabei muss man gar nicht Deutschland prinzipiell ablehnen, um die Klemmpatrioten lächerlich zu finden. Es reicht auch, dass man Flaggen an sich für schwierige Symbole hält, die der Mensch ausserhalb von Lotsentätigkeiten mit Bedacht und lieber zu zurückhaltend benutzen sollte. Man ahnt ja, dass die meisten von ihnen unbeholfen einen Weg suchen, um ihren Wunsch auszudrücken, dass Deutschland Fussballweltmeister wird. Eventuell fehlt einfach noch eine Flagge für nationalismusunverdächtige Fans der Nationalmannschaft. Über den Umgang mit dem Flaggenmeer in der Zwischenzeit sollte sich jeder selbst Gedanken machen, die Bäckertheke in einem Lüdenscheider Supermarkt zum Beispiel hat die Flucht nach vorn in die bizarre Lächerlichkeit gewählt und verhöhnt die deutsche Flagge recht offensichtlich mit der Deutschlandtorte (Blaubeeren, Erdbeeren, Mandarinen). Die schönsten Verhöhnungen sind doch die, die alle ausser den Verhöhnten bemerken. Ein Tipp für flaggenbewusste Anarchisten: Einfach den goldenen Teil mit einer Schere abschneiden, ggf. aufessen.


09.06.2006 | 13:09 | Fakten und Figuren | Sachen anziehen | Vermutungen über die Welt

Diktatorensponsoring


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

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(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Die WM steht vor der Tür und kaum ein Globalisierungsgegner lässt die Chance auf den Hinweis verstreichen, dass es sich um die Weltmeisterschaft den Marken Nike und Adidas mit dem Aussenseiter Puma handelt. Präsenz ist alles, und das gilt schon lange nicht mehr nur im Sport allein, auch zu Events wie Oscar-Verleihung oder einem Auftritt bei "Wetten dass" werden an Prominente hohe Product-Placement-Gelder gezahlt. Die neueste Entwicklung in diesem Bereich ist Diktatorensponsoring. Die Konzerne waren hier auch viel zu zögerlich trotz der leuchtenden Vorbilder, wer war in den 30er Jahren häufiger in den Medien als Hitler und das von ihm propagierte Logo ist bis heute weltbekannt. Und so sehen wir den unsympathischen Geisteskranken aus dem Iran in Adidas gekleidet Fussball spielen, ein Bild, das eventuell noch intensivere Verbreitung finden wird, wenn Ahmadinedschad tatsächlich zur WM einreisen sollte. Ihm haftet zwar der Diktatorenmakel an, rechtmässig gewählt worden zu sein, aber immerhin nur von Männern, und ausserdem verhält er sich wie einer. Das reicht, um ihn als die derzeitige Perle der weltweiten Medienpräsenz im Diktatorenbusiness zu sehen. Lukaschenko in seiner knorrig-faschistoiden Art dagegen trägt Nike. Der mediale Spätwinter gehörte dem bedrohlich wirkenden Weissrussen, jahreszeitlich passend posiert er auf dieser Fotografie in einem Eishockey-Trikot von Nike. Es stünde nun zwischen Nike und Adidas 1:1 – aber da tritt jemand auf den Plan, den man dort nicht erwartet hätte. Der offiziell ärmste Diktator der Welt (31 Euro Monatsverdienst), Fidel Castro. Wird sich ein sozialistischer, heftigst antikapitalistischer Despot sponsern lassen, zumal er in der Öffentlichkeit eigentlich nur Uniform trägt? Offenbar, denn Castro tritt ausschliesslich mit Bällen der Firma adidas auf, hier die Modelle Roteiro und der für die Champions League hergestellte Ball. Nun ist es natürlich kaum zu toppen, den "Unsponsorbaren" auszurüsten. Eventuell hat man deshalb mit einem Kunstgriff das untenstehende Trikot von Nike entwickelt. Die Öffentlichkeit könnte glauben, es handele sich um das Trikot des letzthin verstorbenen Diktator des Monats Juni, nämlich Slobodan Milosevic. Ist aber falsch, denn tatsächlich handelt es sich nur um den normalen Fussballspieler Savo Milosevic. Und so muss Nike anerkennen: Im Bereich Diktatorensponsoring hat man eine Menge Aufholbedarf. Vielleicht mal über Nordkorea nachdenken.


06.06.2006 | 04:22 | Supertiere | Fakten und Figuren

Neunauge Can't Jump


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Im 19. Jahrhundert betrat ein seltsames Wesen amerikanischen Boden und liefert den Ureinwohnern seitdem einen erbitterten Kampf. Dabei kann man noch nicht einmal von "betreten" sprechen, denn das Meeresneunauge, so genannt, weil es neben den Augen über sieben augenähnlich aussehende Kiemenlöcher verfügt, hat gar keine Beine, und muss sich daher schwimmend fortbewegen, wie die meisten anderen Fische auch. In Europa mittlerweile fast ausgestorben, wanderte der aalförmige Schmarotzer den St.-Lorenz-Strom hinauf und immer weiter ins Land hinein, bis er in den 30er Jahren den Oberen See erreichte. Wo er hinkam, hinterliess er Elend und Verwüstung.


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Die Art und Weise, wie das Neunauge mit seinen Fischkollegen umspringt, ist nicht manierlich: Mit seinem vollverzahnten Saugmaul verbeisst er sich in seine Opfer, saugt sie bis auf den letzten Blutstropfen aus und hinterlässt sie dann in jämmerlichem Zustand. Bestimmt erzählt man Fischkindern Schauermärchen vom Ungeheuer Neunauge. Innerhalb von nur 20 Jahren tötete die Neunaugenarmee 90% des Forellenbestandes im Oberen See. Dann schlugen bezeichnenderweise nicht die Forellen, sondern die Amerikaner zurück: Sie erfanden das Lamprizid (lamprey: engl. für Neunauge), Chemikalien also, die exklusiv den Fischvampir erledigen. Seit 1958 werden jedes Jahr ausgewählte Lieblingslaichflüsse der Neunaugen mit dem populären Lamprizid TFM (3-Trifluoromethyl-4-Nitrophenol) behandelt. Zusätzlich enthalten die wichtigen Zuflüsse der Grossen Seen Dammanlagen, die Forellen und Lachse überspringen können, die unsportlichen Neunaugen jedoch nicht. Derart angefeindet, zogen sie sich in den Untergrund zurück und führen seitdem einen zermürbenden Partisanenkrieg. Neulich zum Beispiel tauchten sie überfallartig in Vermont auf.

Seit einigen Monaten gibt es bahnbrechende Neuigkeiten in der Neunaugenforschung, die den Parasiten nicht gefallen dürften. Neunaugen laichen in Flüssen und leben im Meer (oder in grossen Seen, das sieht man nicht so eng) – im Prinzip genau wie Forellen und Lachse. Im Unterschied zu diesen aber wandern sie nicht stupide wie Maria und Josef zu ihrem Geburtsort zurück, sondern gehen dorthin, wo Eierlegen am meisten Spass macht, an die Orte nämlich, die von den Neunaugenlarven mit Hilfe von Duftstoffen als kinderfreundliches Idyll markiert wurden. Diese Duftstoffe gelang es im letzten Jahr synthetisch herzustellen, so dass das gemeine Neunauge schon bald statt im Familienparadies in der Todesfalle landen wird, angelockt von billigem Chemie-Tand. Man wird sehen, ob das Neunauge diesem neuen Trick etwas entgegenzusetzen hat, oder ob es sich vielleicht doch nur um einen sehr, sehr dummen Fisch handelt.


04.06.2006 | 14:10 | Supertiere | Fakten und Figuren

Gefühlshotel


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Gefühle sind ubiquitär. Aus bisher noch unerfindlichen Gründen werden einige Menschen wirklich andauernd mit ihnen konfrontiert. Ausserdem ist überhaupt noch nicht klar, in welchem Masse sie nun willentlich beeinflussbar sind. Anhand dieser Definition könnte man Gefühle glatt mit Ameisen verwechseln, wobei allerdings das Treten auf Ameisen oft freudige Gefühle, jedoch keine neuen Ameisen erzeugt, womit die begriffliche Distinktion durch logische Beweisführung abgeschlossen ist. Allerdings sollte die Ameise, insbesondere die völlig durchgedrehte von Langton, noch eine gewisse Rolle für die Intelligenzforschung spielen. Wohl aus diesem Grund ist die grösste Hotelkette der Welt auch den kleinen quirligen Viechern vorbehalten, die sich sogar frisch geschminkt auf geführte Kurzausflüge ans Büffet begeben.

Und genauso wie Ameisen sich anscheinend zu vergnügungssüchtigen Agglomeraten zusammenrotten, werden menschliche Gefühle auf wefeelfine.org auf quietschbunte und überaus ameisenaffine Art mathematisch aufbereitet. Hierbei werden sogenannte Blogger benutzt, um hauptsächlich sperrig kafkaeske Gefühlsausdrücke wie "I feel bad" oder "I am feeling incomplete" über die Mensch-Maschine-Schnittstelle zu hieven. Einem Mähdrescher gleich drischt eine Suchmaschine dann aus diesen halmigen Sätzen die fröhlich bis panisch herumwirbelnden Gefühlskörnchen, die wiederum mit etlichen Parametern wie Heimatland oder Wetter korreliert sind und sich fein statistisch auswerten lassen.

Daraus lässt sich jetzt allerdings kein Brot backen, und auch der Myers-Briggs-Typindikator hätte seine Schwierigkeiten, irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Jedoch kann man so herausfinden, was die Welt fühlte, als Lordi zur Mutterband der europäischen Einheit wurde: Nähe und Wut waren deutlich überrepräsentiert, was bezogen auf Europa so gar nicht schön klingt.

Jan-Christoph Deinert | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


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