Riesenmaschine

01.08.2007 | 12:19 | Anderswo | Alles wird schlechter | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Markenprodukte


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Marktwirtschaft sollte eigentlich Markenwirtschaft heissen, so wichtig sind diese Marken inzwischen. Marken sind toll und geben dem dummen und verunsicherten Konsumenten das Gefühl von Qualität, Auswahl, Freiheit und Macht. Erfunden wurde die Marke etwa 500 v. Chr. von etruskischen Bäckern, die ihre Namen auf die Stoffbeutel der Brotlaibe mit Birkenpech aufmalten. Zweieinhalbtausend Jahre später beherrschen Marken die sichtbare Welt, weil sie die Wahrnehmung beherrschen. Und schon bilden sich Zellen des Widerstandes, streitbare Geister, die sagen "Moment! Das Produkt ist viel wichtiger als die Marke!". Das ist natürlich Unsinn, Produkte sind nutzloser Tand; der Weg dagegen zu einem Leben von Liebe und Luft ist mit Marken gepflastert, die man im Gegensatz zur dinglichen Ware auch ständig mit sich herumtragen kann (im Kopf). Insofern bekämpfenswert sind Umtriebe zur Abschaffung der Marke, wie sie auf diesen Bild aus der Schweiz nahe Zug zu sehen sind: Eine Tankstelle, auf dessen Aushängeschild nicht der Absender steht, sondern das Produkt "Benzin", freilich offenbar aus Gewohnheit noch leicht angebrandet. Wenn sich dieser gefährliche Ansatz durchsetzen wird, erleben wir eine Monomarkenwelt, bei der es je Produkt nur noch eine Marke gibt, die jeweils alle anderen vom Markt klagt, es droht die DDRifikation. Drum hört, Ihr Völker, stürmt auf die Strassen, zieht Eure logoprangendsten Klamotten an, trinkt aus gebrandeten Gefässen Markengetränke, tanzt mit Euren Markenschuhen auf Markenevents. Ja, danke, genau so.


31.07.2007 | 18:31 | Anderswo | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Automaten

Im Film "Warenwelten" des Deutschfarsen Harun Farocki streiten sich zwei Regalbestücker eines Supermarkts, wer oben liegen darf und wer unten liegen muss, man feilscht darum, wessen Produkt auf welche Ebene kommt, liegt ein Produkt ungünstig, bekommt das nächste einen besseren Platz. Mitte ist gut, ganz oben schlecht, ganz unten am allerschlechtesten, stigmatisierte Bückware halt. Kaugummiautomaten sind für Erwachsene hingegen generell zu niedrig angebracht. Sie befinden sich auf Augenhöhe der Zielgruppe, Kinder streben immer nach oben, als nächstes ist der Zigaretten- und der Kondomautomat dran.

In Korea gibt es eine sehr markante, unübersehbare Berufsgruppe, das sind die Binlang Mädchen, sie stehen in dem relativ grauen und verschimmelten Land in bunt beleuchteten Plexiglaskuben und verkaufen mit Löschkalk und einer roten Paste gefüllte Betelnüsse, sie machen das Stadtbild bunt, die Zähne ihrer Kunden rot und deren Blick glasig. Jetzt kann sich der, der sich nicht zu den Frauen traut oder die Nuss nicht braucht, sie (die Frauen) auch als kleine Plastikfigürchen aus dem Automaten ziehen. Diese sind aber ganz unten, unter allen anderen Automaten angebracht, weil das offenbar ein für Kinder uninteressanter Bereich ist. So geht der Kreislauf, wenn die Kinder oben angekommen sind, beginnen sie wieder ganz unten. Warum man präparierte Betelnüsse noch nicht aus Automaten ziehen kann, ist allerdings ein Rätsel, vielleicht weil man sich nicht auf die Höhe einigen kann.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (8)


27.07.2007 | 18:37 | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Die Freiheit des Drecks


Kaptialistische Freiheit, die ich meine (leicht abgewandelt nach Bolz) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die unbesiegbare Kraft des Kapitalismus liegt zweifellos darin, so irrsinnig viel Quatsch zu produzieren, dass sich jeder den Privatquatsch aussuchen kann, den er für überlebenswichtig hält. Durch Nachdenken wären frühere Gesellschaftstheoretiker vermutlich nie darauf gekommen, was auch daran liegt, dass Kapitalismus kein Konzept ist, sondern eben das populistische Fehlen eines Konzepts. Dabei liegt es im Wesen, dass Produkte nicht automatisch erfolgreich sind, sondern erst der Markt, diese hirnlose Schimäre bestehend aus Mund, Auge und Greifhand, entscheidet, ob er zugreift oder nicht. Insofern ist es im Sinne des herrschenden Gesellschaftssystems vollkommen korrekt, eine CD zu produzieren mit den 20 nervigsten Songs, denn vielleicht handelt es sich dabei um exakt das Produkt, auf das die vielen Menschen dort draussen gewartet haben, ohne es zu wissen. Und wenn wir dereinst unsere Kultur verteidigen werden müssen gegen die anrennende Schar aus Extremisten, dann weiss jeder von uns, wofür er sich ins Schlachtgetümmel stürzt, nämlich für die Freiheit. Die Freiheit, so bescheuert sein zu dürfen, die 20 nervigsten Songs zu kaufen.


22.07.2007 | 00:42 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Airbladerunner

Die Geschichte der Lufttrocknung war bislang kurz und peinlich. Hält man seine Hände unter einen handelsüblichen Lufttrockner, so gibt der nicht nur Geräusche von sich, als würde er gerade in Polen einmarschieren, er schafft es zusätzlich auch noch, das Wasser an der Hand nicht etwa weg-, sondern einfach von der einen Seite auf die andere Seite zu befördern. State-of-the-Art Ganzkörpertrockner versprechen Trockenheit nach drei Minuten, eine Zeit, die behende Handtuchartisten locker unterbieten. Die Hilfslosigkeit heisser Luft führte dann auch folgerichtig zu einer Ära, die von Experten der Branche als Renaissance des Papierhandtuchs oder, schlimmer noch, des moribunden Stoffhandtuchspenders bezeichnet wird. Möchte man in so einer Zeit leben?

Eine seit Mai 2007 rhetorische Frage, denn sie ist vorbei, diese Zeit. Dyson, sonst eher fürs Saugen denn fürs Blasen bekannt, bringt den Dyson Airblade auf den Markt, und für die nächsten dreitausend Jahre ist das Handtrocknungsproblem gelöst. Der Airblade sieht zum einen gut aus, ein bisschen wie eine inverse Gebärmutter aus Edelstahl. Zum zweiten kann man die feuchten Körperteile elegant von oben hineinhalten und muss nicht unwürdig unter einer Höllenmaschine herumfummeln. Zum dritten verhält er sich so leise wie ein totes Robbenbaby in Neufundland und zum vierten verfügt er über einen digitalen Motor, was auch immer das ist. Zum fünften bis ungefähr zwölften schliesslich sind die Hände total erstaunlich nach drei Sekunden trocken. Ungelogen, wir haben das aus lauter Pflichtbewusstsein viele tausend Male ausprobiert, am Flughafen London-Gatwick, wo man den Dyson Airblade schon in freier Wildbahn antreffen kann.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Heisse Luft revisited


11.07.2007 | 01:25 | Fakten und Figuren | Sachen kaufen

Renderkannen am Rand erkennen


(Foto: Moritz Metz)
Hoppla, denkt sich der auf offener Strasse von diesem Teekannenangebot überrumpelte Passant, ist es jetzt so weit? Ist all das in den 90ern mühsam Hingerenderte endlich Realität geworden, kann man fliegende Toaster kaufen, während Raubsaurier durch die Strassen stapfen? Ein Vergleich mit dem Original Utah Teapot zeigt aber leider, dass es sich trotz der überzeugend surrealen Texturen lediglich um Raubkopien aus Fernost handelt. Gedulden wir uns halt noch ein paar Monate.


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