Riesenmaschine

10.02.2006 | 13:48 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Armbanduhr: Fluch oder Fluch


Geht einmal täglich richtig (in Amerika zweimal) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Vor dem Aussterben eines Dings produziert es meist noch rasch eine Reihe besonders schillernder Features, vergleiche etwa Dinosaurier (Übergrösse, Rückenplatten) oder Kirchen (Gotik, Barock). So verhält es sich auch mit der Armbanduhr: Eigentlich braucht man sie nicht mehr besonders dringend, da man die Taschen voller Geräte hat, die alle nebenbei die Uhrzeit kennen. Eine Uhr am Handgelenk ist noch etwas unnützer als, sagen wir, ein Barometer um den Hals oder ein Babyschnuller mit Betriebstemperaturanzeige. Trotzdem vergeht kein Tag, an dem man uns nicht in an sich vernünftigen Publikationen auf neue Armbanduhren aufmerksam macht, die alle eins gemeinsam haben: Sie sind – in Anerkennung der grundsätzlichen Nutzlosigkeit einer Armbanduhr – vollkommen unbrauchbar. Ihre binäre, hexadezimale, ungefähre, unpraktische, zeigerlose, verwirrende Mäusekino-Anzeige mit jetzt noch mehr LEDs verliert vermutlich selbst für den Besitzer ihren Reiz binnen weniger Minuten. Wer ein solches Gerät in seiner einzigen Funktion als Gesprächsanlass trägt, dem sei das deutlich preiswertere "3G"-Konzept eines bekannten Riesenmaschine-Autors ans Herz gelegt: "Gurke, Gesprächsanlass, Geschlechtsverkehr". Nebenbei hat so eine Gurke mehr Vitamine als so manche Uhr (vgl. Abbildung).


09.02.2006 | 17:04 | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

U can't touch this


Eine Schallplatte! Lecker! (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Das rekursiv Selbstreferenzielle der Vinylschallplatte berührt die Grenzbereiche des Existenzialismus: Je öfter man sie abspielt, desto schlechter klingt sie. Man darf nicht näher darüber nachdenken, sonst hängt man in einer Endlosschleife der Frustration fest. www.productdose.com machte uns auf diesen berührungsfreien Schallplattenspieler aufmerksam, der die Schallrille mit einem Laserstrahl abtastet. Je nach Ausführung kostet das Gerät moderate 15.000 bis 19.000 Euro. Es wird routinierten DJs echte Phantomschmerzen bereiten. Seit Jahrzehnten lassen sie mit einer fluffigen Bewegung die Vinylplatte aus der Umhüllung gleiten, legen die Platte behutsam auf den Plattenteller und greifen sodann nach rechts, um den Tonabnehmer zu erhaschen und über der Einlaufrille der Schallplatte zu platzieren. Gerade letztgenannte Greifbewegung sich abzutrainieren und durch einen lässigen Druck auf die "Open/Close"-Taste zu ersetzen wird ein hartes Stück Arbeit werden.


07.02.2006 | 20:05 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Schöner chatten

Häufig hört man im Bekanntenkreis die Klage "Ich würde gerne videochatten, um nicht dauernd an Chatpartner zu geraten, die hässlich sind wie die Nacht, habe aber das Problem, dass ich selbst hässlich bin wie die Nacht". Die bisherige Methode, Fotos auszutauschen, ist wenig verlässlich, wenn man sich vor Augen führt, wie weit die Kunst des geschickten Retuscheurs geht. Für dieses Problem kann man den entsprechenden Bekannten nun eine Lösung empfehlen: Verschiedene Hersteller bieten Webcams an, die die gefilmte Person automatisch verschönern.

Früher: Ziemlich dunkel. Heute: Viel heller! (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

Popgadget teilt uns mit, dass die Firma Buffalo eine Kamera mit Minischeinwerfer und automatischem Weissabgleich anbietet – ein guter Anfang, denn wie jeder Filmkenner weiss, sind die Beleuchter nicht nur für die Alkoholversorgung am Set verantwortlich, sondern können mit guter Lichtsetzung auch eine Erdkröte in eine wunderschöne Erdkröte verwandeln. Noch ein bisschen mehr bewirkt die Firma Elecom, die sogar eine Kamera mit Videoretusche in Echtzeit anbietet. Wie auch immer das geschehen mag. Hier bietet sich weiteres, enormes Entwicklungspotential, wir prognostizieren Webcam-Beauty-Skins zum Runterladen, die per Motion Capturing auf das Webcam-Bild gerendert werden. Video-Chatter werden sich also aussuchen können, ob sie heute einfach nur schöner oder eben gleich als Heidi Klum erscheinen wollen. Die Möglichkeiten sind nach oben und unten offen! Leider kann man seinem Bekanntenkreis diese Methode, hässliche Chatpartner zu vermeiden, nur so lange empfehlen, bis jeder so eine Webcam hat. Wenn es soweit ist, wird man sich einen neuen Weg ausdenken müssen, um als hässlicher Mensch den Videochat zu nutzen. Vielleicht ein Rückgriff auf die früher verbreitete Methode "Sack über dem Kopf".


02.02.2006 | 13:18 | Berlin | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Servicewürste Deutschland


Die Care-Seite der Medaille (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Deutschlands Fleischtheken sind Aushängeschilder für die praktisch stündlich geforderte nationale Neuorientierung Richtung Service. So sehr lag der Fokus der Fleischindustrie auf der freundlichen Bedienung des Kunden, dass hier und dort im Eifer des Dienstleistungsgefechts vergessen wurde, dass das Fleischprodukt möglichst unverdorben daherkommen sollte. Trotzdem wollen wir die Bemühungen um freundliche Fleischereifachverkäufer ausdrücklich loben – und sie hier dokumentieren. Das beidseitig fotografierte Schild stand einst in einem Extra-Markt in Berlin auf der Fleischtheke, bis Herr Andreas Sachwitz (danke!) es zu rein wissenschaftlich-dokumentativen Zwecken entwendete. Das Schild duzt den Verkäufer, siezt den Kunden und geht auch sonst vom PISA-Würstchen als Fleischfachkraft aus, die weder die Grundregeln der Dienstleistung am Mann noch zwischenmenschliche Höflichkeit kennt und schon gar nichts auswendig lernen kann – nach dem Motto "Vorne höflich, hinten dumm". Das ist fantastisch, denn auf diese Weise kann noch der letzte Hartz-IV-Horst in die Leistungslandschaft Deutschland integriert werden. Nur lesen sollte er können.


01.02.2006 | 17:15 | Supertiere | Fakten und Figuren | Sachen kaufen

Häkelhorror


"Twins 1" von Patrica Waller (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

Stricken war lange eine der meistunterschätzten Kulturtechniken. Was hat sich die Generation Verächtlichkeit in den 80ern beavisundbuttheadesk lustig gemacht über strickende Mütter in den Soziologie-Seminaren. Wie sehr schüttete sich die Premiumzielgruppe der 14-29-Jährigen vor Lachen aus, wenn sie in den 90ern nachts betrunken nach Hause kam und Strickmaschinen auf einem Homeshoppingkanal angeboten wurden. Erst die Nuller Jahre entdeckten so recht, dass "cool" keine Frage der Tätigkeit ist, sondern der Überzeugung dahinter. Und hier tritt Stricken auf den Plan, das, man kann es ruhig zugeben, nicht unbedingt in der natürlichen Freizeit-TopTen der Surfer zu finden ist.

Aber die Avantgarde der Nuller Jahre macht sich weniger lustig als vielmehr selbst auszuprobieren, was im Bereich Strickwerk & Häkelgut alles geht. Mit Stricknadel und Wolle hat etwa die Künstlergruppe Gelitin 2005 einen Riesenhasen produziert und auf einem Gipfel in Italien abgelegt. Einer ähnlichen Haltung entspringen der gestrickte Roboter von Jess Hutch ebenso wie der gestrickte Verdauungstrakt von Matie Trewe.

Neben den genannten hat die Seite Yumlum eine Galerie voller Strickabsurditäten zusammengetragen – mit an die Comicwelt der Happy Tree Friends erinnernden Figuren und mit dem unten abgebildeten, süssen Siamesischen Zwillingsteddy. Aber auch ein mit der Schere geschlachtetes Kind, ein lustiger Tiger mit einem abgerissenen Arm im Maul oder ein niedlicher Fahrradunfall mit Schädelbasisbruch beweisen: Stricken kann auch Spass machen!

Hinweis durch Brandy Fleming.
[Nachtrag: Yumlum nennt leider keine Quelle, die Kunstwerke auf dieser Seite stammen von Patrica Waller.]

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Späte Einsicht


... 58 59 60 61 62 [63] 64 65 66 67 68 ...

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Backstreet Boys und Kante mixen

- Keramik aus Bunzlau

- gut geölte Scharniere an den Pforten der Wahrnehmung

- Monsterkapern (BIG!)

*  SO NICHT:

- Engstand

- anlassfreie Tagcloudmetapher

- Igel im Auge

- immer alles erblicken (statt sehen)


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Burke and Hare", John Landis (2010)

Plus: 3, 11, 41, 42, 48, 74, 88, 132
Minus: 57, 61, 101, 146, 153, 173
Gesamt: 2 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV