Riesenmaschine

14.03.2007 | 23:21 | Alles wird schlechter | Was fehlt | Sachen kaufen

Taschenbügeldramen


In dieser Form nicht tragbar (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Gesamtsituation in Russland ist durchaus besorgniserregend, aber sprechen wir von den Problemen, die uns um die Schulter hängen, sprechen wir vom Schweigekartell rund um das allgegenwärtig gesellschaftliche Taschenbügeldrama. Und schlagen wir ruhig einen weiten Bogen: Unternehmen beherrschen heute die Welt. Das ist gar nicht so schlimm, wie man zunächst denken sollte, viel schlechter als Staaten früher können sie sich vermutlich nicht anstellen. Unternehmen glänzen wie ihre Vorgänger nicht gerade durch übergrosse Zuhörfähigkeit ihren Untertanen (sog. Kunden) gegenüber, im Gegenteil tun sie alles, um möglichst kompliziert erreichbar zu sein. Dass es trotzdem Marktforschung gibt – also Kundenanalyse über Bande gespielt –, anstatt einfach nachzufragen, was toll ist und was nicht, hängt damit zusammen, dass zwei plus zwei noch vierer ist, wenn ein Experte es sagt.

Deshalb gilt an dieser Stelle das Sprichwort "Fragen kostet nichts" eben nicht, Marktforschung ist eine teuere Angelegenheit und so wird nur in Bereichen überhaupt nachgefragt, wo es sich zu lohnen scheint und wo man Produktunzulänglichkeiten vermutet. Oft sind diese Fehler aber ganz woanders, und so verwundert es nicht, dass die Taschenindustrie bislang mit Sicherheit viele Shrillionen ausgab, um die Modefarben und -materialien der neuen Saison herauszufinden, aber sich noch niemand des Taschenbügeldramas annahm; denn diese Halterungen, die eigentlich lotrecht zur Zugrichtung zwischen Haltegurt und Tasche sitzen sollten, verdrehen sich noch stets um 90°, klemmen dann längs und lassen sich nie wieder für länger als 30 Sekunden richtig positionieren. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Wie in Russland.


03.03.2007 | 21:43 | Anderswo | Was fehlt

Hirn hamstern, für dumme Zeiten


Erstaunlich violett ist es innen drin in so einem Nagetier. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Für Zeiten der Not hat die Natur das Hamstern erfunden. Und weil ja aufgrund eines kognitiven Irrtums es dem Menschen immer scheint, als würde alles schlechter, neigt er ganz grundsätzlich zur Anhäufung von Gebirgen aus Dingen, die ihm dann den Weg versperren. Er verhungert dann, weil der Weg zur Sammlung von Frühstücksfleischdosen von all den gekauften Hamstern versperrt wird. Man nennt sowas Ironie, wenn man nichts davon versteht.

Wenn man nichts von Sachen versteht, braucht man manchmal mehr Gehirn, das man sich zum Beispiel auf brainmaps.org beschaffen kann, wo fleissige Hamster 15 Terapixel davon zusammengetragen haben, für alle zugänglich. 15 Terapixel! Dagegen verblassen die Grassamen, die – zur Rettung der Welt nach der nächsten grossen Katastrophe – demnächst in der Weltuntergangsgruft (Doomsday Vault) in einem Berg bei Spitzbergen verscharrt werden sollen, zu einem hirnlosen Nichts. Zugegeben, "Doomsday Vault" ist ein hübscher Name für ein Loch in der Erde mit Gras drin, aber die Prioritäten sind verstellt, wo Gras eingelagert wird, und nicht Gehirn. Ohne Gras zu denken geht nämlich ganz gut, aber hirnlos Gras pflanzen: unvorstellbar.


02.03.2007 | 01:50 | Alles wird besser | Was fehlt

Mit den Ohren laufen

An allen Enden Konvergenz: Niemand verzichtet auf Musik im Ohr und Pulsmesser um die Brust, wenn es zum Joggen in den Wald geht. Naheliegend, die beiden Geräte zu verbinden: Die Ohrhörer, die Jeffrey L. Lovejoy und seine Freunde gerade im Patentamt eingereicht haben und der New Scientist vorgekramt hat, misst den Puls über integrierte Elektroden und gibt die Daten an das Abspielgerät, welches daraus hilfreiche Hinweise generiert.

Mit grossen Schritten in die Zukunft. (Foto: hiperactivo) (Lizenz)
In ihrer detaillierten Beschreibung, die sogar die weissen Kopfhörer des iPods umfasst, vergessen die Erfinder jedoch die logische Einbindung in die Playlist, die bewirkt, dass die Musik nach der gerade anstehenden Herzfrequenz ausgewählt wird. Die Algorithmen, die von 'Positive Tension' auf 'Cirrhosis of the Heart' wechseln, sollten bequem neben die passen, die die aufmunternden Hinweise auswählen, die zur Einflüsterung vorgesehen sind. Diese Erfinder, alles muss man ihnen sagen. Erfindet mal ein bisschen schneller!


21.02.2007 | 11:50 | Was fehlt

Angst essen Mathe auf


Davor muss man doch keine Angst haben. (Foto: slifex) (Lizenz)
Die Wissenschaft hat festgestellt, dass schon kaum vorhandene, weil von grossen Augen und Rundumniedlichkeit noch völlig überstrahlte Frischgeborene eins und eins zusammenzuzählen verstehen, und dabei womöglich auch die akkurat zutreffende Antwort – nämlich "zwei" – in ihrem Kleinkinderballonkopf formen – in Babysprache natürlich. Irgendwann später dann tritt, aus bislang nur unzureichend geklärten Gründen, die Angst vor der Mathematik ins Leben der Menschen, und Verwirrung greift um sich, Eins und Eins soll dann plötzlich wieder Eins sein, oder Drei, oder vielleicht zweimal die "einsamste Zahl", die dann "genauso schlecht" sein soll, es ist ein kolossaler Unfug. Immerhin hat jetzt aber jemand herausgefunden, dass die Menschen nichts dafür können. Die Angst vor der Mathematik selbst nämlich blockiert, einer Studie aus dem Zahlenparadies Las Vegas zufolge, das zur Rechnerei dringend benötigte Kurzzeitgedächtnis, vermutlich mit endlosen rekursiven Erinnerungsschnipseln, erst daran, dass man Angst vor der Mathematik hat, dann daran, dass man grade Angst vor der Mathematik hatte, und so fort. Wären die Bildungsmächtigen in der Lage, eins und eins zusammenzuzählen, es müsste ihnen klar sein, dass die erste Aufgabe des Unterrichts folglich nicht die Vermittlung der gefährlichen Zahlenstrahlen (warum nicht gleich Zahlenraketenwerfer oder Zahlenneutronenbomben?), sondern die Humanisierung des Bestiariums der Mathematik sein müsste: weg mit Brüchen, Ableitungen, Unstetigkeitsstellen, her mit Liebe und Menschlichkeit. Aber davor haben diese Bildungsmächtigen da oben vermutlich zuviel Angst.


19.02.2007 | 20:18 | Was fehlt | Sachen kaufen

Erst Sünde, dann Adam


Wo ist Adam? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
In einer öligen Pfütze auf dem Boden einer grauen und klammen Welt liegt eine hässliche Leiche, zerschrumpelt, aufgequollen, bleich, stinkend. – Das könnten Sie sein, schon nach der ersten Testrunde des neuen Ego-Shooters BioShock 1.0, der im Frühjahr endlich, endlich draussen sein soll. Diese Ankündigung erzeugt vor allem deswegen Vorfreude, weil BioShock abrückt vom vorherrschenden Motiv bisheriger Zockerspiele (dumme, böse Aliens erobern die Welt, Sie müssen's ausbaden): Rasch geht die Fahrt hinab in die Sauerstoffglocke der Unterwasserstadt "Rapture", ein geplantes, aber gründlich missglücktes Utopia und nun grosser Basar für Bio-Waffen. In der verwesungssatten Atmosphäre von Rapture wetteifert man mit Laborversuchspersonen, tuberkulosekranken Klonkindern und haufenweise Überwachungskameras ums nackte Überleben – das Waffenarsenal originell angereichert durch gefügige Killerinsekten, denen das eigene Spielerfleisch als Wirtskörper dient. Überlebenspunkte erhält man durch eine biogenetische Substanz namens "Adam", welche besagte Kinder aus Kadavern saugen und die man ihnen danach auf abenteuerlich unmoralische Weise entwenden muss. Das ist doch mal was, das machen nicht schon alle, das ist nicht 08/15, also: Kaufen!

Wenn jetzt noch die Leute mit ihrem Post-Tschernobyl-Shooter Stalker endlich fertig werden, nimmt der Metakampf gegen die Vormachtstellung der Aliens im Spielegenre eine glückliche Wendung.

Ruben Schneider | Dauerhafter Link | Kommentare (9)


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