Riesenmaschine

23.08.2007 | 22:42 | Alles wird besser | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

Wirtschaftsfaktor Hautcremeinnovation


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wir alle kennen und lieben Pliasmen, also erfundene Fremdworte. Aber ist es wirklich richtig, dass eine Firma wie Garnier mit Nahrologie ein deutschgriechisches Wortmonster mit scheinwissenschaftlichem Abgeschmack in die Wortwelt presst, die noch immer an den Folgeschäden der Erfindung der "Cerealien" in den 90er Jahren leidet? Noch vor wenigen Monaten hätte die kulturpessimistische Sprachbewahrsekte, nennen wir sie die Sicks, darauf eine eindeutig abschmetternde Antwort gegeben. Das tut sie vermutlich heute immer noch, aber inzwischen ist das Gegenteil bewiesen, bzw. lässt sich mittelgeschmeidig herleiten.


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Denn auf dieser Grafik ist für den Zeitraum von 1951 bis 2007 dem Weltwirtschaftswachstum gegenüber der Verwendungzuwachs von Hautcreme abgetragen (Quellen: Wikipedia, Institut für Wirtschaftskosmetik [pdf, 12,4 MB]). Es ergibt sich nicht nur ein direkter Zusammenhang, inklusive der bezeichnenden, typisch 24-monatsverschobenen Einbrüchen zu den Ölkrisen '73 und '79 und dem Spontaneinbruch zur Wiedervereinigung. Darüberhinaus lassen sich vor allem in den Spitzen die grossen Innovationen der Hautcremebranche ablesen: Die '63er sogenannte "Nivea-Explosion", als man bei Beiersdorf mit flächendeckender TV-Werbung begann; der Oil of Olaz-Gipfel von '76 bis '79; die Entdeckung von Ersatzstoffen für ionische Tenside '81 und der Boom der konservierungsstofffreien Gesichtskosmetik '97.

Klar scheint nun, dass ein direkter Zusammenhang besteht zwischen der Weltwirtschaft und der Verwendung von Hautcremes in Deutschland und Europa. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist für alle Nichtfachleute, besonders aber für alle Fachleute noch vollkommen unklar, warum das so ist und vor allem, welcher Faktor von welchem abhängt. Bis das geklärt ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Innovationen auf dem deutschen Hautcrememarkt direkt positive Wirkung auf den Wohlstand der Welt haben. Märkte sind Psychologie und so muss jeder Versuch einer gefühlten Innovation, sei er auch noch so hanebüchen, euphorisch begrüsst werden: Danke, Garnier, super.


16.08.2007 | 02:24 | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Star Trek in Turkey


Iridium-Flares, Minnesota (Foto, Lizenz)
Seltsame UFOs am türkischen Himmel! Genug Sensation natürlich für Astronomy Picture of the Day, eine Einrichtung, die irgendwie mit NASA und Michigan Tech zusammenhängt. Den ganzen gestrigen Mittwoch lang zeigt APOD die Amateuraufnahme des Amateurfotografen Tunç Tezel (nicht verwandt oder verschwägert mit dem Profi-Ablassprediger), auf der seltsame Streifen am türkischen Himmel zu sehen sind. Unklar nicht nur, ob es sich um einen Meteorburst handelt oder einen zerfallenden Satelliten oder um Iridium-Flares oder gar um reflektierende Stromleitungen. Fraglich auch, wie es dazu kommt, dass das Rätsel nicht ordentlich von Profis angegangen, sondern von APOD fachkundig an ein Diskussionsforum für Amateurastronomen abgegeben wird, wo alle erwähnten Optionen in epischer Breite und mit Tetzels Geleit durchgehechelt werden. Neues Demokratie-Experiment in der Wissenschaft? Tausend Affen werden schon ein paar seltsame Streifen am türkischen Himmel aufklären können? Ahnungslosigkeit als Volkssport? Und warum wird die offensichtliche Lösung des Rätsels im Forum erst auf Seite zwei erwähnt und hernach ignoriert?


08.08.2007 | 11:09 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Photosynthese


Aus 597 flickr-Fotos rekonstruiertes 3D-Modell von Notre Dame (Foto: jurvetson) (Lizenz)
Für Tätigkeiten, die eher durch Fleiss und Ausdauer denn durch intellektuelle und kreative Herausforderungen zu charakterisieren sind, schuf der Mensch aus Sand und aus Faulheit den Computer, auf dass er ihn beim Berechnen der Abschussparameter ballistischer Raketen und beim Werfen von leeren Ölfässern auf verliebte Klempner ersetzen möge. Um den nun ununterbrochen auf ihn einhagelnden kreativen und geistigen Herausforderungen Einhalt zu gebieten, erfand er ausgefeilte Freizeitbeschäftigungen, die sich mit Fleiss und Ausdauer begnügen: die DDR, die Steuererklärung und das Tausend-Teile-Puzzle.

Menschen, die das nicht verstanden haben oder einfach kein anderes Thema für ihre Diplomarbeit finden, machen sich daran, diese beliebten Aufgaben nun abermals Gevatter Elektronenhirn aufzuerlegen. Etwa Noah Snavely, Steven M. Seitz und Richard Szeliski vom Graphics and Imaging Lab der University of Washington beziehungsweise Microsoft Research, die sich des Puzzleproblems angenommen haben. Genauer gesagt einer vereinfachten Aufgabenstellung, die davon ausgeht, dass die Motive der einzelnen Teile sich grossflächig überlappen. Und es sind eben auch keine physischen Teile, sondern digitale Fotos, die automatisiert zu einem grossen Ganzen kombiniert werden. Dabei ergibt sich als Abfallprodukt nicht nur ein 3D-Modell des vielfach fotografierten Objektes, sondern auch die genaue Positionsbestimmung der beteiligten Kameras. Egal, ob es sich dabei um Handys oder Spiegelreflexgeräte handelt: Wenn das Puzzle gelöst ist, was schon mal 2 Wochen dauern kann, ist bekannt, an welchen Positionen die Fotografen gestanden haben, jedenfalls relativ zueinander – und das ganz ohne GPS.

Im Bild zu sehen ist, was passiert, wenn dem Algorithmus (PDF Dokument) sämtliche mit "Notre Dame" getaggten Fotos auf flickr zum Frass vorgeworfen werden. Das eigentliche Puzzleergebnis jedoch lässt sich nur anhand dieser Präsentation (die letzen 2/3 handeln von Photosynth) vermitteln, die zeigt, wie wir schon in ganz naher Zukunft durch die Fotos der von Touristen flächendeckend dokumentierten Sehenswürdigkeiten unserer Welt morphen werden. (Noch beeindruckender als diese Präsentation ist das Video zum Paper (Quicktime 120MB oder WMV 55MB), das aber unter Umständen leider vorm Ansehen komplett heruntergeladen werden muss.)

Und weil als Nebeneffekt alle verwendeten Fotos dann sehr exakte Angaben über Position und Aufnahmewinkel haben, können wir zukünftig auf das Fotografieren von Sehenswürdigkeiten endlich ganz verzichten: Ein Klick auf den GPS-Empfänger zeichnet Position und Ausrichtung auf, und zu Hause sehen wir uns dann einfach die Bilder an, die vorher schon hundertmal genau aus dieser Perspektive gemacht wurden. Dann sind auch nicht immer diese Kinder im Bild. Oder zumindest nicht die eigenen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Vorher Nachher Urlaubsphotos


06.08.2007 | 16:49 | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Revolutionäre Warenform


Spül mir ein kleines Arbeiterkampflied... (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Im Supermarktregal gesehen hat man sie schon länger: jene Sonderform der Waschgel-Flasche von Persil zum soundsovielten Firmenjubiläum. Auch gekauft und nach Hause getragen. Aber vielleicht nicht ganz begriffen, was sie an symbolischen Überschuss in sich trägt, woher die Pathosformel stammt, die darin anklingt. Vielleicht braucht es zwei davon, die zusammen genommen an die Zweifigurengruppe Arbeiter und Kolchosebäuerin von Muchina auf dem Sowjetischen Pavillion der Pariser Weltausstellung von 1937 erinnern. Vielleicht muss einem das zweite Exemplar mit einem Augenzwinkern von Mercedes Bunz zum Geburtstag geschenkt werden, die ja die aufmüpfige Warenform schon quasi im Namen trägt, damit man begreift, dass sich darin das stellvertretende Aufbegehren der Produkte verkörpert, die die revolutionäre Pose des Arbeiterkampfes zitieren: der Aufstand der Warenform gegen sich selbst! Antonioni hat so etwas geahnt, als er am Ende von Zabriskie Point das ganze Gerümpel in die Luft fliegen liess.


06.08.2007 | 06:56 | Zeichen und Wunder

Technische Lösungen für soziale Probleme


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