Riesenmaschine

16.12.2008 | 19:01 | Berlin | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Ein schöner Tag im Lenkungsausschuss Obst


Oft falsch eingeschätzt: die hohe Zahl der Vorteile der Erdbeer-Hochsaison (viele) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Den mächtigen Vonnebrink aus dem Fruitvertrieb und Stockmann vom Markenmarketing hatte Büscheling schon auf seiner Seite. Jetzt musste er eigentlich nur noch den Bereichsvorstand Öbste & Gemüsen der Holding, also Sasel selbst, überzeugen. Das neue Vertriebskonzept war einfach und genial "Einfach genial – genial einfach" (Büscheling hatte sich antrainiert, stets in Slogans zu denken). Erdbeeren seien in erdbeerdesignten Outlets verkaufen, Mandarinen in mandarinendesignten Outlets – er hatte eine 154seitige PowerPoint mit 153 verschiedenen Outlet-Entwürfen anfertigen lassen (das Quitten-Outlet konnte auch für Kaki verwendet werden): "Wir schaffen zwei, drei, viele Generic Retail Opportunities!" Ein Vorschlag wie ein Donnerschlag, nachgerade ein Donnervorschlag.

Der Lenkungsausschuss Obst sass dann auch wie vom Donner gerührt da. Bis Perlebach – "der Komet", wie sie ihn wegen seines Aufstiegs vom stellvertretenden Leiter Steinobst zum Vizeleiter Fruchtdrittverwertung in nur neun Monaten nannten – die Frage stellte: "Und ausserhalb der Fruchtsaison?". Büscheling hatte auf die Frage regelrecht gelauert und stiess die mit den Beratungsconsultants vorbereitete Antwort hervor: "It's not a bug, it's a feature! Ausserhalb der Saison ist es 3D Fruit Advertising." So sei immer Saison, jedenfalls für die Firma, trug Büscheling überzeugend vor.

"Ein völlig korrektes Argument", befand Sasel am Abend nach der Vorstandspräsentation, aber man müsse den Kunden ihren Vorteil auch nahebringen, am besten mit einem Schild. "Wann ist überhaupt Erdbeer-Hochsaison?" "Na, jetzt!", kannte sich Büscheling perfekt aus. "Das müssen Sie natürlich auch draufschreiben". Zufrieden schenkten sie sich einen Gemüsler ein, im Übrigen eine Erfindung Sasels, der damit den sinkenden Obstler-Umsätzen der Fruchtkörperverwertung begegnen wollte.

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12.12.2008 | 12:06 | Berlin | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Ein schöner Tag bei den Berliner Verkehrsbetrieben


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Machen Sie den Kunden die schiere Überfülle unserer Haltestellen irgendwie grafisch anschaulich!", hatte Klapheck gefordert, "7.432 Haltestellen, da muss man sich doch nicht verstecken, das kann sich doch sehen lassen!" Aber als es darum ging, wo sich diese vielen Haltestellen eigentlich befanden, hatte Wisseling natürlich aus keiner Abteilung der BVG Antwort auf seine Mail erhalten. Wahrscheinlich wusste man es nirgends so genau, 7.432 Haltestellen, das waren ja auch verdammt viele, wer sollte da den Überblick behalten. Na, es würde schon nicht so drauf ankommen. Erst mal Spree, Dahme und Havel aus dem Gedächtnis eingezeichnet. Dort hielten sicher keine Busse, und auch im Müggelsee nicht. Aber auf den Flugfeldern in Tegel und Tempelhof? Fuhren da nicht andauernd Busse herum? Und wo Busse waren, gab es sicher auch Haltestellen, viele Haltestellen. Die Busse der BVG hielten auch in Häusern, und in Parks, wie sollten alte und gebrechliche Bürger sonst ins Grüne gelangen? Jetzt noch die lückenlose Versorgung des Teltow- und Landwehrkanals mit Schiffshaltestellen herausstreichen. So, schon fertig. Waren es auch genau 7.432 Punkte geworden? Ach, das sollte der Praktikant übers Wochenende nachzählen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Bloomstag in der Güldenkron Fruchtsaft GmbH, D-57647 Nistertal


31.07.2008 | 16:00 | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Ein schöner Bloomstag in der Güldenkron Fruchtsaft GmbH, D-57647 Nistertal


(Foto: Holm Friebe)

(Foto: Holm Friebe)

Es geschah am 16. Juni (Foto: Holm Friebe)
Stattlich und feist erschien Buck Orgelmann am Treppenaustritt, eine Fruchtsaftschale in Händen, auf der gekreuzt ein Grapefruitlöffel und ein Trinkhalm lagen. Ein gelber Schlafrock mit offenem Gürtel bauschte sich leicht hinter ihm in der milden Morgenluft. Er hielt die Schale in die Höhe und intonierte: Introibo ad altare Dei. Von den apfelsinenblauen Bergen wehte mild ein stream of consciousness herüber, und Orgelmann rief aufgekratzt: "Komm rauf, Beiküfner! Komm rauf, du feiger Jesuit! Jetzt werden Claims mit Köpfen gemacht!"

Beiküfner, der seit dem Rauswurf Manskes Reinigungskolonne und Art Director in Personalunion war, liess seinen Besen sinken. Die Entwicklung der neuen Produktlinie musste vollkommen an ihm vorübergegangen sein. Hatte der Seniorchef wieder im Alleingang Südfrüchte ins Leitungswasser gezwungen? War beim Verestern der Buttersäure etwas schiefgelaufen? Jetzt hiess es Schlagfertigkeit beweisen. Beiküfner schloss die Augen, sog an dem hingehaltenen Trinkhalm und murmelte: "Erfrischend und lecker! Refresh and lecker!" Das gefiel dem Orgelmann nicht schlecht. Er befahl, fortzufahren. Beiküfner legte ein zartes "Irgendwie voll lecker!" nach. Auch okay. "Aber jetzt mal weg vom lecker! Mehr Inhalt!" mahnte Orgelmann. "Mit Vitaminen in sich drin! Vitamins added!" rief Beiküfner. "Yes! Yes!" antwortete Orgelmann.

Die Begeisterung seines Chefs übertrug sich per Spiegelneuronen sofort auf Beiküfner zurück. Er hüpfte über den waschbetonverblendeten Hinterhof der Güldenkron Fruchtsaft GmbH und wirbelte mit seinem Besen zwei Wollmäuse vor sich her: "Und mordsmässig zuckersüss! Fucking sugarsweet!" Der enthusiastische Ausdruck auf dem Gesicht des Firmenpatriarchen versteinerte. War es das Wort fuck? War es sugar? Beide erinnerten Orgelmann unwillkürlich an das Showformat, das er vor wenigen Tagen im kommerziellen Fernsehen entdeckt gehabt hatte. Streichholzdürre Frauen der Unterschicht kämpften um die Krone der Allerschönsten und verweigerten die Nahrungsaufnahme. Das schien so eine Art Trend zu sein, das hatte sogar schon einmal im Nistertaler Tagesboten gestanden. "Kein sugar!" dekretierte Orgelmann geistesgegenwärtig. "Sugar ist out." – "Dann kalorienarm im Gegenteil! Calorie-dings!" preschte Beiküfner unbeirrt voran; und wieder einmal hatte die Güldenkron Fruchtsaft GmbH ein neues Topprodukt in Rekordzeit plaziert.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein nur für manche schöner Tag in der Werbeagentur


29.07.2008 | 11:23 | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Ein nur für manche schöner Tag in der Werbeagentur


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Stenzel kochte. Dieses Arschloch. Er hatte es schon wieder getan! Wonnegat, Junior Creative Director aus dem 2. Stock, war mal wieder "rein zufällig" beim Meeting für die neue Hornbach-Frühjahrs-Aktion in den Konfi geschneit, hatte mal wieder wie nebenbei einen Satz gemurmelt, den Dr. Vöckel, Chief Creative Officer und extra aus Düsseldorf angereist, mal wieder umgehend zum Kampagnenclaim erklärt hatte. Stenzels eigene Arbeit – vier Wochen lang Marktdaten, Creative Briefs und Brand-Core-Analysen lesen, die Werbung aller deutschen Baumärkte seit 1985 auswendig lernen und aus diesem Wissen dann zehn verschiedene Kampagnenideen erstellen – war dahin.

Seit Jahren ging das nun so. Stenzel hatte sich "Yippiejaja yippie yippie yeah" ausgedacht – das als Markenclaim schon vor langem durch Wonnegats "Es gibt immer was zu tun" ersetzt worden war. Stenzel hatte Schnick und Schnack, die Hand-Drauf-Aktion, den Stuntman-Spot und die Hornbach-Sommerspiele erfunden – Wonnegat hatte im Vorbeigehen "Mach es fertig, bevor es dich fertig macht", "Sie werden wachsen. Mit jedem neuen Projekt" und "Jedes Projekt macht dich besser" getextet. Und statt von Stenzels "Liebe Dein Zuhause. Dann liebt es Dich auch" oder der "Blixa Bargeld liest Hornbach"-Aktion redeten alle nur über die angeblich schlichte Genialität von "In jedem Projekt steckt ein Teil von dir" und "Mach's wie du willst – aber mach's". Aber wie konnte Wonnegat, der ohnehin schon parallel auf zwei Grosskunden arbeitete, bloss immer wieder neue Claims aus dem Ärmel schütteln?

Später am gleichen Tag lag Wonnegat zufrieden in seinem Bett. Düsseldorf freue sich auf ihn, so hatte Dr. Vöckel bei seiner Verabschiedung versichert. Wonnegat öffnete die Nachttischschublade, holte seinen beim Firmenwichteln 2002 gewonnene Abreisskalender "365 Spruchweisheiten für den Freiberufler von heute" hervor und wog ihn liebevoll in seinen Händen. Er hatte ihn auch dieses Mal nicht im Stich gelassen und dabei war er erst beim 15. Januar angekommen.

Mal schauen, was auf der nächsten Seite stand... aha: "Wem du bei deinem Projekt vertraust, dem kannst du bei allem vertrauen". Ausgezeichnet, dachte Wonnegat. Daraus sollte sich doch was für die Sommer-2008-Kampagne machen lassen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein dann doch noch ganz schöner Tag in der Hama GmbH & Co KG


19.07.2008 | 17:28 | Was fehlt | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Ein dann doch noch ganz schöner Tag in der Hama GmbH & Co KG


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Salweiders Präsentation lief, wenn man ehrlich war, nicht so besonders. Die erste Slide zeigte das Shampoo "Wash & Go", mit dem der 2-in-1-Markt 1989 unter mühsamen Kampagnen zur Aufklärung der Käufer erschlossen worden war. Weiter ging es mit den Folgeerscheinungen: den Zweiphasenprodukten, den Biermixgetränken und dem Schnabeltier. Langatmig stellte Salweider die 3-in-1-Produkte und die 4-in-1-Produkte vor. Ab 10-in-1 ging es eigentlich nur noch um Kartenlesegeräte. Als er endlich bei den 39-in-1-Produkten ans Ende der Vorgeschichte gelangte, kämpften nicht nur Wrobel und Engolding mit dem Schlaf. Salweider riet unter Berufung auf das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens dazu, es der Konkurrenz gleichzutun und die Finger von 40-in-1-Produkten zu lassen. Die Lage schien aussichtslos.

Die nächste Slide aber riss die Geschäftsleitung aus ihrem Halbschlaf. Die Hama 1-in-1-Fernbedienung! "Salweider, Sie Fuchs!", "Der Salweider mal wieder!", so hiess es, und beim unmittelbar folgenden Sektumtrunk wurden die Nachfolgemodelle "0-in-1-Fernbedienung" und "1-in-2-Fernbedienung" gleich in einem Aufwasch mit abgesegnet.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein durchschnittlicher Tag in der Aufzugfirma


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