Riesenmaschine

05.03.2006 | 15:18 | Anderswo | Fakten und Figuren | Papierrascheln

Pekingente besiegt Blixa Bargeld


Historisches Cover zum Ausschneiden und Sammeln
Dauernd wird in China Geschichte gemacht. Vor ein paar Wochen wurde ein Zaun errichtet – gestern erschien der erste chinesische Rolling Stone. Damit gibt das amerikanische Mutterblatt dem "Festland" – wie die Volksrepublik hier nur genannt wird – den Vorzug vor Hongkong und Taiwan, wo nur eventuell und erst zu einem späteren Zeitpunkt Lizenzausgaben erscheinen sollen. Leider enthält auch die – allerdings schön aufgemachte – chinesische Ausgabe kaum mehr als üblichen Rockkrempel. Die Coverstory ist Cui Jian gewidmet. Der ist so etwas wie der hiesige Udo Lindenberg (mit dem der Chinese auch schon auftrat), nur trägt er statt Hut eine Basecap. Er gilt als rau und ehrlich und muss seit Jahren herhalten, wenn ein westlicher Korrespondent beweisen will, dass es auch in China eine lebendige Rockszene gibt. Tatsächlich aber war seine letzte CD nicht mehr als ein Stück Ethnorockschrott aus dem Leichenschauhaus. Nicht weniger schlimm ist eine elfseitige, reichhaltig bebilderte Strecke über die übelste Band der Welt, deren Namen sie auf dem Cover selber nachlesen mögen, weil wir ihn hier garantiert nicht hinschreiben.

Auch ein Deutscher hat es in die historische Ausgabe geschafft: Blixa Bargeld, seit letztem September Neu-Pekinger. Im Interview erzählt er, wie er von chinesischen Fans vorm hiesigen Ikea erkannt und begrüsst wurde. Seinerseits habe er dann wenig später auch jemanden erkannt, und zwar in einem Taxi Brian Eno. Nur hätte er, Blixa, ihn leider nicht begrüssen können, weil er selbst in einem Taxi sass usw... So spielt das Pekinger Leben. Im Weiteren erklärt der Schwarzträger den Chinesen: "Ich ziehe Schwarz nicht an, weil ich gothic bin. Ich habe Gothic erfunden. Und viele andere Kunstformen seit den Achtzigern auch", dass er vor dreissig Jahren Vegetarier wurde, weil er nicht dasselbe essen wollte wie sein Vater ("Das war eine Rebellion"), sowie: "Ich glaube immer noch an den dialektischen Materialismus. Und ich glaube immer noch an Marx."

Wir können hier nicht sagen, ob Blixa Bargeld auch aus dialektischen Gründen mit dem Fleischverzehr wieder begann, kaum hatte er Pekinger Boden betreten. Eine leckere Pekingente war sein erstes Fleischgericht nach drei Dekaden. Zumindest teilen wir sein "Gefühl: Peking wird das Kulturzentrum der Welt." Nur wird das noch eine welthistorische Sekunde dauern. Das sagt uns auch die erste Ausgabe des chinesischen Rolling Stone.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: The Writing on the Wall (is the wall)

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link


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"We Need to Talk About Kevin", Lynne Ramsay (2011)

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