Riesenmaschine

05.07.2006 | 18:41 | Fakten und Figuren

Assoziationskettenmassaker: Gio versus Carlo

Wem ist es nicht schon passiert: Man redet von Gio Ponti, meint aber Carlo Mollino. Dann wiederum erzählt man, dass letztes Jahr für 3,8 Millionen Dollar ein Esstisch von Gio Ponti versteigert wurde, aber natürlich war der von Carlo Mollino. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Mollino ist der mit dem Satanismus, den Autos und den Weibern. Ein Architekt, der kaum je gebaut hat, sich dafür mit Autorennen, Fliegen, Satanismus, Photographie und Frauen vergnügte und daraus dann die Formensprache seiner Entwürfe generierte. Bekannt sind etwa die Stühle, deren Rückenlehnen einen gespaltenen Huf assoziieren. Oder die Tische, die Umrisslinien von Frauenkörpern verarbeiten – Umrisslinien, die Mollino aus dem von ihm selbst produzierten softpornographischen Material entnahm. Das tönt erstmal gut und wird bei Mollino ja auch gut, so einfach, wie man im ersten Moment denkt, ist es dann aber auch wieder nicht mit dem erotischen Mobiliar. Eine fein abgeschmeckte Mischung zwischen Kopie, Assoziation und Referenz zu finden und zu einem gelungenen Möbel zu verarbeiten, wird meistens scheitern, wie Mario Pilippona hier eindrücklich beweist. Wie es hingegen mit biomorphen Formen gehen könnte, beweisen Herzog und de Meuron mit ihrer Leuchte 'Jingzi', die ebenfalls irgendwie an den Biologieunterricht erinnert, aber als Leuchte auch ganz gut funktioniert, was man etwa im Café der Hypo-Kunsthalle in München überprüfen kann.

Was dort für eine Kaffeemaschine steht, wissen wir nicht, aber es wird kaum die 1949 von Gio Ponti für Pavoni entworfene sein. Dabei wäre es dann so einfach zu merken: Der mit dem Tisch ist Mollino, der mit der Kaffeemaschine ist Ponti. Vielmehr ist es aber wahrscheinlich so, dass dort, im Café des Hypomuseums irgend ein Vollautomat steht, der auf Knopfdruck Espresso, Latte Macchiato und Kaffee mit Haselnussaroma produziert. Immerhin, denn man muss heute ja schon froh sein, wenn man nicht Instantkaffee vorgesetzt bekommt. Instant an sich, auch das muss einmal gesagt sein, ist ja nicht per se schlecht. Zwar bleibt bei dieser Installation der Begriff so platt wie der "elektronische musik bau spiel automat", der sich auch nicht wesentlich von Spielereien wie dem Sven-Väth-Generator unterscheidet. Schon besser ist Instant allerdings als Haus, was man hier überprüfen kann und man beachte dabei auch Sascha Lobos ersten Auftritt als Photomodell. Die Seite Instant Anatomy hingegen hätte einem der beiden möglicherweise viel Arbeit gespart, hätte er doch die anatomischen Formen nicht mehr mühsam photographieren und abzeichenen müssen, sondern hätte sie einfach herunterladen können. Wobei: Instant waren die Photographien Mollinos irgendwie ja auch, bediente er sich doch der fast vergessenen Kulturtechnik 'Polaroid'.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Assoziationskettenmassaker


Kommentar #1 von einem geneigten Leser:

Ohne den Text bis ganz ans Ende gelesen zu haben, muss doch dringend davor gewarnt werden, Mollino mit Moretti und Ponti mit Nervi zu verwechseln.

07.07.2006 | 10:10

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