27.07.2006 | 20:24 | Vermutungen über die Welt
(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Die Sucht nach Abwechslung im Alltag ist eine der grössten Geisseln der Menschheit. Der Grossteil des selbständig beweglichen Kohlenstoffs, der den Planeten bevölkert, ist damit beschäftigt, selbständig beweglicher Kohlenstoff zu bleiben. (Reporter: Und was machen Sie so den ganzen Tag? – Milbe: Eine Milbe tut, was eine Milbe tun muss. – Hammerhai: Seh ich auch so.) Nur die Krone der Schöpfung entblödet sich nicht, tagaus, tagein Handlungen vorzunehmen, die das Ziel haben, sich von Handlungen von gestern und vorgestern zu unterscheiden, die gestern und vorgestern aber auch schon genau diesen Zweck verfolgten. Der Urlaub vom Alltag wird so irgendwann zum Urlaub in das innere Krisengebiet.
Das muss alles nicht so sein. Denn der angeblich so erbarmungslose starre Zeitpfeil lässt sich wie ein Spaghetto abkochen und zu lustigen Schleifen drehen. Kluge Menschen haben das erkannt, wie z.B. Ludwig Wittgenstein, der meinte: "Mir ist egal was ich esse, solange es immer nur das gleiche ist." In Hinblick auf künftige ökologische Krisen wird man sich irgendwann an diesen Satz erinnern müssen, vielleicht als passende Parole für das Konzept Nährschlamm.
Einen radikaleren Weg der Vermeidung von irritierender Abwechlung geht Roman Opalka. Getarnt als gross angelegtes Kunstprojekt, auf das bisher noch jedes Museum moderner Kunst hereingefallen ist, verfolgt dieser mit der Weisheit der Milbe gesegnete Mensch seit 1965 ein einziges Ziel: Alle Zahlen aufschreiben, die es überhaupt gibt. Nun kann man sagen: Ja aber die sind doch alle bekannt. Opalka: Das wollen wir erst mal sehen.
Man sieht, es ist gar nicht schwer. Streichen Sie das nächste Wochenende in Tropical Island. Meiden Sie überhaupt Angebote, die Ihnen ein Baumelnlassen der Seele versprechen. Wenn Freunde Ihnen vorschlagen, doch mal in diesen neuen Club zu gehen, antworten Sie: Wieso, da war ich doch noch nie. Kaufen Sie sich statt sechshundert Paar Schuhen sechshundert Westerntöpfe, schauen Sie nur noch 9live ... Ja bitte, Herr Guru Dschi da hinten in der letzten Reihe? – Ich möchte auch noch was dazu sagen, aber Sie nehmen mich ja nie dran!
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Thementag: Das Vergehen der Zeit
Kommentar #1 von Onkel Jupp:
Hach, jetzt lästern sie hier schon über die Milben. Der richtungslose Mensch, wie ihn schon Herder beschrieb, verfällt doch pausenlos ob seiner Ungerichtetheit in eine Depression nach der anderen. Die Emanzipation der Frau kam ja nicht so ohne weiteres aus dem Ovum geschlüpft. Milben haben eine Zukunft, um die sie sich nicht scheren müssen, weil sie bereits heute schon da ist, wenn nicht irgendwo ein Milbizid dräut. Wären wir wie Milben, die Alchimisten der pharmazeutischen Industrie könnten sich wie seinerzeit bei Herrn Carrell an das laufende Band setzen und zählen zählen zählen zähln zäln zän zzz...
27.07.2006 | 23:20
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Motorroller
- pastellfarbene Kugeln
- klare Schmuddeldenke
- Kritikkritik mit Bernd Ladwig
SO NICHT:
- auf ein Echo warten, wenn man in einen alten Kartoffelsack ruft
- Motorola
- zuviel Lametta
- einen auf naiv machen
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Caché", Michael Haneke (2005)
Plus: 21, 27, 31 einfach, 34, 35 Minus: 3, 9, 40, 42, 55 Gesamt: 0 Punkte.
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