Riesenmaschine

23.01.2007 | 13:12 | Alles wird besser | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

Von echt unecht nach unecht echt


"Züri in a Box"
(etwas klarer wird das Prinzip am grösseren Bild)
Foto: Jan Bölsche
Vor einer Million Jahren, also in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrtausends, als die Menschen – genauer: die Familienväter – noch Hobbys hatten, die es ihnen ermöglichten, soziale Kontakte auf ein erträgliches Minimum zu reduzieren, versuchten sich einige daran, die Welt jenseits der eigenen Kellerwände möglichst naturgetreu und möglichst zeitintensiv nachzubauen. Aus Platzmangel beschränkte man sich hierbei auf einige wenige Highlights der realen Welt, gern mit einer leichten Fokussierung auf den schienengebundenen Fernverkehr. Weil trotz dieser Beschränkung und der Nutzung des gesamten Souterrains der Platz für einen 1:1-Nachbau noch immer nicht reichte, sah man sich gezwungen, die Welt verkleinert darzustellen, nämlich in H0.

Damit die Peergroup auch was davon hatte und soziale Kontakte dennoch nicht unnötigt vertieft werden mussten, wurden mittels Makroobjektiv Fotos gemacht, die aussehen sollten wie Luftbilder einer realen, auf einer der Ziffer Acht nachempfundenen Gleisanlage endlose Runden durch oberbayerische Bergdörfer mit dem Bahnhof von Baden-Baden drehenden Dampflokomotive mit drei ICE-Waggons. Dass diese Bilder dennoch irgendwie unecht aussahen, lag ausschliesslich an der empörend geringen Tiefenschärfe von Makroobjektiven.

Ganz anders heute: Die überflüssigen Schritte (Vermessung des Originalgebäudes, Produktion und Vertrieb eines Faller- oder Vollmermodells, Erwerb desselben, Zusammenbasteln des Modells mit Flüssigkleber, künstliches Altern mittels Staubpinsel) werden weggelassen und stattdessen einfach ein Digitalfoto der Originalszenerie angefertigt. Die mangelhafte Tiefenschärfe kann entweder mittels Tilt-Shift-Objektivs (teuer) oder per Bildbearbeitung (aufwendiger) hergestellt werden. Die Bilder sind viel grossartiger, massstabsgetreuer, schöner und frei von Achtförmigem. Und weil das ganz ohne Modelleisenbahnlandschaft geht, ist im Keller jetzt endlich wieder genug Platz für den ungestörten Flug mit dem Modellflugzeug.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Sex in H0


Kommentar #1 von Weltenweiser:

Nach Generation Golf und Generation X kommt halt Generation Photoshop. Hat er aber schon schick hingebastelt.

23.01.2007 | 18:44

Kommentar #2 von Sarah:

Eine holde Beschreibung der ebenso holden Kunst, aus Hundskommunem (wie man in der verschachtelten Stadt in H0 sagt) Märchenhaftes zu zaubern... Da werden selbst X-Twins in Kellergewölben und Innenhöfen zu Königinnen der Lüfte.

23.01.2007 | 19:29

Kommentar #3 von Moritz von Schwindsucht:

Nachdem sich Sex in HD nur schwer verkauft (http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/0,1518,461376,00.html), ist Sex in H0 natürlich besser.
Die einzige Steigerung bleibt vermutlich Sex in HH oder HB.

24.01.2007 | 13:27

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