Riesenmaschine

07.03.2007 | 18:18 | Alles wird besser | Papierrascheln

Liebliche Systeme


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Für Musik gibt es last.fm und Pandora und vielleicht eines Tages auch mal iLike, für Bücher gibt es nur die Amazon-Empfehlungen, die in den neun Jahren ihrer Existenz nur wenig klüger geworden sind. Nichttechnisch generierte Menschenempfehlungen fallen wegen ihrer grossen Amplituden weg, denn noch unterschiedlicher als der Fingerabdruck ist wohl nur der Bücherregalabdruck zweier Menschen. Lovelybooks soll seit Ende 2006 mit Hilfe der Weisheit der Massen schaffen, was bisher nicht gelungen ist, nämlich brauchbare Buchempfehlungen auf der Basis des bisher Gelesenen zu geben. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, ob die bis Ende April zu verlosenden 50 Buchpakete wohl erstmals in der Geschichte des Preisausschreibens auf die Vorlieben des Gewinners abgestimmt sein werden.

Optisch setzt Lovelybooks bisher stark auf die amazontypische Idee aus dem vorigen Jahrhundert: "Was viele gut finden, müssen alle gut finden", während man den Hauptvorteil von last.fm, die individuellen Empfehlungen von Geschmacksnachbarn, länger suchen muss. Aber es handelt sich ja auch noch um die Betaversion, nach deren Abschluss vielleicht auch das Suchen und Hinzufügen eines Buchs nicht mehr länger dauern wird als dessen Lektüre.

Ausnahmsweise braucht man übrigens keine Angst vor der üblichen "Sympathisches kleines Startup wird von bösem Konzern aufgekauft, alles wird schlechter"-Entwicklung zu haben, denn das unter anderem von last.fm-Mitgründer Michael Breidenbrücker von Lovely Systems entwickelte Lovelybooks gehört von Anfang an der Holtzbrinck-Gruppe. Ich hoffe, den Germanistikprofessoren der FU Berlin, die ich 1994 als Betreuer für die Entwicklung eines solchen Systems als Abschlussarbeit zu gewinnen versuchte und die mich auslachten, tut es heute leid und sie liegen nachts wach und weinen.


Kommentar #1 von raketentim:

Es gibt ja auch noch "what should i read next?"
http://whatshouldireadnext.com/

07.03.2007 | 19:26

Kommentar #2 von Iwo:

Oder es gibt www.readme.cc, zwar gelegentlich viel Lärm um Nichts und dieses Ungarisch gibt mir auch so manches Rätsel auf, aber wenigstens keine triebgesteuerten Eselsohrensammler.

07.03.2007 | 21:54

Kommentar #3 von Germanist S.:

Liebe Frau Passig,
aber die Abschlussarbeit, die Sie dann stattdessen abgegeben haben, dieser schnelle und schludrige Verriss des Umgangs der Germanistik mit der »Trivialliteratur«, grosszügig gestreckt mit ganzseitigen Bourdieu-Zitaten, ist dann doch auch so schlecht gar nicht gewesen. Wenn man bedenkt, dass Sie erst freitags angefangen haben und am darauffolgenden Mittwoch fertig waren.

07.03.2007 | 23:58

Kommentar #4 von Nic:

Die weinen nicht. Die verjuxen ihre Pensionen und halten dieses ganze Internet-Dings nach wie vor für Schnickschnack.

08.03.2007 | 08:00

Kommentar #5 von LoK:

Habt ihr schon gesehen, dass das Buch "Wir nennen es Arbeit" sehr gut besprochen wurde? Das seid doch ihr, oder? http://www.lovelybooks.de/library/Dv3oCQ0F/editComment.html

08.03.2007 | 09:24

Kommentar #6 von Stuart Margolins Poolreiniger:

Was Nic sagt. Dass ein deutscher Professor jemals auch nur von einem Gran Selbstzweifel geplagt werden könnte, davon träumst Du doch nachts, vgl. Rüdiger Preisser, Die Ausseralltäglichkeit der deutschen Hochschulen, schöner Aufsatz, auch von 1994.

08.03.2007 | 09:50

Kommentar #7 von baronsamedi.:

eine idee zu früh zu haben ist genauso töricht wie sie zu spät zu haben.

08.03.2007 | 23:30

Kommentar #8 von Kathrin:

Das ist wahr, und das (eigentliche, wenn auch nicht das von den Germanistikprofessoren ins Feld geführte) Problem meines Plans war, dass es noch kein Internet gab. Das heisst, es gab schon eines, aber dort waren sich alle einig, dass Literatur mit Douglas Adams anfängt und mit Terry Pratchett aufhört, es gab also keinerlei Empfehlungsbedarf. Ich habe damals Zettel aus Papier an Studenten ausgeteilt, mit Feldern für Bücher, die sie gern mochten und, ach. Irgendwo liegt das alles noch rum.

08.03.2007 | 23:38

Kommentar #9 von Nic:

Nicht wegschmeissen, das kommt dereinst ins Museum der zu frühen Dinge.
Was haben denn die Professoren als Gegenargument ins Feld geführt?

09.03.2007 | 08:24

Kommentar #10 von Kathrin:

"Frau Passig, Sie stellen sich das zu einfach vor, zu mechanistisch. Geschmack ist eine viel komplexere Angelegenheit, die sich nicht einfach in Schubladen einsortieren lässt." So ausnahmslos alle Befragten. "Aber wenden Sie sich doch mal an den Herrn X., der kennt sich aus mit Informatik." Herr X hatte dann immerhin einen Computer. Auf dem lief sogar Word.

09.03.2007 | 14:10

Kommentar #11 von Birte:

Ihr werdet es nicht glauben, aber auch die Germanistik wendet sich. Ich schreibe gerade meine Magisterarbeit über Lovely Books. Das mit den Bourdieu-Zitaten ist allerdings auch nicht schlecht.

02.06.2007 | 17:19

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