Riesenmaschine

21.05.2007 | 18:48 | Anderswo | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Ad fontes ist keine Werbeagentur


Wo der Bartel das Trendgetränk holt (globetrotter1937) (Lizenz)
Durch das Dickicht der Trendnachrichten über die unaufhaltsame Verfeinerung der Produktwelt nagt hin und wieder der Hirsch der Vereinfachung einen schmalen Pfad. Das US-Magazin Slate berichtete schon im April über den neuen Snobtrend Leitungswasser: Weil Europa sehr weit weg von Amerika sei und Bruder Baum über derlei Transportverbrechen weine, kehre man in der kalifornischen Trendgastronomie Perrier, Evian und San Pellegrino zugunsten von gefiltertem und bläschenbefülltem Gratis-Leitungswasser den Rücken. Obwohl Europa von Europa gar nicht so weit weg ist wie von Amerika, wird dieser Trend, wie jeder andere Trend aus Kalifornien, binnen Minutenfrist nach Deutschland importiert werden. Und da die Welt dringend einfacher und überschaubarer werden muss, stehen wir mit Wimpeln am Wasserhahn bereit, um ihn zu begrüssen.

Zwar sagt man, in der deutschen Gastronomie werde im Unterschied zur amerikanischen der Gewinn über die zum Essen eingenommenen Getränke erwirtschaftet, so dass schon wenige Minuten später mit dem Ableben eines Grossteils des Gaststättengewerbes gerechnet werden muss. Aber im Interesse der vereinfachten Entscheidungsfindung "Wohin zum Essen" und auch der unkomplizierteren Beitragsgestaltung wollen wir auch in diesem Punkt einfach mal wie immer: einverstanden sein.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Single Cola, Single Cask


Kommentar #1 von Rudi K. Sander; www.differenztheorie.de:

Fishing for attention ist sicher keine Untugend, und ein Vergehen gewiss nicht. Dennoch: Diese Links hier abzuklappern war ein ungezogener Griff nach meiner kostbaren Lebenszeit. Eingebracht hat es schier nichts, nicht einmal ein müdes Lächeln, geschweige denn ein Schmunzeln. "Leser zum Schmunzeln zu bringen" habe ich gerade in einem aktuellen Buch gelesen, dem ich (dem Buch) Kompetenz attestieren muss.
Der Text enthält auch keine erkennbare "Selbstanpreisung" (auch so ein eben gelesenes Stichwort), wofür ich durchaus noch Verständnis aufbrächte.
In dieser meiner aktuellen Lektüre finde ich auch die Empfehlung: "Teilnahme an der öffentlichen Diskussion". Aber an welcher?
Für mich zählt Relevanz, gesellschaftliche Relevanz, die erkenne ich aber nicht in einem Hinweis, dass man im verrückten Amerika jetzt profanem Leitungswasser den teuren und grundlos hochgejubelten Mineralwassermarken gegenüber den Vorzug gäbe. Da könnte ich aus meiner damaligen Praxis der Betriebsbesichtigungen nur erstaunt fragen: Ja wusstet ihr denn nicht, dass die meisten natürlichen Mineralquellen dem Umfang professioneller Nutzung ohnehin nicht gewachsen sind? Überall wird gewöhnlich Leitungswasser zugesetzt. Bearbeitet muss die natürliche Wasserlieferung ohnehin, weil fast immer zuviel Eisen mithochsprudelt. Das muss ja raus, weil es alle Behältnisse braun färbt, dies würde kein Kunde tolerieren. Und der zivilisatorische Mineralwasserbedarf ist durch simples Abfüllen an der Quelle gar nicht zu realisieren. Bevor aus (z.B.) Rheinwasser dann Reinwasser, und aus Reinwasser endlich Trinkwasser wird, ist ein weiter Weg: Absetzen, Filtern, versickern, hochpumpen, versprühen, enteisen, wieder versickern, dann endlich in die Leitungen oder Wasserflaschen (mit und ohne Kohlensäure, natürlicher und zugesetzter). Das Leben ist halt komplex. Und Texte sind meist, schon notgedrungen und wegen Zeitmangel, bedeutend unterkomplexer.
Ein wenig mehr gesamtgesellschaftliche Relevanz dürfte es für meinen Geschmack (nicht nur beim Mineralwasser) schon sein.
Guten Appetit und Salmonellenfreie Gesundheit wünscht allen: Rudi Sander

21.05.2007 | 22:02

Kommentar #2 von Trendforschungsforscher:

Na, nun. Trendforschung hat schon auch damit zu tun, Phänomene zu beschreiben, die dem Nichttrendforscher erst mal irrelevant erscheinen. Sonst könnte ja jeder kommen und an der blutenden Klinge des Zeitgeists lecken wollen.

21.05.2007 | 23:02

Kommentar #3 von irgendwem:

"ein ungezogener Griff nach meiner kostbaren Lebenszeit" sind ja wohl eher die ellenlangen sander-kommentare unter fast allen beiträgen hier. achso, die muss man nicht lesen, wenn sie einen nicht interessieren? und sollte sich deshalb auch nicht beschweren? na eben.

21.05.2007 | 23:14

Kommentar #4 von Heiks:

Na denn! Immerhin hat das Posting von Frau Passig zur Folge gehabt, dass Herr Sander sein Insiderwissen über Mineralwasserverdünnung hat hochsprudeln lassen. Das einem Nestlé & Co. nicht geheuer sein dürfen, gerade dann nicht, wenn sie so harmlose Produkte wie Wasser feilbieten, ahnt man ja spätestens seit Peter Brabecks Auftritt in "We Feed The World". Der absehbare Kampf ums Wasser wird von geradezu ohrenbetäubender gesellschaftlicher Relevanz sein, da kann man die Zeichen ruhig jetzt schon ein bisschen vordeuten.

21.05.2007 | 23:19

Kommentar #5 von Heiks:

Nochwas! Mit der Bildunterschrift sorgte Frau Passig bei mir für zehnsekündiges Kichern und outete sich damit entweder als Südeutsche mit Sinn für's fast Vergessene oder als wachsame Hüterin quasi-ausgestorbener Redensarten. Chapau, Frau Passig!
PS: können Sie mir sagen wo "Rennfahrer Biberle" seinen Ursprung hat? Der ist mein Questentier...

21.05.2007 | 23:28

Kommentar #6 von Rudi K. Sander; www.Differenztheorie.de:

So gibt es sie denn doch: Die Häppchengeneration!, nicht grossgezogen mit der Flasche, hochgestrampelt mit der Fernbedienung in der Hand, Experten des Sich-durchs-Leben-zappen.
Nun gut, jeder nach seiner Fasson.
Immer wieder mache ich die folgende Erfahrung: Man lege einem dieser quicklebendigen jungen Leute einen etwas längeren Text vor und bitte ihn, diesen Text im Ganzen zu beurteilen. Sehr oft: Fehlanzeige (auch und gerade in wissenschaftlichen Diskussionsforen). Diese Personen scheinen von einem Angebot an Zeichen, wie es – sagen wir einmal – auf eine DIN A 4-Seite geht, schier überfordert zu sein. Sie werden sich prompt einen Satz herauspicken, werden ihn (oft sehr gekonnt) ironisieren, und dann ist die Sache für sie erledigt. Den Sachgehalt, den ein längerer Text rüberzubrigen sich bemüht haben mag, den bekommen sie entweder gar nicht mit oder ignorieren ihn bewusst. Das eigentliche Phänomen ist hierbeit gar nicht die damit demonstrierte semantische Unterkomplexität, das Phänomen ist: Diese Leute sind glücklich, sind mit sich zufrieden und oft gar mit der Umwelt im Reinen. Befragt geben sie zu Protokoll: Wir haben unsern Spass gehabt, und auf den Spass kommt am Ende alles an. Basta.
Traurig macht das schon. Aber schliesslich sage ich mir (wie mühsam gelernt): Gott gebe mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, ..." (Oettinger, Mitte 17, Jahrhundert).
Es darf weitergemacht werden; ich schaue ja nur noch zu (oft sehr belustigt): Rudi Sander

22.05.2007 | 00:55

Kommentar #7 von oncomouse:

...dabei ist das Trinkwasser in den USA meist stark gechlort und daher ungeniessbar. Selbst die beim Macdoof mit Leitungswasser gemischte Coca schmeckt dann scheisse.

22.05.2007 | 12:12

Kommentar #8 von D.Botson:

Von wegen Trend aus den USA.
Die scheinprivatisierten Stadtwerke München/Wasserwerke ("M-Wasser") propagieren seit Jahren den Gebrauch von aufgesprudeltem Leitungswasser und verkaufen in ihren Kundencentern sogar Sprudelgeräte. Im Gepräch unter Münchnern wird zunächst stets die Hässlichkeit des Gerätes hervorgehoben, anschliessend kleinlaut der Besitz zugegeben.
Auch gewisse Trendpizzerien reichen das Wasser schon in der Karaffe, berechnen aber den üblichen gastronomischen Preis. Sorge ist also unangebracht.

22.05.2007 | 13:55

Kommentar #9 von D.Botson:

Achja: Sanders, wussten Sie überhaupt, dass in Getränkeautomaten das berühmte Kernersche Tafelwasser folgendermassen hergestellt wird: Zuerst wird das Leitungswasser entmineralisiert, dann wird aus der Patrone Mineralstoff-Sirup zugefügt und dann wird das ganze aufgesprudelt. (Wird in der Gastro wahrscheinlich ähnlich gehandhabt.) Na, wussten Sie das? Sanders?!

22.05.2007 | 14:02

Kommentar #10 von Rudi K. Sander; www.Differenztheorie.de:

Grosser D. Botson,
vollkommen kleinlaut muss ich Ihnen replizieren: NEIN, wusste ich nicht. Aber jetzt kann ich mit diesem Insiderwissen ja strunzen gehen (wie die Hessen sagen).
Sehr verbunden: Rudi Sander

22.05.2007 | 15:31

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