Riesenmaschine

04.06.2007 | 20:39 | Berlin

Copy Capitalism goes Torstrasse


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Fälschung und Fälschung
(Fotos: Holm Friebe) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das Konzept des "Copy Capitalism" stammt aus Asien und ist schon im Konfuzianismus angelegt, wo es heisst: "Wer grosse Meister kopiert, erweist ihnen Ehre." In Vietnam werden nach der Devise nicht nur Markenartikel und ausländische Slogans gefälscht und kopiert, sondern gleich ganze Hotels, dies allerdings in vorsätzlich betrügerischer Manier. Normalerweise läuft es so ab, dass, wo immer ein überzeugendes touristisches, gastronomisches oder sonstwie erfolgreiches kommerzielles Angebot gedeiht, sich binnen kurzen die Nachahmer in direkter Nachbarschaft ansiedeln und einen kleinen Cluster bilden. Ungeachtet des Allmendeproblems geschieht das zumeist einträchtig und konfliktfrei, weil unbestreitbar auch positive Verbundeffekte dabei auftreten. Die mittelalterlichen Gilden und Zünfte könnten ein Lied davon singen, wenn es sie noch gäbe. Nun kündigt sich allerdings auch bei uns eine neue Ära des Copy Capitalism an, natürlich – wo sonst? – in der Berliner Torstrasse, wo die Trends geschmiedet werden, so lange sie heiss sind. Rafael Horzons um ein einziges Regal herum aufgebaute Möbelgeschäft hat ein Stück weiter die Strasse runter Konkurrenz bekommen durch YBDD, die mit ähnlich puristischen Regal- und Schranklösungen in nahezu identischem Ladenlokal-Setting aufwarten. Das sagenumwobene Café St. Oberholz wurde ein Stück weiter oben mehr schlecht als recht unter dem Brüller-Namen Muschi Obermaier geklont, inklusive der auswärtig angebrachten Sinnsprüche: Das subtil-hintergründige "Verteile das Fell des Bären nie, bevor er erlegt ist" wird hier zur plattest denkbaren Slogan-Karikatur "Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker". Vermutlich ist sogar das WLAN dort aus gebrauchten UKW-Frequenzen zusammengebastelt, und rumänische Hütchenspieler spielen an Laptop-Attrappen aus dem Möbelhaus digitale Bohème. Die einzigen, die darauf hereinfallen, sind asiatische Touristen. So schliesst sich also der Kreis.


Kommentar #1 von irgendwem:

Hah, das ist ein geschickt getarnetes Projekt der Riesenmaschine und sie will nur, dass wir sensationslüstern alle in dieses Café stürmen. Wahrscheinlich steht dort jemand davor und flüstet jedem Passanten "der Kaffee für 10€ ist der schlechteste 10-Euro-Kaffee der Welt. Das musst Du mal probiert haben" ins Ohr. Und wenn das nicht mehr funktioniert, wird das Haus abgerissen, und ein Eiffelturm aus Holz an dieser Stelle errichtet.

05.06.2007 | 09:48

Kommentar #2 von kosmar:

die torstrasse wird sowieso überschätzt.

05.06.2007 | 20:37

Kommentar #3 von muschi obermaier:

hallo holm friebe, ist ja schön, dass du dir die mühe machst ein wirklich interessantes thema zu behandeln. alle achtung auch für die effizienz. 10 minuten für den text; 10 minuten recherche, 10 minuten um das ganze ins netz zu stellen...
super. das da ein paar zwischentöne auf der strecke bleiben, macht ja nix. die hunde bellen, die karawane zieht weiter.
gruss. muschi obermaier.

13.06.2007 | 18:36

Kommentar #4 von mark:

was am st. oberholz so unwahrscheinlich originell sein soll, war mir schon immer schleierhaft. WLAN, selbstbedienung und ein "subtil-hintergündiger" slogan am fenster? fragt doch mal einen der bohème-pixler, ob er euch den begriff "gestaltungshöhe" erklärt.

15.06.2007 | 11:49

Kommentar #5 von piranja:

naja. wenn jeder, der ein regal in ein leeres ladenlokal stellt, schon ein copy-kapitalist ist, dann gehört die halbe design-branche wohl zu asien. und das konzept von ybdd, den eigenen showroom an modedesigner oder galerien zu verleihen, wird sicher auch bald von jemandem geklaut. viel kopie, viel ehr!

10.07.2007 | 10:31

Kommentar #6 von Der mit dem Roten Halsband:

Also so ganz kann ich das Zerreissen der Muschi nicht verstehen. Berlins Mitte ist überflutet mit Bars, Cafés und Lounges, die alle mehr oder weniger gleich sind. Da sticht die Bar "Muschi Obermaier" doch wirklich mal heraus. Ein abgerockter Laden für abgerockte Leute! Super, kann es was schöneres geben? Jedem dass Seine – Mir das Meiste!
http://joostimo.wordpress.com/2008/07/25/muschi-obermaier-in-berlin-mitte

25.07.2008 | 10:07

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