Riesenmaschine

09.01.2009 | 00:28 | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Ein glorreicher Tag in der Karl Krüger GmbH, Ahlen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Olli Krüger, genannt "Pfütze", seines Zeichens Juniorchef und Sohn des Patriarchen und Firmengründers Karl Krüger, war schlechter Dinge. Seitdem der Alte sich auf den Posten des Frühstücksdirektors zurückgezogen hatte, wollten die Dinge einfach nicht so laufen, wie er wollte. Die Globalisierung machte dem westfälischen Mittelständler zu schaffen, der Handel verlangte immer dreistere Margen und liess sich neuerdings schon die Aufnahme ins Sortiment versilbern – von der Positionierung auf den Sonderaktionsflächen einmal ganz zu schweigen. Und nun kam auch noch die Finanzkrise hinzu. Die Stimmung im Meeting roch nach allem anderen als Aufbruch. Dabei war allen Beteiligten klar, dass das Projekt "Schneko", wie es intern abgekürzt wurde, über die Zukunft der Firma entscheiden würde. "Das dürfen wir nicht auch noch versemmeln", beschwor Krüger seine Mannschaft. "Seit wir die eigene Produktion eingestellt haben, bröckelt unser USP. Anders ausgedrückt: Wir sind generisch geworden, me-too, falls ihr versteht, was ich meine!" Die westfälischen Kanisterköpfe um ihn herum nickten pflichtschuldig. "Über das Markenpremium können wir nicht gehen, das kauft uns kein Mensch ab," setzte Krüger seine SWOT-Analyse fort, wie er es bei Meffert in Münster gelernt hatte. "Die einzige Chance, die uns bleibt, ist der Name, das Packaging! Damit können wir die Türsteher des Handels tunneln!" Schweigende Anteilnahme. "Ferebauer, was sagt unsere Mafo zum Thema Schnellkochtopf, irgendwelche Key-Insights?"
"Tja, Chef, alles, was wir in den tiefenpsychologischen Fokusgruppen herausbekommen haben, ist, dass die Leute Schiss haben, dass ihnen das Ding um die Ohren fliegt. Sonst nichts."
"Hmm ... vielleicht ... aber hey! That's it! Wir müssen die Menschen vor den Kopf stossen, ihre Ängste offensiv addressieren. Turning weaknesses into strengths! Wie heissen die Dinger noch mal in der Natur, die wie Tsunamis explodieren? Tornados?"
"Äh, meinen Sie vielleicht Vulkane, Chef?"
"Genau, Vulkane! That's it. Dieser eine da, wie heisst der noch mal?"
"Ätna?"
"Nein, der andere?"

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein spätes Erwachen in der kleinen Agentur


Kommentar #1 von irgendwem:

Womit diese harmlosen Mittelständler nie gerechnet haben, geschah ein halbes Jahr später. In deutschen Regionalzügen explodierten drei Schnellkochtöpfe, die mit Sprengstoff und heissem wirsing gefüllt waren. Der Spiegel deckt kurz darauf auf, dass der BND das BKA schon längere Zeit Internetforen beobachtet hatten, die für den Bau von Sprengsätzen aus Schnellkochtöpfen Pläne bereitgestellt hatten. In der Folge wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt und in der Stille der Provinz und der Trauer um die Opfer geht einfach unter, dass sich Olli Krüger in seinem Büro erschiesst. Niemand wird sich an ihn erinnern, nur an die Blut- und Wirsingverschmierten Trümmer der Pendlerzüge. Niemand ausser ihm zieht den Zusammenhang.

09.01.2009 | 09:15

Kommentar #2 von BND:

Es wird ausdrücklich dementiert, dass der Bundesnachrichtendienst oder eine ihm unterstehende Behörde Internetforen, die Anleitungen zum Bau von Schnellkochtöpfen oder Ähnlichem bereitsstellen, beobachtet hat oder baobachtet. Es bestehen auch keine Planungen zu entsprechenden Observationen.

09.01.2009 | 12:04

Kommentar #3 von BND Technischer Dienst, inoffiziell:

Man kann ein Loch in den Deckel eines Schnellkochtopfes bohren (bei manchen Modellen kann man einfach das Überdruckventil abschrauben und den Korken in die Öffnung stecken) und einen Korken hineinstecken. Der muss schön stramm sitzen. Dann befüllt man den Topf wie gewohnt mit Wasser und beispielsweise Wirsing und setzt ihn auf. Dann verlässt man tunlichst die Küche. Das Wasser wird heiss, der Korken saugt sich voll und sitzt noch strammer in seinem Loch, aber irgendwann ist der Druck zu gross. Dann fliegt der Korken aus dem Loch, und der Wirsing macht einen hübschen Kohlfleck an der Decke.

09.01.2009 | 12:54

Kommentar #4 von Initiative Free Wirsing:

Eine ebenso plumpe wie geschmacklose Hetze gegen eine der edelsten Kohlsorten, die der kulinarischen Anmut jenes delikaten Gemüses mit der hilflosen Ignoranz eines lebenslangen McDonald-Konsumisten begegnet. Der Autor sollte sich was schämen und eventuell mal an einer Kohlroulade oder einem leckeren Wirsingeintopf laben, anstatt vorschnell gegen ein Kreuzblütengewächs zu wettern, dessen Kulturkreis ihm vollkommen fremd zu sein scheint. Des weiteren ist festzuhalten, dass in den vergangenen 450 Jahren lediglich 2 Fälle bekannt geworden sind, in denen jemand durch Wirsing zu Schaden kam. Davon ein Fall von Kümmelvergiftung.

09.01.2009 | 13:48

Kommentar #5 von begriffsverwirrung:

Ja wie jetzt, ist der jetzt durch Wirsing zu Schaden gekommen oder durch Kümmel?
Ok, er hat ein Wirsinggericht gegessen, das zu viel Kümmel enthielt. Da er das Gericht wegen des Wirsings und nicht wegen des Kümmels gegessen hat und die gleiche Menge Kümmel ohne den Wirsing nie zu sich genommen hätte, kann man vielleicht sagen, er sei durch Wirsing zu Schaden gekommen.
Aber wieso 450 Janre? Was war vor 451 Jahren – sind da Tausende an Wirsingvergiftung gestorben?

09.01.2009 | 14:01

Kommentar #6 von irgendwem:

Ich habe von der Fa. Krüger die Alugusspfanne "Leipzig", schon nach drei Monaten gingen erste Stückchen Beschichtung ab, der Name wurde also auch hier schön allegorisch gewählt.

09.01.2009 | 21:27

Kommentar #7 von kopfschütteltender gartenzwerg:

wirsingomben,mei o mei, wo führt das alles noch hin, das is doch der totale wirrsing!

10.01.2009 | 11:57

Kommentar #8 von irgendwem:

mit einem vesuv wäre man sicherlich gut bedient. ich befürchte aber hiroshima.

10.01.2009 | 15:57

Kommentar #9 von Konsument:

Wirsing explodiert nicht im Topf, sondern im Dickdarm!

11.01.2009 | 17:43

Kommentar #10 von Oxy Moron:

Neues Deutsches Naming. Bereits in den 90-ern im METRO Group Headquater in Düsseldorf ausgeklügelt, steht die Handelsmarke "Alaska" seitdem für WAHRE GRÖSSE im Weisswaren-Sektor.
Die Absatzzahlen gaben der Brand Strategy Recht, und als der Produktrange auf Haushaltselektronik ausgedehnt wurde, gab es keinen Zweifel: Eine eineitliche "Klammer" für den Core Value hatte sich bewährt. Sowohl die Toaster "Alaska TA 2300" und "Alaska TA 2600" als auch der Lockenstab "Alaska AC 2000 Heissluft" profitierten daher schon ab dem ersten Tag von über Jahrzehnten gewachsenem Consumer Trust.

11.01.2009 | 19:38

Kommentar #11 von eggbert:

Also, wenn schon italienisch, dann doch bitte gleich "Garibaldi". ^^

12.01.2009 | 12:31

Kommentar #12 von Angsthase:

Neuesen Meldungen zufolge soll auch dieses Jahr wieder landesweit Wirsing und andere Kohlsorten auf deutschen Äckern heranreifen.
Ich hoffe für uns alle, niemand hat gleichzeitig einen Schnellkochtopf und einen Korken zur Hand.
Wasser soll man sich ja heutzutage schon an jedem x-beliebiegen Wasserhan besorgen können.
Kümmel wird leider auch noch nicht unter den verbotenen Substanzen geführt.
Da muss man doch was tun!

12.01.2009 | 20:16

Kommentar #13 von kontrollfreak:

Der Schnellkochtopfführerschein muss her, theoretische und praktische Prüfung einschliesslich Durchleuchtung der Gesinnung.

14.01.2009 | 14:03

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