Riesenmaschine

03.11.2012 | 19:01 | Alles wird schlechter | Essen und Essenzielles

Chinesische Getränkefolter

Der Getränkesektor liegt in Scherben, oder was auch immer entsteht, wenn man Plastikflaschen und Blechdosen in kleine Stücke reisst. Das beklagten wir schon vor gut zwei Jahren, und wenig hat sich seitdem getan. Das Near-Water-Segment ist immer noch in der Apfel-Himbeer-Dauerschleife. Auf dem Cola-Markt gilt es bereits als Innovation, wenn man Zucker durch Agavendicksaft ersetzt. Die Energydrinkfront beschränkt sich auf leichte Modifikationen in ihrer Tier-Ikonographie und verkauft weiterhin hart gesüssten Urin. Und das Fentiman's-Sortiment, für Insider schon immer eine Oase der Softdrink-Kreativität, wird nur noch in zweieinhalb Zeitungsläden im Südosten von Lancashire angeboten.


(Foto: Aleks Scholz)
In diesen argen Zeiten ist es schwer, weiter für den Getränkefortschritt zu kämpfen, und viele von uns haben inzwischen aufgegeben. Wer jetzt noch durchhält, der hat vermutlich einen Chinaladen in unmittelbarer Nähe. Exilchinesen werden überraschend zum letzten Bollwerk der Getränkerevolution. In dreckigen Kühlschränken, versteckt irgendwo im Keller von Bahnhöfen, gleich neben kaputten Geldautomaten, stehen die Softdrink-Ersatzdrogen, die uns durch die harten Tage helfen. Zum Beispiel der Pennywort Drink von Foco, ein "Erfrischungsgetränk mit Wassernabelgeschmack", gebraut offenbar aus Indischem Wassernabel (Centella Asiatica). Man sagt, es hilft gegen Lepra.

Indischer Wassernabel ist eine kleine, krautige Pflanze, die im Sumpf und im Dreck gedeiht, und der genau zu Sumpf und Dreck passende Geruch aus Verwesung schlägt einem entgegen, sobald man es geschafft hat, die äusserst gut gepanzerte Dose zu öffnen. Ein bisschen rechnet man mit aufsteigenden Fliegenschwärmen. Wie so oft bei Gemüsedrinks wird man ein bisschen von einer stumpfbraunen Farbe überrascht, die eher an Reaktorabwasser erinnert. Der eigentlicher Knaller kommt jedoch erst beim ersten Schluck, denn der Geschmack – süsslich, blass, vegetativ, nichtssagend, schmerzlos – hat absolut rein gar nichts mit dem Todesgeruch zu tun, ein grosses Wunder der Natur. Die internationalen Reviews des Wassernabellikörs sind positiv ausgedrückt gemischt; es sei vielleicht gerade so okay, das Zeug nicht zu trinken; man möchte es vielleicht nicht in grossen Mengen trinken, wenn überhaupt; es schmecke zwar wie Meerschweinchenheu, sei aber immerhin nicht so schlecht wie Marmite.

Aber das sind die Opfer, die wir bringen müssen. Eine Dose mit Reaktortonic oder Meerschweinchenextrakt sind immer noch deutlich mehr Innovation als die Firmen Coca Cola, Bionade GmbH und Wüteria Mineralquellen seit Beginn des Jahrtausends hingekriegt haben. Marmite wird übrigens aus Bierhefeabfällen hergestellt.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


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