Riesenmaschine

19.03.2006 | 19:46 | Anderswo | Nachtleuchtendes

Hauptsache laut


Lärm fotografieren geht nur bedingt
Feuerwerk ist ein kollektives Hobby der Bewohner von Valencia. Bei jeder Hochzeit kommen Knallkörper zum Einsatz und unter Erasmus-Studenten erzählt man sich, Valencia sei Stadt mit den meisten Amputationen Spaniens (obwohl so etwas natürlich auch noch ganz andere Gründe haben kann). Den Höhepunkt der Feuerwerksaison bilden die Fallas: Auf den Strassen herrschen Zustände, gegen die Silvester in, sagen wir, Neukölln Kindergarten ist, zusätzlich gibt es jeden Abend ein gigantisches Brilliant-Feuerwerk und jeden Mittag die Mascletàs, von denen auch in deutschen Feuerwerkforen voll Ehrfurcht gesprochen wird ("Hört sich für mich supergeil an 120 KG Blitzsatz in 7 min., Das sind 286 gr. BKS pro Sekunde").

Dafür wird in einem Käfig auf dem Rathausplatz Tag für Tag eine Knallerbatterie aufgebaut, die pünktlich um 14 Uhr in Anwesenheit der Fallera Major gezündet wird, ein Schild informiert den sachkundigen Betrachter, welcher Feuerwerkmeister gerade Regie führt. Was folgt, sind fünf Minuten infernalischer Krach, aus dem man mit ein bisschen Glück und Übung eine rhythmische Struktur heraushören kann. Zu sehen gibt es ausser viel Rauch eigentlich nichts, trotzdem sind die Mascletàs jeden Tag gut besucht und so beliebt, dass sie sogar im Radio übertragen werden – ein bizarres Hörerlebnis, das vermutlich bloss noch durch die traditionelle Radiopantomime von BBC Southern Counties überboten wird.


19.03.2006 | 18:07 | Anderswo | Papierrascheln

Under Cover


Der Sieger (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Leipziger Buchmesse ist vorbei; der Gewinner in der Kategorie "missglücktestes Cover Frühjahr 2006" steht fest. Es ist die deutschen Ausgabe des neuen Rushkoff, erschienen bei Riemann. Aus dem schönen Originaltitel "Get back in the Box" wurde das wenig sagende "Die neue Renaissance", welches in Verbindung mit den gleich zwei Untertiteln "Auf dem Weg zu einer vernetzten, sozialen Wirtschaft" (kommend aus der völlig unvernetzten asozialen Martktwirtschaft?) und "Die Welt verändert sich, spielen wir mit" (vorsichtshalber noch mal extra in Anführungszeichen gesetzt) so richtig abkackt. Aber dann die Grafik! An einer von einem Gitternetz überspannten Weltkugel in der Farbe eines schmutzigen Sonnenuntergangs stehen im ersten Photoshop Layer ca. acht Städtenamen in ungefährer Nähe der bezeichneten Orte, die Auswahl erscheint mit London, Paris, Capetown, Lima, Sydney und Mexico City recht willkürlich ausgefallen. Willkürlicher noch erscheinen die eine Ebene höher angebrachten Logos von iPod (wobei hier auf eine Eigenkreation zurückgegriffen wurde), amazon.de (nicht etwa .com) und BP (sic!). Den Ausschlag für den am Ende doch einstimmigen Juryentscheid lieferte aber die Tatsache, dass zwischen diese Logos wie mit Kartoffeldruck noch insgesamt sechs Klotür-Piktogramme gestempelt sind. "Komplette Hilflosigkeit in ihrer vielschichtigsten und facettenreichsten Form", heisst es in der Begründung. Inhaltlich ist das Buch allerdings vorbehaltlos zu empfehlen.


19.03.2006 | 09:30 | Anderswo | Essen und Essenzielles

Der Bäcker als Politiker


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Österreich ist ein kleines Land, das – anders als andere, ebenso kleine Länder – ununterbrochen Angst hat, etwas falsch zu machen und dadurch in Resteuropa ungut aufzufallen. Was dazu führt, dass die Bevölkerung gleichzeitig eine der EU-skeptischsten der Gemeinschaft und auf der anderen Seite aber wahnsinnig stolz darauf ist, dieses Jahr den Ratsvorsitz innezuhaben. Ein Volk, das einschliesslich seines rumpelstilzchenhaften Bundeskanzlers eine Dopingrazzia seiner Sportler bei den Olympischen Spielen in Turin als Neid auf und Schikane gegen die gute nationale Medaillenbilanz umdeutete. Jetzt ist aber alles wieder gut, man muss sich auch nicht mehr so über die verhassten deutschen Touristen ärgern, weil auf den Skihütten sowieso nur noch ostdeutsche Gastarbeiter die westdeutschen Gäste bedienen.
Seit dem 16. März gibt es jetzt in den Filialen der Bäckereikette Felber einen Europagugelhupf, der wie kaum etwas anderes den unbedingten Willen darstellt, es allen Recht zu machen. Unter dem Motto "Machen Sie das Naschen zu einem politischen Statement", stopft Felber 25 verschiedene Ingredienzen in den Teigring, von denen er glaubt, sie symbolisierten die Mitgliedsländer. So ist hier Polen mit Schafskäse, Portugal mit Eierpudding und Litauen mit Wodka-Dörrobst vertreten. Als ein Papilleninferno, so stellt sich also ein österreichischer Bäcker die EU vor.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


18.03.2006 | 20:05 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Dinge im Schlaf erledigen

Medgadget macht uns auf einen CBS News-Beitrag aufmerksam, in dem eine seltene, aber lustige Nebenwirkung des in den USA beliebten Schlafmittels Ambien beschrieben wird: Die Betroffenen können im Schlaf essen, Auto fahren und, das Tollste: wach sein. Schlafforscher Mark Mahowald erklärt dazu: "Schlaf und Wachzustand schliessen sich nicht gegenseitig aus ... Das Gehirn kann buchstäblich halb wach sein und halb schlafen." Genau genommen war uns zwar neu, dass das Gehirn auch mehr als nur halb wach sein kann, aber man lernt ja gern dazu.

Die halb schlafenden Betroffenen legen merkwürdige Essgewohnheiten an den Tag und nehmen beispielsweise nächtliche Snacks aus Zigaretten mit Butter oder Salz-Sandwiches ein. Am schlimmsten aber ist der Zustand, in dem sie die Küche hinterlassen, und hier stellt sich die bittere Frage, warum der Körper, sich selbst überlassen, eine noch grössere Pottsau ist als unter der Aufsicht des Bewusstseins. Warum kann es nicht ein einziges Mal umgekehrt sein?

Falls unsere Leser eigene Experimente anstellen und herausfinden möchten, ob es nicht vielleicht doch möglich ist, im Schlaf etwa Hausarbeiten zu schreiben, seine Steuererklärung zu erledigen oder das Bad zu putzen: In Deutschland wird der Wirkstoff unter anderem unter den Namen Stilnox, Bikalm und Zolpidem vertrieben.


18.03.2006 | 09:50 | Anderswo | Fakten und Figuren

Erhebend


Himmel, was habe ich getan? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Hohe Gebäude zu bauen ist irgendwie ein nie versiegendes Hobby der Menschheit. Eine Weile gab man zumindest vor, damit Gott näherkommen zu wollen, aber seit dem 20. Jahrhundert schämt man sich nicht mehr, der Perversion des Turmbaus ganz offen und unverhüllt zu frönen. Seit mittlerweile dreissig Jahren nun ist der CN Tower in Toronto der höchste Turm der Welt, bzw. die höchste freistehende Struktur oder so ähnlich, man muss extrem vorsichtig sein, denn Türmebauer sind pingeliger als Kaninchenzüchter. Gestern nun kündigt wieder ein von ihnen an, diesmal ein Japaner, den Rekord brechen zu wollen – sechshundert Meter sollen es bitteschön sein. Aber Toronto gibt noch nicht auf, denn schon oft scheiterten fremdländische Rammler am Hochbau: Erst vor wenigen Monaten wurde der gigantische Turm des Aufwindkraftwerks Mildura von geplanten 1000 auf ebenfalls geplante 500 herunterskaliert. Vor kaum 15 Jahren gab der legendäre Fernsehturm in Konstantynow, höchstes je gebautes Ding, aus ungeklärten Gründen den Geist auf (Abbildung). Es ist ein hässliches und ehrgeiziges Geschäft.

Über das die Natur nur hämisch lacht. Sechshundert Meter, höhnt sie, und wirft den Poppenberg (746 Meter), die Wasserkuppe (950 Meter) und den Fichtelberg (1214 Meter) in die Gegend. In anderen Ländern, so heisst es, stehen noch viel höhere Berge kurz vor der Vollendung.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


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