Riesenmaschine

22.06.2006 | 04:14 | Anderswo | In eigener Sache

South of the Border


Ingeborg Bachmann Turner Overdrive (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Klagenfurt, eine listige Kleinstadt irgendwo zwischen Donau und Adria, verwandelt sich jedes Jahr so Mitte Juni, nachdem die letzte Wolke hinter den Karawanken eingesperrt wurde, in eine quantenverschränkte Mischung aus Grossmutters Kramladen, Toni Sailer, Dr. Hauschkas Sonnenmilch und Ingeborg Bachmann bzw. genauer den Tagen der deutschsprachigen Literatur. Diese noch nie zuvor in der Riesenmaschine erwähnten Tage muss man nicht zwangsläufig kennen, aber man wird verstehen, dass Gesamtpreisgelder von über 50.000 Euro ausreichend Grund für die streng marktorientierte Redaktion sind, die nächsten Tage in Kärnten zu verbringen. Ausserdem ist das Wasser im Wörthersee wunderbar klar und kühl. (Dies erklärt gleichzeitig den gebremsten Fluss an Berichten über neuartige, sensationelle Geräte, die keinen USB-Anschluss besitzen, stay tuned.)

Nachdem die Riesenmaschinenautoren Wolfgang Herrndorf und Natalie Balkow in den letzten Jahren erfolgreich am, wie es heisst, "Bachmann-Bewerb" teilnahmen, wird heuer Kathrin Passig ins Feuer geworfen. Am Samstag, um 10:00 Uhr (das ist verdammt früh), ist live auf 3sat und im ORF zu besichtigen, wie sie einen Text über, soviel darf man vorab verraten, verschiedene Dinge vorliest. Im Vorfeld wird ein von diversen Riesenmaschinemitarbeitern unter der Regie von Lars Stanley Hubrich angefertigtes, bildendes Kurzportrait übertragen, in dem man die Autorin unter anderem in den Keller gehen sieht. Am darauffolgenden Samstag dann, und zwar zwischen 13:30 und 20:00, muss jeder, der das hier liest, zu einem internetfähigen Rechner gehen und Kathrin Passig hier für den Publikumspreis vorschlagen (mit Begründung). Denn der Grimmepreis reicht uns nicht, und wenn wir danach noch Fussballweltmeister werden, käme ein schöner Hattrick zusammen.


21.06.2006 | 23:35 | Alles wird besser

Endlich: Die Fick-Dich-selber-Orchidee


The anther cap opens, the stipe carries two pollinia and rises up from the clinandrium, then curves downwards to cross the rostellum; the stipe next curves up towards the stigma and inserts the pollinia into the stigma cavity. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Menschen, die es gern mit Blumen sagen, haben es nicht ganz leicht. Die meisten Gewächse, die man so kaufen kann, sind positiv konnotiert, was die Anzahl der möglichen Sätze deutlich beschränkt.

Zwar sind ein paar der minderen Kräuter, wie Tulpen oder Zwiebelblüten durchaus mit milde Nörgligem belegt, aber auf einen Blumenstrauss, der sagt "Nie rufst Du an, fick Dich doch selbst", hofften Freunde floralen Ausdrucks bislang vergebens. Man kann die Armut der Blumensprache übrigens auch daran erkennen, dass der Inhalt dieses harmlosen kleinen Beitrags hier sich in ihr nur schwer ausdrücken liesse.

Womöglich sogar gar nicht. Aber Hilfe naht. In der chinesischen Wüste wurde, wie das Orchideenzüchterfachblatt Nature in seiner morgigen Ausgabe berichtet, jetzt eine Orchidee gefunden, die sich ausschliesslich selbst fickt, indem sie sich Blüte für Blüte einen Staubbeutel direkt in den eigenen Stempel wachsen lässt. Jetzt fehlt nur noch eine Gärtnerei, die die neue schöne Vokabel interessierten Straussdichtern verfügbar macht, und wieder ist die Welt ein klein wenig benutzbarer.


21.06.2006 | 11:05 | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Tatsachen des Bodens


Bahnhof (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Um zu fliegen, muss man sich nur auf den Boden werfen und danebenfallen". Um zu liegen, muss man sich nur auf den Boden werfen. Um zu werben, muss man nur etwas auf den Boden kleben, und zwar Floor Graphics, die laut einer Herstellungsfirma, und das kommt jetzt etwas überraschend, im Lebensmitteleinzelhandel "vom Kunden akzeptiert" werden. Nanu? Vom Kunden akzeptiert? Zieht man da den werbeüblichen 250%igen Selbstdarstellungsaufschlag ab, dann steht vermutlich dahinter, dass nur ein geringer Prozentsatz der Supermarktüberfälle direkt mit Floor Graphics begründet wird. Schlechte Werbung wird nämlich nicht besser, indem man sie an anderen Orten als sonst anbringt. Im Moment schiessen Floor Graphics wie Pilze auf dem Boden, seltsamerweise genau zu einem Zeitpunkt, wo praktisch niemand in Deutschland noch den Kopf hängen lässt und nach unten blickt.

In anderen Ländern gibt es Gebiete, wo man besser ständig nach unten blickt. Zum Beispiel in Kambodscha, Angola, Afghanistan oder auch Bosnien-Herzegowina. In diesem Zusammenhang sind noch mehr Bodentatsachen interessant. Zum Beispiel die Mine des Monats, ein Preis, der leider seit März nicht mehr erneuert wurde, schade, welche Mine würde nicht gerne mal gross rauskommen, immer nur Underground hält doch keiner aus. Ebenfalls interessant ist, dass die beiden deutschen Konzerne DaimlerChrysler und Siemens tief ins Landminenbusiness (bzw. Streumunition) verstrickt sind, wogegen man hier gegen sein kann. Die Riesenmaschine wendet sich aber ausdrücklich gegen die einseitige Betrachtung des Zufallskillers Landmine, daran hängen auch Arbeitsplätze, ohne Minen gäbe es also viel mehr Arme.


20.06.2006 | 21:56 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Kinder, das dürft ihr nicht


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Kleinkinder wollen alles immer gleich essen, das ist ihre Art "Ich liebe das, das gehört mir" zu sagen, denn sprechen können sie ja noch nicht. Und auch wenn die Industrie, die perverse Sau, das weiss, kommt sie doch immer wieder mit Produkten, die so verführerisch, so unwiderstehlich lecker aussehen, dass man sie einfach essen MUSS. Die grösste Gefahr besteht hier bei quellbarem Spielzeug, deshalb empfiehlt sich für jeden Haushalt die Anschaffung des Schweizer Prüfzylinders, denn Quellendes ist nicht sofort erkennbar.
Wenn Kinder gerne Insekten essen, dann geben Sie ihnen lieber diese Tierchen in Essbernstein, die Spinnen der Firma WOM hingegen kann man nur aussaugen, wie all deren Tiere, in ihnen ist eine Flüssigkeit zum Trinken, der ideale Durstlöscher für den heissen Sommer vor der Tür. Aber Vorsicht, diese Wasserflasche ist keine, daraus bitte nicht trinken, denn Schraubenschlüssel quellen zwar nicht, liegen aber schwer im Magen. Auch in diesem iPod sind keine kleinen Zuckerstückchen, sondern ist richtige Musik. Ganz besonders perfide ist der süsse MAFFY, bezeichnenderweise von der Firma Devilrobots kreiert, sie sehen zwar aus wie Marshmallows, aber man darf sie nicht essen, bei der Bestellung bitte trotzdem folgende Geschmacksrichtungen wählen:
M – Chocolate
A – Orange-Chocolate
F – Cafe Mocha
F – Strawberry Milk
Y – Milk

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


20.06.2006 | 11:09 | Nachtleuchtendes

Brathirn, selbstgemacht


Nachmachen, Kinder!
(Foto: 44165698@N00 / Lizenz)
Fruchtbar und furchtbar trennt nicht viel, das wissen von zum Beispiel Karnickeln und Kröten überrannte Inselstaaten und Kleinkontinente recht gut. Auch in der Hirnforschung ist das so, wo seit hunderten von Jahren interessante Aufschlüsse gewonnen werden, wenn im Kopf was kaputtgeht. Der berühmteste Fall war wohl Phineas Gage, dem beim Steinesprengen eine Stahlstange durch die Stirn getrieben wurde, und der mit anschliessenden Verhaltensänderungen dokumentiert, wozu das Stirnhirn möglicherweise gebraucht wird. Das war 1848, und bis heute gehen grundlegende Theorieveränderungen oft auf einzelne Kopfdefekte zurück. Die Neuordnung der Sehrinde in einen aktions- und einen wahrnehmungsorientierten Verarbeitungsstrom zum Beispiel wurde von Milner und Goodale vor zwanzig Jahren zunächst mit den sonderbaren Effekten in einem Einzelfall von Kohlenmonoxidvergiftung begründet.

Der grosse Nutzwert lokaler Defekte hat natürlich auch dazu geführt, dass Tieren, besonders Affen, in sogenannten Läsionsstudien oft chemisch oder elektrisch Hirnzellen lahmgelegt oder gleich ganz zerschossen, und die folgenden Verhaltensstörungen akribisch protokolliert werden. Eine durchaus frurchtbare Forschungsmethode. Seit den späten achtziger Jahren kann man dergleichen auch am Menschen ausprobieren. Bei der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) werden starke Magnetfeldpulse direkt an der Kopfhaut erzeugt, was bei entsprechender Eichung der Felder Hirnareale entweder aktiviert oder für eine gewisse Zeit lahmlegt. Wie das funktioniert, weiss zwar niemand so genau, aber verwendet wird es fleissig. Das gleiche gilt übrigens für die Kopfspinne Orgasmotron, die von der Wissenschaft bislang eigenartigerweise gemieden wird. Ein Tabu?

Noch ein bisschen weniger verstanden als starke TMS sind die Effekte extrem schwacher Magnetfelder, wie sie zum Beispiel Michael Persinger verwendet, um bei seinen Versuchspersonen das Gefühl übernatürlicher Präsenz zu erzeugen. Seine Forschung dazu hat Persinger reichlich Kritik religiöser Gruppen eingetragen. Die von ihm zu Gottbeschwörung und Religiösentriezen verwendeten Geräte liessen sich verhältnismässig leicht zuhause nachbauen, weswegen eine Bande von Geeks bei Sourceforge jetzt auch das openTMS-Projekt gegründet hat. Zwar hat bislang noch niemand behauptet, dass es für solche Hirnbratanlagen nur einen weltweiten Bedarf von fünf Stück geben wird, aber weil das berühmte PC-Zitat von IBM Chef Watson vermutlich auch nie gesagt wurde, haben wir in zwanzig Jahren wohl alle so ein Ding im Wohnzimmer stehen. Wenn es dann noch Wohnzimmer gibt.


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