Riesenmaschine

16.02.2011 | 14:26 | Anderswo | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Snickers ist das neue Mars (in China)


5% of the creativity spent on this text will be donated to the Alzheimer's Association
Seit Neuestem ist in China diese elegante Doppelpackung Snickers im Handel, der eine 1,5 Volt AAA Batterie der Firma Nanfu beiliegt. Diese Tatsache wird am rechten Rand der Packung noch einmal dick und doppeldeutig unterstrichen. "Neng Liang Zhuang" steht hier, verdeutscht: "Energiepackung". Damit knüpft Snickers- Hersteller Mars Inc. China natürlich auch an den alten deutschen Mars-Slogan der Sechziger Jahre an, der ebenfalls an den Energieaspekt eines Schokoriegels appellierte: "Mars bringt verbrauchte Energie sofort zurück." Snickers – mit zwei Milliarden verkauften Stück pro Jahr der erfolgreichste Schokoriegel der Welt – wurde für diese Form der Schoko-Energiepromotion wohl nur deshalb ausgewählt, da aus bisher ungeklärten Gründen Marsriegel nicht zum Sortiment von Mars China gehören.

Es stellt sich allerdings die Frage: Weshalb nur eine Batterie? Die meisten Geräte, die mit 1,5 Volt AAA Batterien laufen, brauchen mindestens zwei, wenn nicht sogar vier Stück. Eines der wenigen Geräte, das man auch mit einer betreiben kann, ist der Kind Reminder, ein tolles Erinnerungstool für Alzheimerpatienten und andere Leute, die gerne ab und an vom Wasser der Lethe nippen. Wahrscheinlich soll man dieses Teil, so denkt man sich bei Mars China, zusätzlich zur Snickerdoppelpackbatterie erwerben. Dann wird der Kind Reminder mit dem Satz "Snickers kaufen nicht vergessen" besprochen, um einen spätestens beim nächsten Supermarktbesuch an den Erwerb von noch mehr Snickers zu erinnern. Damit hat man ausgerechnet in China höchstwahrscheinlich nichts Geringes als das Perpetuum mobile des Schokoladenriegelverkaufs erfunden, ein Ding, nach dem die Schokoladenindustrie schon seit über hundert Jahren sucht.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Milky Mars

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (12)


24.12.2010 | 11:50 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Neo-Bauhaus


Freut Euch, denn Euch ist heute ein Mies van der Rohe geboren
Diese prächtige Weihnachtskarte erreichte die Riesenmaschine vor einer Minute. Sie zeigt, so möchte ein flüchtiger Betrachter meinen, das Wiener Rathaus. Tatsächlich handelt es sich aber um den Entwurf des Austria House, das demnächst im Renhuangshan Park in der ostchinesischen Provinzstadt Huzhou stehen soll. Dort wird der gegenüber dem Original wesentlich verbesserte Bau als Clubhaus dienen. Entworfen wurde das erstaunliche Gebäude von dem Architektenbüro German Engineering Technology Beijing Ltd., eine Repräsentanz der deutschen Architekturfirma JSK SIAT, das auch die herrliche Karte verschickt hat.

Dieses Büro (Motto: "the BAUHAUS's principles 'form follows function' and 'less is more'") zeichnet zudem für das German House im Park verantwortlich, das sich bereits im Bau befindet, und wie das österreichische Haus zu einem Ensemble von insgesamt zwölf, in einer jeweils anderen Nationalarchitektur gestalteten Clubhäusern gehören wird. Im Zentrum des deutschen Hauses soll übrigens ein Turm stehen, dessen Front "as customary in traditional German architecture" eine grosse Kuckucksuhr ziert. Gerüchten zufolge darf jedes Mal, wenn der Kuckuck rauskommt und schreit, in Europa ein Originalgebäude abgerissen werden, damit man dort, so ein anonymer chinesischer Bauherr, "endlich mal begreift, was die Stunde geschlagen hat". Aber wie gesagt: Das ist nur ein Gerücht, das möglicherweise kein Fünkchen Wahrheit enthält. Die Kuckucksuhr dagegen stimmt.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


15.10.2010 | 12:15 | Berlin | Anderswo | Gekaufte bezahlte Anzeige

Die volle Wahrheit über Southern Comfort


Als Chinese verkleidete Southern Comfort-Flasche
Über das Getränk Southern Comfort weiss man in Deutschland viel zu wenig. So halten es die meisten hierzulande – aber auch anderswo – immer noch für einen Bourbon-Whisky. Tatsächlich ist SoCo aber ein exzellent mundender Likör, der aus Auszügen von Früchten und Whisky sowie der Zugabe von ausgesuchten Gewürzen hergestellt wird. Von älteren Semestern wird SoCo auch gerne für ein Totschlagargument gehalten, weil Janis Joplin einst auf dem Schädel von Jim Morrison eine ganze Flasche ihres Lieblingsgetränks zertrümmerte. Andere denken nur an eine Hippie-Band oder an einen Film, in dem der Krebstod des Transsexuellen Robert Eads dokumentiert wird. Und manche glauben gar, SoCo stamme aus Los Angeles, da hier ja auch die berühmte Aircon-Firma gleichen Namens zu Hause ist, und das seit vielen Jahren.

Weil unser Wissen über das Getränk Southern Comfort und seine tatsächliche Ursprungsstadt New Orleans so dürftig ist, will uns jetzt Southern Comfort Deutschland mit dem Projekt "Southern Comfort Creative Exchange" auf die Sprünge helfen. Dabei wird man Künstler aus New Orleans in Deutschland präsentieren. Gleichzeitig sollen sich aber auch deutsche Kreative mit New Orleans auseinandersetzen; einer grossartigen Stadt, die seltener unter Wasser steht, als man gemeinhin denkt. Deshalb veranstaltet Southern Comfort einen Plakatwettbewerb zum Thema Mardi Gras. Der Künstler, der hierzu bis zum 30. November den originellsten Plakatentwurf auf die Website von Southern Comfort hochlädt, wird nicht nur im XXL-Format auf einer öffentlichen Freifläche in Berlin und New Orleans fett präsentiert werden, er wird sich auch fünf Tage lang auf Kosten von Southern Comfort auf dem Mardi Gras prächtig amüsieren können. Weitere zehn, von einer Jury ausgesuchten Entwürfe werden dann pünktlich zum Höhepunkt des Mardi Gras am 8. März 2011 in Berlin ausgestellt, und zwar nicht poplig im Arbeiter- oder Angestellten-, sondern hochprominent im Direktorenhaus.

Aber aufgepasst, die Teilnahmebedingungen sind nicht ganz ohne: So darf der Plakatentwurf weder "übermässigen Konsum oder das verantwortungslose Trinken positiv" schildern, noch "Nacktheit, sexuelle Aktivitäten, sexuelle Freizügigkeit" darstellen und "unangebrachte Sprache" verwenden. Auch sollte keinesfalls impliziert werden, "dass das Trinken von Alkohol medizinische Vorteile bietet oder einer Person in sexueller Hinsicht hilft". Es gibt noch weitere Einschränkungen, und wahrscheinlich darf beim Entwerfen des Plakats auch nicht gekokst und es dürfen keine Pillen eingeschmissen werden. Die höchste Hürde aber bildet wohl, dass das Plakat keinen "Alkohol & Alkoholkonsum" darstellen darf. Das sind ohne Zweifel harte Bedingungen, an der manch ungeübter Grafiker wahrscheinlich scheitern wird. Doch unmöglich ist so ein Plakat natürlich nicht. Da das Thema Mardi Gras respektive Grossstadtkarneval lautet, könnte man z.B. einfach eine Flasche Southern Comfort verkleiden und sie als Brause/Cola/Limo gehen lassen. Oder halt als Nagetier.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (12)


26.09.2010 | 00:02 | Anderswo | Fakten und Figuren | Papierrascheln

Kentucky Fried Mao


Dem Volke bedienen!
In der ostchinesischen Hafenstadt Dalian treffen gelegentlich die Belegschaften der lokalen KFC-Restaurants aufeinander und versuchen sich dabei mit kleinen, einstudierten Auftritten zu übertrumpfen. Der letzte Wettbewerb fand Ende August auf dem Platz vor dem örtlichen Carrefour-Supermarkt statt. Hier räumte eine Belegschaft ab, die ganz im Stil kulturrevolutionärer Roter Garden auftrat, nur dass man statt der traditionellen oliven Kluft die KFC-Uniform trug und statt der Mao-Bibel ein kleines Portrait des KFC-Gründers
Harland "Colonel" Sanders
schwenkte. Echt waren allerdings die Mao-Zitate, die die Gruppe skandierte, zur grossen Erheiterung des Publikums.

Dabei lassen sich Maos Thesen und Maximen, die einst von Lin Biao in dem berühmten kleinen roten Buch versammelt wurden, tatsächlich ganz hervorragend auf die Strategie und Lebenswelt einer Fastfood-Kette übertragen. So predigte schon Mao den absoluten Service-Gedanken: "Mit Leib und Seele dem Volk (sprich: Gast) dienen..., sich in allem von den Interessen des Volkes (Gastes)... leiten lassen; sich in gleicher Weise dem Volk (Gast) wie der Parteileitung (Firmenleitung) verantwortlich fühlen, das ist unser Ausgangspunkt." (Mao, 1945). Zur Sauberkeit in der Filiale hatte Mao auch seine Ansichten: "Wo der Besen nicht hinkommt, wird der Staub nicht von selbst verschwinden." (Mao, 1945) Am aktuellsten aber ist sicher seine Analyse zum Verzehr eines z.B. "20 Piece Colonel's Picnic Feast": "Im Krieg kann nur eine Schlacht nach der anderen ausgefochten und die Feinde können nur einer nach dem anderen vernichtet werden... Mit dem Essen verhält es sich ebenso. Strategisch gesehen, ist die Einnahme einer Mahlzeit kein Problem. Wir können sie ohne weiteres bewältigen. Aber konkret gesehen, schlucken wir einen Happen nach dem anderen. Man kann nicht ein ganzes Festessen ("20 Piece Colonel's Picnic Feast") auf einmal verschlingen." (Mao, 1957)

Gut möglich, dass sich KFC in China wirklich von Maos Devisen hat leiten lassen. Das würde auch erklären, weshalb der Yum!-Konzern hier so gut aufgestellt ist: Auf zwei KFC-Filialen in Festland-China kommt nur eine von McDonalds. Im Rest der Welt ist es umgekehrt. Vielleicht sollte also mal jemand einen Ratgeber mit dem Titel "Mao for business people" o.s.ä. schreiben. Ach, den gibt es schon? Nun ja: "Ziehe die Brauen zusammen, und du kommst auf eine Idee." (Mao Tse Tung: "Unsere Schulung und die gegenwärtige Lage", 6. April 1944, Ausgewählte Werke, Bd. III).

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (7)


18.09.2010 | 00:18 | Nachtleuchtendes | Supertiere | Papierrascheln | In eigener Sache

Schwule daoistische Kaninchenanbeter können weiterklicken


Erstaunliches Buch (Bild: Christian Y. Schmidt / Tiamat Verlag)
Dieses Buch hat, wie man deutlich sieht, ein Kaninchen auf dem Cover, mithin fast ein Nagetier. Es stammt aus dem daoistischen Dong Yue Tempel im Osten Pekings, der dem Gott des heiligen Bergs Taishan gewidmet ist, der wiederum mit dem Unterweltgott Yama identisch sein soll. Das etwa ein Meter siebzig grosse Kaninchen steht in einer der siebzig Hallen, die sich um den Haupttempel gruppieren und in denen Szenen aus der chinesischen Hölle nachgestellt sind. Was das Kaninchen in der Hölle soll, ist nicht exakt herauszukriegen. Wahrscheinlich wird es der vom Herrn der Unterwelt ernannte Kaninchengott Tu Er Shen sein, der im daoistischen Götterkosmos die Liebesbeziehungen zwischen homosexuellen Männern verwaltet.

Und so spricht das soeben erschienene Buch bisher in erster Linie schwule daoistische thanatophile Kaninchenanbeter an, die es auch ohne weitere Aufforderung kaufen. Da diese Gruppe allerdings zu klein ist, um nur die Druckkosten wieder einzuspielen, muss das Buch für andere Käuferschichten ganz platt und deutlich beworben werden. Also: Zum ersten Mal tot wurde auch speziell für Riesenmaschinenleser geschrieben. Es handelt nämlich nur von extrem wichtigen Innovationen, und zwar im Leben des Riesenmaschinenautors Christian Y. Schmidt: Der ersten Ratlosigkeit, dem ersten Sex, der ersten Droge, der ersten Tracht Prügel, der ersten Reue und dem ersten Aufenthalt in der echten Hölle. Das Buch ist ganz gut und darf in keiner Innovationsfreakbibliothek fehlen. Ergo: Kaufen Sie's!

Nicht mehr ganz so taufrisch ist die Idee, Riesenmaschinenautoren ihre eigenen Bücher in der Riesenmaschine selbst bepreisen zu lassen. Darum ist es auch nicht mehr ganz so peinlich. Sollten Sie mich allerdings eines Tages dabei erwischen, wie ich Leserbriefe an Tageszeitungen verfasse: siehe hier: 1. Absatz, 9. Zeile!

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


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