Riesenmaschine

03.02.2006 | 15:57 | Berlin | Alles wird besser | Alles wird schlechter

BVG goes Ballermann


Ilona & Peter wünschen den Berliner Verkehrsbetrieben
viel Erfolg bei der Neugewinnung von Kunden und
den Hörern des Titels viel Freunde bei diesem "Ohrwurm". (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wer für einen gummierten Fetzen Papier 650 Euro ausgibt, ist entweder Briefmarkensammler oder BVG-Kunde oder bescheuert, manchmal auch alles auf einmal. Wie um letzteres zu bestätigen, gibt die BVG ihren hochgeschätzten Abonnementkunden 2006 noch ein Geschenk obendrauf: einen Gutschein für eine CD mit dem BVG Abo-Song, einzulösen in jedem Servicecenter, solange der Vorrat reicht.

Der Song ist – wie nicht anders zu erwarten – absolut unterirdisch, der Text gleisbetterschütternd:

Willst du ins Hardrock-Café gehn / oder brauchst du Fitness pur
Im Revuetheater 'ne Show ansehn / ins Museum zur Kultur
Ob Grossereignis und Event / das ist ganz einerlei
Mit deinem Abo der BVG / bist du überall mit dabei

Refrain:
Da kannste fahren, sparen und noch vieles mehr
Und wenn du willst, dann steppt für dich sogar der Berliner Bär
Da kannste fahren, sparen, und was nicht jeder weiss
Du bekommst die ganze Stadt zum Sonderpreis

Musikalisch muss man sich das Ganze in etwa so vorstellen, als ob Mickie Krause eine U-Bahn von Berlin nach Arenal baut. Das durch Corporate Hymns verbreitete Grauen mag grenzenlos sein, doch da ist Licht am Ende des Tunnels: in England, wo man traditionell in praktisch allen Bereichen immer ein paar Schritte weiter ist, gibt es bereits erste Customer Hymns.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Drama Firmensongs geht weiter

Natascha Podgornik | Dauerhafter Link | Kommentare (9)


26.01.2006 | 10:33 | Anderswo | Alles wird besser | Listen | Zeichen und Wunder

Wunderwaffen: nichttödliche Waffen


smell you later, perpetrator (Foto: J Wynia)
Es ist allgemein bekannt, dass Angehörige der U.S. Streitkräfte bisweilen umständehalber gezwungen sind, das 5. Gebot zu brechen. Weniger bekannt sind ihre umfangreichen Bemühungen, den Beruf des Soldaten in der Ausübung lebensfreundlicher zu gestalten. Und zwar mit Hilfe von Non-Lethal Weapons (NLW).

Nichttödliche Waffen sind, wie jeder Krawallprofi oder -amateur mit schmerzverzerrtem, zahnluckertem Grinsen und gebrochenem-Daumen-rauf bestätigen wird, nicht nur viel weniger tödlich als tödliche Waffen, sondern bereiten auf aktiver Seite in der Anwendung oft mehr Freude als das altmodische Zielen und Ballern mit anschliessendem Herumbluten und optionalem Gedärmesortieren. Zum Nutzen aller erdenken und entwickeln deshalb Ingenieure, Waffenhersteller, Sicherheitsspezialisten und verrückte Wissenschaftler Möglichkeiten, den Gegner mit einer unangemeldeten Schaumparty mit schnell aushärtendem Schaum zu überraschen oder ihm zuvorkommend Mikroben in den Tank zu kippen, wenn der Zucker gerade alle ist. Ihn herrlich retro wie Spiderman mittels sogenannter entangler einzuwickeln oder ihn Jackass-style mit tieffrequentem Schall zur spontanen Darmentleerung zu zwingen. Teenager, die man – so geboten es oft erscheint – nicht einfach umbringen darf, werden mit nur für sie hörbaren hochfrequenten Tönen vergrämt. Exzentriker mit Hang zum Superschurkentum lassen gegnerische Fahrzeuge durch in die Strasse eingelassene Airbags umkippen (das Fraunhofer-Institut arbeitet daran, nachdem man Airbags zur Abwehr von Asteroiden und Büroschlaf für untauglich befunden hat) oder lassen – einfach, genial und slightly offtopic – den Anführer der feindlichen Streitmacht mit einem Hologramm zu Tode erschrecken.

Das ist jedoch noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Wie das Sunshine Project enthüllt, denkt man innerhalb der Kategorie nichtletaler chemischer Kriegsführung, deren Produkte in so klangvolle Unterkategorien zerfallen wie Calmatives, Incapacitants, Irritants, Malodorants, Marking Agents, Convulsants (um nur einige zu nennen) und in Strassenhandel und Veterinärpraxis gut eingeführte Substanzen wie Ketamin umfassen auch bereits seit Jahren über pheromonbasierte Kampfstoffe nach, die den Gegner wahlweise für Ungeziefer und Nagetiere oder, in der Steigerung, für den eigenen Kameraden besonders attraktiv machen sollen (harrassing, annoying and bad guy identifying chemicals (...) one distasteful but completely non-lethal example would be strong aphrodisiacs, especially if the chemical also caused homosexual behaviour."). Man ahnt, dass (Anti-)Kriegsfilme in Zukunft nicht mehr das sein werden, was sie einmal waren.

Produkte der NLW-Forschung kommen nicht nur im Krawall- oder Kriegsfall zum Einsatz. Marking oder Tagging Agents markieren die nicht ganz so billigen Teile bei H&M genauso effektiv wie den Dieb, und Weihnachtsbaumwilderer in den USA machen Bekanntschaft mit Malodorants, im speziellen Fall mit einer Art synthetischer Fuchspisse, die erst bei Raumtemperatur ihr volles Aroma entfaltet. Mit ähnlichen Mitteln sollen in Zukunft auch Skifahrer dazu bewegt werden, die auffällig treffend und sinnfällig benannten Pistenmarkierungen zu respektieren.

Als Mutter der modernen olfaktorischen Kriegsführung gilt ein bereits 1944 in den USA entwickelter Gestank, den französische Widerstandskämpfer mittels Zerstäuber auf deutsche Offiziere auftragen sollten, um sie zu beschämen und zu demoralisieren. Die auf den Namen Who, me? getaufte Stinkbombe war militärisch ein Griff ins Klo, die Krauts offenbar immun. Die Substanz bewährt sich jedoch im zivilen Einsatz bis heute unter dem Namen "U.S. Government Bathroom Malodor" – als gültiger Standard, gegen den Raumerfrischer und Deodorants in der Testphase anstinken müssen.

Seit 1966 beschäftigt man sich vor dem Hintergrund des Misserfolgs von "Who, me?" damit, dass die Nase andernorts möglicherweise anders laufen könnte und erstellt Geruchsreaktionsprofile ethnischer Gruppen, um culturally specific malodorants zu ermitteln. Der mit nichttödlicher Sicherheit erfolgte Nichteinsatz von fried bacon bombs und left hand smell grenades im Irak deutet jedoch darauf hin, dass man in der Sache seitdem nicht wesentlich weiter gekommen ist. Dabei wäre man sicher aktuell auch hierzulande interessiert an nichttödlichen, landesspezifischen, gasförmigen Antworten auf beliebte Fragen wie Who beat the hun 5-1?.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Wunderwaffenwoche in der Riesenmaschine

Natascha Podgornik | Dauerhafter Link | Kommentare (6)


01.12.2005 | 10:40 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Zeichen und Wunder

Schokoriesenmaschine


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Freunde überflüssiger Geräte und eventgestählte Partyanimals kennen sie bereits, Freunde besserverdienender Gourmetschuggener, die von der Trüffelmühle bis zum Gold- und Silberstreuer einfach schon alles haben entdecken sie gerade als Geschenkidee: Die Schokoladenkaskade, auch Schokoladenbrunnen oder -fontäne genannt. Schon ab ein paar hundert Euro kann und sollte man, um Ladehemmungen vorzubeugen, mit einem solchen Gerät mehrere Kilo feinster Schokolade schmelzen und umwälzen, um sodann nach Herzenslust Obst oder alles mögliche darin und daran zu schokolieren. Mit einer persönlichen Schokoladenkaskade sind der Phantasie in Sachen Einzustippendes keine Grenzen gesetzt, in Sachen Schokolade – schon eher.
Einziger Nachteil des Geräts ist neben seiner nicht zu leugnenden Affigkeit seine Ineffizienz, die nur noch von einer Kaviarschrotflinte zu übertreffen wäre. Und überhaupt, wie viel schneller und unterhaltsamer wäre doch eine kleine güldene Kanone, die vom Tisch aus eine 500 g Kugel aus massiver Schokolade direkt in den Mund abfeuert. Now that's what I call Tischkultur! Baron Rocher, übernehmen Sie.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Gib dir die Kugel, Howard!

Natascha Podgornik | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


14.11.2005 | 20:23 | Anderswo | Alles wird besser | Was fehlt | Sachen kaufen

Hackenporsche für Afrika


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wasser holen, Kochen, Waschen, Feldarbeit, Kinder kriegen, waschen und füttern – Afrikas Frauen stemmen so einiges. Zumindest ihre tragende Rolle beim Wasserholen könnten sie jedoch bodennah ablegen – mit dem Hippo Water Roller, einem 90 Liter Fass, mit dem sich mehr Wasser mit weniger Kraft und in kürzerer Zeit transportieren lässt als auf die traditionelle Art und Weise. Die so einfache wie geniale Erfindung verbessert nicht nur die Wasserversorgung und somit auch die Ernteerträge, sie schont auch den Rücken und erhöht bei korrekter Benutzung (schieben!) die Überlebenschancen in verminten Gebieten.
Den Hippo Water Roller gibt es bereits seit 1996, trotzdem haben auch diverse Design-Blogs erst kürzlich davon erfahren. Warum sich trotz Spenden grosser Konzerne bisher weder die original Hippo Roller noch improvisierte Nachbauten welt- oder auch nur afrikaweit durchgesetzt haben, warum man die Dinger nur Familien im relativ wohlhabenden Südafrika spenden kann, all das bleiben ungooglebare Rätsel. Wer trotzdem für 60 US-Dollar einer südafrikanischen Frau den Kopf für andere Dinge als Wasser frei machen will, kann das hier tun.

Natascha Podgornik | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


11.11.2005 | 18:21 | Sachen kaufen | Sachen anziehen | Zeichen und Wunder

You can leave your tag on


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Was kostn des?" – "Des was druffsteht." – "Unn was steht druff?" – "Des was' kost." (Richy unn Headbängä)
Gestern erreichte die Kunde eines neuen Trends der HipHop-Welt das vereinigte Königreich. Woran haftet der Geruch des gerade abgeschlossenen Kaufvorgangs am besten, was sagt noch mehr "FABRIKNEU!" als ein Paar boxfresh trainers? Klar, ein Preisschild. Frisch erworbene oder erst kürzlich angeeignete Kleidungsstücke oder Accessoires wie Basecaps sind deswegen ab sofort mit Preisschild zu tragen. Nun weist ja bereits die Tatsache, dass der BBC-Artikel, genau wie dieser hier, nicht ausgepreist ist, bereits überdeutlich darauf hin, dass es sich beim Pricetag-Trend nicht wirklich um eine brandneue Angelegenheit handelt (einzelne Riesenmaschine-Autoren haben das bereits Ende der 80er Jahre in Berlin mitansehen müssen). Bis er aber auch im Mainstream angekommen ist, also bis die ersten mit "359,99" bedruckten Truckercaps für 1,99 bei kik rumliegen, darf man sich auf seine möglichen Auswirkungen freuen: Schwere Zeiten für Ladendetektive, Szenen an der Kaufhauskasse ("Soll ich's Ihnen als Geschenk einpacken?" – "NEIN, BITCH!"), sowie Preisschild-Diebstahl als Mittelweg zwischen Coolness und geplanter Juristenkarriere für unentschlossene Mittelschichts-Nachwuchsgangsta. Neue Impulse für den übersättigten Tattoo-Markt: Tätowierungen, deren Motiv ihr Endpreis ist (schwarz, oder bunt mit Mehrwertsteuer). Auch die Ausweitung auf bedingt auszeichnungsfähige Bereiche wie Frisuren ist denkbar, also zählt die Tage bis zur Sichtung des ersten gebrandeten Friseurumhangs in ze Hood auf einer Mitte-Party.

Natascha Podgornik | Dauerhafter Link


1 2 [3] 4

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Entropieworkshop

- Flibb (ostpreuss. Warmbier mit Eiern)

- Schmöckwitzer Rübensirup (mmh!)

- Expedition Ngorongoro

*  SO NICHT:

- joystickartige zentrale Steuerungselemente

- Stanzabfälle im Müsli

- mit Links

- Brehms Tierwelt


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Nachbeben", Stina Werenfels (2006)

Plus: 3, 10, 31 doppelt, 44
Minus: 2, 91, 92
Gesamt: 2 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV