27.06.2008 | 09:18 | Anderswo | Papierrascheln
#1: Thorsten Palzhoff, "Livia" Plus: 1, 2, 5, 7, 18, 39, 40, 43, 62 Minus: 41, 52, 60, 61, 70, 75 Gesamt: 3 Punkte
#2: Alina Bronsky, Aus dem Roman "Scherbenpark" Plus: 1, 4, 7, 10, 11, 17, 26, 28, 31, 40, 41 Minus: 3, 5, 6, 12, 13, 18, 19, 35, 52, 77 Gesamt: 1 Punkt
#3: Clemens J. Setz, "Die Waage" Plus: 1, 2, 7, 10, 16, 22, 25, 26, 27 Minus: 19, 22, 39, 47 , 64 Gesamt: 4 Punkte
#4: Angelika Reitzer, "Super-8" Plus: 1, 7, 10, 11 Minus: 9, 18 doppelt, 21, 50, 53 doppelt Gesamt: -3 Punkte
#5: Martin von Arndt, "Der Tod ist ein Postmann mit Hut" Plus: 1, 2, 7, 9, 12, (14), 18, 54 Minus: 1, 2, 8, 14, 18 doppelt, 19, 50, 61 Gesamt: -2 Punkte
#6: Patrick Findeis, "Kein schöner Land" Plus: 1, 2, 3, 10, 35, 39, 44 Minus: 6, 8, 14, 17 doppelt, 19 Gesamt: 1 Punkt
#7: Markus Orths, "Das Zimmermädchen" Plus: 1, 2, 5, 15, 18 Minus: 2, 64, 72 Gesamt: 2 Punkte
(Beitrag wird regelmässig aktualisiert, Liveblogging bei sopranisse.de. Wer übersehene oder falsch vergebene Punkte findet, weise bitte in den Kommentaren darauf hin.)
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine
13.05.2008 | 22:42 | Sachen kaufen | Listen
(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Angeben ist kein einfaches Geschäft. Ständig tänzelt man am Rande der Lächerlichkeit entlang, man muss mit einer Vielzahl verschiedener Zielgruppen und ihren komplizierten Ansprüchen zurechtkommen und die Halbwertzeit angabeorientierter Konsumgüter verringert sich ständig. Ausgedachte Untersuchungen wichtiger Institute geben wieder, dass sich das Durchschnittsbudget des Angebers seit den 1990er Jahren beinahe verzwölffacht hat (nach eigenen Angaben). In der gebildeten Oberschicht ist die scheinbare Abkehr vom konsumorientierten Angeben einer der grossen Angeber-Trends des 21. Jahrhunderts. Tatsächlich wird dort das Angebertum in eine Wolke aus fein zerstäubtem Understatement gehüllt – das Porsche-Cabrio wird in farblich zurückhaltendem, umweltfreundlichem Lack bestellt, versehen mit dem Aufkleber "Mein Zweitwagen hat einen Hybridmotor".
Aus blossem Geldmangel gibt die Mittelschicht eher mit sich selbst und ihren Fähigkeiten an als mit hochwertigen Konsumgütern. Der Trend dort geht eindeutig zur Bildung als Statussymbol. Auf jedem normalen Klassentreffen zählt man heute 15 verschiedene Titel aus 10 Ländern, auf Alumnitreffen der Wirtschaftswissenschaften wirkt man ohne MBA, Doktor und profunde Kenntnisse von sieben aussereuropäischen Sprachen eher wie ein Aussenseiter als ohne Hose.
Und die Unterschicht? Dort gibt man sich gewitzt und nicht geschlagen, schon allein, weil in der Unterschicht Angeben als offensiver Teil der Balzstrategie unmittelbar zum Überleben der eigenen Gene beiträgt. So kauft man sich, wann immer möglich, brandneue Teile für sein – wie man noch Anfang dieses Jahrtausends sagte – aufgepimptes Automobil. Ein Nachteil für den Unterschichts-Angeber von Unterwelt war bisher, dass auch der teuerste, vergoldetste Zylinderkopf von aussen ebenso wenig sichtbar ist wie der 5.000-Watt-Verstärker im Kofferraum. Dieses Problem löst man bei Unterschichts inzwischen, indem man die Logos aller eingebauten Produkte an der Seite des Autos aufklebt. Das Verfahren ist nicht ganz zu Ende gedacht, weil noch das jeweilige Modell und vor allem der Preis (am besten relativ zum Monatsgehalt) fehlen – aber es ist der Anfang einer Weltrevolution, nämlich des Virtuellen Angebens. Denn um ein Logo auf die Autotür zu kleben, braucht man natürlich kein eingebautes Produkt.
Und so sehen wir die Zukunft der Angeberei in allen Schichten vor uns: die Menschen werden herumspazieren und Bluetooth-Botschaften mit angeblichen Statussymbolen aussenden. Holographische Projektionen werden über dem Kopf des Angebers schweben und ihn, seinen ausgedachten Bildungsweg, seine tolldreist gelogenen Erlebnisse im Dschungel von Tibet und seine vorgeblich erworbenen Edelkonsumgüter in schillernden Bewegtbildern preisen. Schliesslich wird die Angebe-Holographie auch noch mit einer eigenen künstlichen Angeber-Intelligenz ausgerüstet werden und endlich wird so ein alter Menschheitstraum wahr geworden sein: die Existenz des Über-Über-Ich.
20.03.2008 | 09:13 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
Hessen hassen oder herzen? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Das iPhone ist die Draisine des mobilen Internets: immer noch unpraktisch, aber wegweisend. Dazu der Rückgang des Festnetzes, die grossartigen Erfolge von Playstation Portable und Segway – kein Zweifel, die Gesellschaft wird immer mobiler, auch wenn verschiedene öffentliche Transportgesellschaften hart dagegen anstreiken. Die allermeisten Länder bis auf das manchmal bei Sturm schwankende Sealand verweigern sich jedoch diesem Megatrend und sind erschreckend immobil. Glückstreffer der Teilzeitmobilität treffen hier und dort einmal Länder, die günstig an Erdkrustenspalten gelegen sind, sonst liegen sie nur bewegungslos herum – kein gutes Vorbild in der globalisierten Welt, wo Mobilität von A nach B das A und O des wirtschaftlichen Forderungskatalogs ist. Das gewitzte Hessen aber ist einen Schritt weiter und hat flugs – oder sollte man sagen: zugs – nebenstehenden Aufkleber auf seine Züge gepappt: "Der Standort / gefördert durch das Land Hessen". Einen Zug zum Standort erklären – das ist die Zukunft, aber erst der Anfang! Förderung ist auch Beförderung. Globalisierung extrem: Länder zu Flugscharen! Beschleunigt die Kontinentaldrift! Ruht nicht, bis Ruhe abgeschafft ist und jeder Standort ein Fahrwerk hat.
18.03.2008 | 01:25 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser
Screenshot: Ironic SansIm ersten Vorwort seines letzten grösseren Werks "Zeitverschwendung" bezeichnete der famose Wissenschaftsphilosoph Paul Feyerabend die Sonnenuhr als Sinnbild für "die wechselhafte, perspektivabhängige Natur der wissenschaftlichen Messung". Ein scheinbar harmloser Nebensatz – in Wirklichkeit ein spätes, eher unfeines Nachtreten gegen seinen Lehrer Karl Popper. Dieser hatte in verschiedenen Aufsätzen und Briefen das Bild der Sonnenuhr benutzt, um zu veranschaulichen, wie einfach und unmittelbar eine nachzuvollziehende Messung an der Natur selbst stattfinden kann. In Vorlesungen in Berkeley verspottete Feyerabend Popper als "Sonnenuhrwissenschaftler", der bei wolkenverhangenem Himmel seine Arbeit einstellen müsse, weil seine Methoden offensichtlich nicht funktionierten. Popper, in der Sache oft aggressiv, stänkerte indirekt zurück, indem er dem Schüler eine Sonnenuhr zustellen liess mit der Bemerkung, er möge sie ruhig "nachts mit einer Stehlampe benutzen", seine Einstellung zur Wissenschaft lasse das sicherlich zu.
Jetzt, vierzehn Jahre nach dem Tod beider, ist ein Ende des Streits in Sicht: eine Sonnenuhr, die auch nachts funktioniert und sich von der schlichten Naturbeobachtung und -messung erkennbar gelöst hat. Im Blog "Ironic Sans" mit dem schönen, wissenschaftsaffinen Untertitel "It seemed like a good idea on paper" wurde die abgebildetet Idee vorgestellt: drei rotierende Lampen werfen jeweils den stunden-, minuten- und sekundenanzeigenden Schatten. Wie schön, dass ausgerechnet das erste bekannte wissenschaftliche Messinstrument in seiner neuzeitlich-künstlichen Verbrämung – die noch dazu nur im Halbdunkel funktioniert – Popper und Feyerabend versöhnt.
16.03.2008 | 18:21 | Anderswo | Vermutungen über die Welt | In eigener Sache
(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Die Riesenmaschine ist in einer medialen Selbstreferenzzwickmühle. Das nebenstehende, erschütternde Bildmaterial erreicht uns soeben von uns selbst. Zur Erläuterung: es handelt sich um den 1-Kubikmeter-Stand der Riesenmaschine auf der Leipziger Buchmesse. Davor sitzt erst und hockt dann Dieter Moor, Moderator der ARD-Sendung "Titel, Thesen, Temperamente" und des Bachmann-Bewerbs. Im Karton befinden sich Kathrin Passig und die Frisur von Sascha Lobo. Während Moor die Frisur weitestgehend ignoriert, fragt er Kathrin Passig sinngemäss und augenzwinkernd, ob die Leute von der Riesenmaschine denn jetzt mit wirklich jedem Scheiss in die Medien kommen. Frieren wir an dieser Stelle die Zeit ein und betrachten das sich zukünftig entfaltende Horrorszenario.
Auf der Leipziger Buchmesse sitzen Menschen in einem lächerlich kleinen Karton, der erkennbar in acht Minuten für einen völlig anderen Anlass zusammengetackert wurde. Die Fernsehsendung wird vermutlich berichten, dass diese Riesenmaschine-Aktion veranstaltet wurde, um ins Fernsehen zu kommen. Auf der Riesenmaschine wird vorher davon berichtet, wovon die Redakteure des Kulturmagazins erfahren werden. Um sich nicht vorgeführt zu fühlen, werden die Redakteure den Sprechertext unter den Filmaufnahmen ironisieren müssen, als sei geplant gewesen, über die Ironie der selbsterfüllenden Medienverinhaltung zu berichten. Die Riesenmaschine wird ihrerseits ahnen, dass der Versuch unternommen werden soll, sie im Rahmen einer geplanten, aber gescheiterten Vorführung der Medien vorzuführen und wird keinen Ausweg sehen, als unmittelbar vor der Ausstrahlung der Fernsehsendung auf ebendiese hinzuwiesen mit der Wendung, dass man so getan habe, als hätte man sich mit einer fehlgeschlagenen Vorführung der Medien ertappen lassen – worauf der bei der Sendung live eingesprochene Kommentar Moors den entsprechenden Beitrag als Mediensatire vorstellt. In der Folge vertont die Riesenmaschineredaktion die Fernsehsendung neu, stellt das Ergebnis auf Youtube, worüber in der folgenden Fernsehsendung von Moor berichtet werden wird, während zeitgleich auf der Riesenmaschine live der eigentliche Subtext über eine neue Untertitelung gedeutet werden wird. Schliesslich implodiert die Medientheorie und übrig bleibt Kathrin Passig, die Paris Hilton heiratet und aufs Land zieht.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Riesenmaschine auf der Leipziger Buchmesse
1 [2] 3 4 5 6 7 8 9 10 ...
|
IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Glück in der Liebe
- Kumpir
- House-Sitting
- "Du Zausel, du" sagen (zum Aussenminister des Iran)
SO NICHT:
- Hasssalat
- Laktatwertfaschismus
- Pech mit Elektrogeräten
- Liebingskumpir pleite
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"The Black Dahlia", Brian De Palma (2006)
Plus: 19, 24, 39, 42, 56 Minus: 1, 57, 89, 128 Gesamt: 1 Punkt
KATEGORIEN
ARCHIV
|
|