Riesenmaschine

27.06.2006 | 19:50 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Das No Logo Logo


Wiederverwendbares Universallogo (Multibrandsignet) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ohne Marken wären wir bedeutend schlimmer dran als die Marken ohne uns. Marken geben uns Halt und sind Garanten für einen Haufen anderer wichtiger Dinge, findet jedenfalls der Markenverband. Aber was sind Marken, diese tollen Hechte, wirklich? Gehen wir in der Zeit etwas zurück, und zwar bis damals. Hans Domizlaff gilt als derjenige, der in den 20er und 30er Jahren die Marke an sich gewissermassen mit Kerosin betankte, sie dann in einen gesellschaftspolitischen Kontext stellte und 1932 das Buch schrieb "Propagandamittel der Staatsidee", mit dem er unter Reichskanzler Brüning Werbeleiter des Deutschen Reiches werden wollte. Das Buch ist dann anderweitig zum Einsatz gekommen. Domizlaff, Entwickler von Marken wie Ernte 23 und Siemens, wurde 1943 Vorsitzender der Lüneburger Heide. Seine Idee der Marke war, der Masse der Kunden Anhaltspunkte für ihr Vertrauen zu geben.

"Anhaltspunkte für Vertrauen", dafür braucht man doch keine Marke, wird sich ein findiger Bierglasproduzent gedacht haben und hat das nebenstehende Gefäss auf den Markt geworfen. Denn bierausschenkende Wirte haben oft das Problem, dass sie von irgendeiner Biermarke die Gläser geschenkt bekommen haben, aber Bier von einer anderen Marke ausschenken. Und es ist genauso doof, Warsteiner aus einem Beck's-Glas zu trinken wie aus einem Glas, wo gar nichts draufsteht, dann könnte man ja gleich Noname-Bier ausschenken, das will doch auch niemand, wer weiss, was da drin ist! Abgesehen davon, dass auch die glühendsten No-Logo-Verehrer noch stets eine Lieblingsbiermarke haben, "aber nur, weil sie schmeckt!", gibt es bei Biergläsern also das Problem, dass sie das traute Markengefühl erzeugen sollen, ohne sich festlegen zu müssen. Sieht aus wie ein Markenglas, fühlt sich auch so an, und mit "Bier-Spezialität", "meisterlich gebraut" kann sich vermutlich jede Biermarke irgendwie identifizieren. Nur mit dem Spruch "Hopfen und Malz, Gott erhalt's" könnte es in seltenen Fällen inhaltliche Kollisionen geben.


26.06.2006 | 11:45 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Kork Wars


Neonneokorken von seit 1435 (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das Gipfeltreffen der Unsympathen der WM (Portugal, Holland, Iwanow) endete damit, dass erstmals in der Fussballgeschichte beide Mannschaften verloren (21 Gelbe, 7 Rote Karten). Weil bei Portugal ein Tor weniger ungeschossen blieb, kommt der weltgrösste Weinkorkenproduzent weiter – und muss doch eine herbe Niederlage einstecken (Foto). Denn künstliche Korken setzen sich immer mehr durch, aus den üblichen langweiligen Gründen mit Geschmacksneutralität, Verschlussdichte und Ähnlichem. Viel spannender sind die Psycho-Grabenkämpfe der Echtkorkliga gegen Riege der Stahl-, Glas- und Kunststoffverschliessenden, die seltener im Vordergrund ausgefochten werden, dafür aber umso erbitterter zwischen den Zeilen und hinter den Kulissen. Die Weintraditionalisten des VDP etwa drängen Winzer dazu, sich zum Echtkorken zu bekennen. Die Kunstkorkenkämpfer gehen unbeschwerter in die Schlacht, sie haben ja wenig zu verlieren. Der abgebildete Korken der Firma Supreme Corq muss aber als lachender Frontalangriff verstanden werden. Mehr Hohn als ein neongelber Plastikkorken für ein seit 1435 bestehendes Weingut ist schwer vorstellbar.


24.06.2006 | 09:30 | In eigener Sache

Bachmann-Bewerb


Archipel Kelag (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Nicht nur, dass Riesenmaschine-Autorin Passig um 10.00 Uhr live auf 3sat vorliest und damit beim Bachmann-Bewerb teilnimmt, sondern teilnehmen kann auch jeder hier Lesende, und zwar an der Publikumsabstimmung. Hinter diesem Link kann ein jeder abstimmen, und zwar von 13.30 Uhr bis 20.00 Uhr heute abend. Kathrin Passig hat bereits verlauten lassen, dass sie bei Gewinn des Publikumspreises "einen ausgeben würde", so die sympathische Mittdreissigerin. Man kann übrigens nicht einfach nur so abstimmen, sondern muss auch eine Begründung angeben, es ist also wie im richtigen Leben.


21.06.2006 | 11:05 | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Tatsachen des Bodens


Bahnhof (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Um zu fliegen, muss man sich nur auf den Boden werfen und danebenfallen". Um zu liegen, muss man sich nur auf den Boden werfen. Um zu werben, muss man nur etwas auf den Boden kleben, und zwar Floor Graphics, die laut einer Herstellungsfirma, und das kommt jetzt etwas überraschend, im Lebensmitteleinzelhandel "vom Kunden akzeptiert" werden. Nanu? Vom Kunden akzeptiert? Zieht man da den werbeüblichen 250%igen Selbstdarstellungsaufschlag ab, dann steht vermutlich dahinter, dass nur ein geringer Prozentsatz der Supermarktüberfälle direkt mit Floor Graphics begründet wird. Schlechte Werbung wird nämlich nicht besser, indem man sie an anderen Orten als sonst anbringt. Im Moment schiessen Floor Graphics wie Pilze auf dem Boden, seltsamerweise genau zu einem Zeitpunkt, wo praktisch niemand in Deutschland noch den Kopf hängen lässt und nach unten blickt.

In anderen Ländern gibt es Gebiete, wo man besser ständig nach unten blickt. Zum Beispiel in Kambodscha, Angola, Afghanistan oder auch Bosnien-Herzegowina. In diesem Zusammenhang sind noch mehr Bodentatsachen interessant. Zum Beispiel die Mine des Monats, ein Preis, der leider seit März nicht mehr erneuert wurde, schade, welche Mine würde nicht gerne mal gross rauskommen, immer nur Underground hält doch keiner aus. Ebenfalls interessant ist, dass die beiden deutschen Konzerne DaimlerChrysler und Siemens tief ins Landminenbusiness (bzw. Streumunition) verstrickt sind, wogegen man hier gegen sein kann. Die Riesenmaschine wendet sich aber ausdrücklich gegen die einseitige Betrachtung des Zufallskillers Landmine, daran hängen auch Arbeitsplätze, ohne Minen gäbe es also viel mehr Arme.


16.06.2006 | 17:25 | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Undank für den Fisch


So hatten sich die Yuppies die von ihnen selbst ins Rattern gebrachte Globalisierung nicht vorgestellt (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Fast-Essen-Kette Nordsee bastelt als Erweiterung ihrer beliebten Fischbrötchen Sushi. Eventuell hat das damit zu tun, dass Eigentümer Heiner Kamps mit Systembäckerei gross geworden ist, bei der straffe Waren- und Arbeitslogistik zum Erfolg führte. Im Fischbereich nun ist es schwierig, Gerichte zentral vorzubereiten und dann tiefgefroren zu transportieren – bei Sushi aber eben nicht. Um jetzt den Niedergang des Sushi als Speise der Besservertilgenden auszurufen, ist es geschätzte zehn Jahre zu spät. Auch Herrn Kamps sollte man mit Respekt begegnen, denn er hat nicht nur ein Unternehmen aufgebaut, eine Gewerkschafterin hat ihm vor einigen Jahren sogar bescheinigt, die fairsten Pachtverträge für seine Filialisten angeboten zu haben. Eventuell entgeht er deshalb sogar dem wegen der Erfindung des Schoko-Wuppis sicher geglaubten Höllenaufenthalt. Ausserdem essen wir den ganzen Tag Industriefrass und bisher hat das nur 3587 Menschen in Deutschland interessiert, was soll da an Industriesushi so schlimm sein? Woher rührt jetzt aber das Unwohlsein, das der mündige Passant angesichts der Nordsee-Sushi-Werbefahne empfindet? Nicht leicht zu erklären, denn auch der Seeteufel steckt im Detail, und das ist hier auch noch kulturübergreifend, deshalb muss ich etwas ausholen.

Globalisierung ist eigentlich eine gute Sache, und sie zu verdammen, weil die herrschende Konzernkaste damit Unfug anstellt, ist so, als würde man gegen das Feuer sein, weil damit Urwald verbrannt wird. Nein, der weltweite Austausch von Waren, Werten und Wissen ist notwendig und gut. Das gilt auch für Kulturgüter, denn Kultur ist Vermischung und Bereicherung und das Geschrei, Multikulti sei gescheitert, ist dumm und unerträglich, denn die Beispiele, die dafür beweisähnlich angebracht werden, handeln in den meisten Fällen von einem Milieu, wo alles Mögliche ist ausser Kultur; aber das völlig unüberraschende Scheitern des Nulltikulti ist nicht so leicht zu instrumentalisieren. Nordsee-Sushi krankt aber an etwas ganz Profanem. Die Addition aus deutschem Fischflair und anjapanisierter Esskultur wirkt so appetithemmend künstlich wie Kaffee-Senf-Schokolade. Manchmal ist das Ganze weniger als die Summe seiner Teile.


... 20 21 22 23 24 [25] 26 27 28 29 30 ...

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Herzen, Sterne, Brezeln

- hübsch vignettierte Erinnerung

- Ein Pfeifffrosch namens Lordi

- "Alter" sagen im Gespräch mit Kindern

*  SO NICHT:

- Schnabeltassen bei 40 Grad waschen

- Spinat-Bionade

- Regentänze (zu beliebig)

- Ton, Steine, Scherben


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Surveillance", Jennifer Chambers Lynch (2008)

Plus: 3, 5, 12, 33, 42, 80, 89
Minus: 66
Gesamt: 6 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV